Im Grunde ist alles ganz einfach in diesem letzten „Tatort“ des Jahres. Ulrich Tukur ist Kommissar Murot, und Kommissar Murot ist Ulrich Tukur.

Im Grunde ist alles sehr kompliziert in diesem letzten „Tatort“ des Jahres. Ulrich Tukur ist Kommissar Murot, und Kommissar Murot ist Ulrich Tukur.

Man kann in diesem Gewerbe die Figur oft nicht mehr von der Person trennen, die sie spielt. Das eine ist symbiotisch mit dem anderen verbunden, und ich liebe ja bekanntlich diese superdumme Frage superfauler Journalisten, die immer wieder von Schauspielern wissen wollen, wie viel von der gespielten Figur privat in ihnen stecke. Fragen sie das mal einen Kindermörderdarsteller.

Man weiß ja, dass die in Hessen (ausgerechnet Hessen!) einen Hang zum Wagnis haben. Mit der wunderbaren Italowestern-Shakespeare-Inszenierung „Im Schmerz geboren“ haben sie das vor über einem Jahr bewiesen und der „Tatort“-Reihe damit ein Krönchen aufgesetzt. Nun wagen sie etwas von ähnlichem Format, und dafür möchte ich das Team ausdrücklich loben. Die Macher brechen aus der Konvention aus der ewigen Wo-waren-Sie-gestern-um-Fragen, die meist nichts anderes gebiert als Langeweile. Und nun fallen die Wiesbadener wieder mal aus der Rolle, landen aber bald schon beim selben Effekt.

Das beginnt harmlos, als der von Ulrich Tukur gespielte Kommissar Murot zu einem Tatort gerufen wird. Zwei Leichen gibt es zu bestaunen im Parkhaus des Wiesbadener Spielcasinos. Murot schaut auf die Leichen, bekommt die üblichen Informationen über Todesart und Todeszeitpunkt, und dann heißt es „Cut“. Auf einmal ist Tukur nicht mehr Kommissar Murot, sondern Ulrich Tukur himself. Gezeigt wird das Geschehen am Set einer „Tatort“-Folge.

In der Folge geht es im Prinzip darum, wie es im „Tatort“-Gewerbe hinter den Kulissen so zugeht. Dieses sehr besondere Making-Of zeigt, wer da warum welche Eitelkeiten vor sich herträgt und wer auf welche Weise unerträglich ist.

Unerträglich sind in diesem Film eigentlich alle. Ulrich Tukur ist unerträglich, weil er einen begriffsstutzigen Ulrich Tukur spielt, der nicht kapieren will, dass er plötzlich unter Mordverdacht gerät und dann alles tut, um diesen Verdacht nur ja nicht schnell aufzulösen. Ein Angehöriger des Filmteams ist nämlich in der durchsoffenen Nacht zuvor umgekommen, und die Filmfigur Tukur war offenbar länger bei ihm als sie zugeben will.

Aber auch Tukurs Sidekicks sind von besonderer Unerträglichkeit. Als Gag hat Autor und Regisseur Bastian Günther nämlich etliche „Tatort“-Kommissare ins Drehbuch geschrieben. Da sind die Darsteller des neuen Frankfurter „Tatort“-Teams, die einander nicht abkönnen, obwohl sie in Interviews immer wieder das Gegenteil behaupten. Da ist Martin Wuttke, der einen Martin Wuttke spielt, der komplett pleite ist, seitdem ihm der Job als Leipziger „Tatort“-Kommissar entzogen wurde. Dazu kommen ein überkandidelter Regisseur und ein mutloser Redakteur, allesamt Karikaturen ihrer selbst. Und zwischendrin wird bei besonders flapsiger Ausdrucksweise auch schon mal das stets komödiantisch daherkommende Erfolgsprodukt der Reihe gedisst. „Wir sind doch nicht in Münster“, heißt es dann.

Das ist beim Lesen schon schwer zu verstehen, und man braucht auch im Film eine Weile, bis man den Aufzug zwischen den Metaebenen auf der richtigen Etage gestoppt bekommt. Alles sehr mühsam. Alles ein bisschen verworren. Mit Absicht. Man spürt sofort, dass hier der Zuschauer gefordert werden soll, dass einkalkuliert wird, dass er das eine oder andere nicht gleich versteht. Soll er sich doch klug machen und weiterschauen, lautet offenbar die Devise.

Das ist ein ganz und gar lobenswerter Ansatz. Leider fällt das mit dem Weiterschauen rasch schwer, denn über all die Ambition, die Handlungsebenen verschwimmen zu lassen, haben die Akteure vergessen, dass es nicht reicht, tolle Taschenspielertricks und Fingerübungen vorzuführen, man muss auch ein wenig für einen halbwegs straff gespannten Handlungsbogen sorgen und ein bisschen Motivation liefern.

Die Motivation fällt aber wenig überzeugend aus, weil man Tukurs in Bedrängnis geratenem Alter Ego die Bedrängnis nicht abnimmt. Er sieht immer aus wie der kluge Tukur, der versucht, einen besonders blöden Tukur zu spielen. Ja, furchtbar kompliziert, ich weiß. Ist aber nicht meine Schuld.

Ganz am Ende kollidieren schließlich die Ebenen, und keiner weiß mehr, was nun echt und was gespielt ist. Oder halt: Hier die Einsicht: Es ist alles nur gespielt. Auch das Leben.

Dies sei die aus diesem Film gelernte Botschaft zum Ende. Zum Ende des Jahres. Zum Ende dieser Reihe. Es ist alles nur gespielt. Auch ich bin in Wirklichkeit nicht ich. Ich spiele letztlich nur die Rolle der Kunstfigur Hans Hoff, jenes professionellen Grantlers, der hier selten ein gutes Haar an einer Produktion lässt. Ich spiele den öffentlichen Hans Hoff, der aber letztlich auch nur sich selbst spielt.

Zu verworren? Okay, die Kritik nehme ich an und verweise in Gedenken an den seligen Robert-Welches-Schweinderl-hätten-Sie-denn-gern-Lembke auf den Titel dieser „Tatort“-Folge, die seiner einstigen Erfolgsshow arg ähnelt und die zentrale Frage für alle stellt: Wer bin ich?