Die Corona-Pandemie hat die gesamte Fernsehbranche gehörig durcheinandergewirbelt. Shows wurden plötzlich ohne Studiopublikum produziert und es galten strenge Vorschriften. Aber auch die täglichen Serien waren sehr betroffen und mussten, anders als große Liveshows, teilweise auch ihre Dreharbeiten unterbrechen, um sich auf die neue Situation einzustellen. Sowohl bei den RTL-Dailys als auch den ARD-Telenovelas standen zu Beginn der Pandemie einige Tage bzw. Wochen lang die Kameras still. 

Auswirkungen waren schnell zu spüren: Im Ersten mussten "Rote Rosen" und "Sturm der Liebe" nach einer wochenlangen Dreh-Unterbrechung auf Wiederholungen umgestellt werden. Bei RTL wurden von "GZSZ" spezielle Rückblicks-Folgen produziert, um so die Anzahl der Erstausstrahlungen zu strecken. Und auch international war Kreativität gefragt, um Programme auf dem Bildschirm zu halten. In Großbritannien reduzierte ITV beispielsweise die Dosis seiner täglichen Serien, um nicht irgendwann in den Wiederholungsmodus schalten zu müssen. 

Letztlich standen die Verantwortlichen von allen Serien vor den gleichen Herausforderungen: Wie kann man die Produktion einer täglichen Serie aufrechterhalten in einer Zeit, in der noch wenig über Corona bekannt war und in der die Hiobsbotschaften gefühlt täglich schlimmer wurden? So haben alle Produktionsfirmen diverse Maßnahmen ergriffen und reduzierten etwa die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Set. Abstandsregeln und Masken sollten dafür sorgen, dass die, die vor Ort sind, sicher arbeiten können. Schauspielerinnen und Schauspieler mussten sich zeitweise selbst um ihre Haare und Make-up kümmern. 

Und auch wenn es, je nach Serie, hier und da immer mal wieder kurze Corona-Ausfälle gab. Insgesamt konnten alle Produktionen den Umständen entsprechend gut fortgeführt werden. Allerdings standen Autorinnen und Autoren sowie die Regie-Verantwortlichen vor einer sehr besonderen Herausforderung, denn man wollte auch den Cast bestmöglich schützen. Und so wurden landauf und landab zunächst Kuss- und Sexszenen und andere intime Momente aus den Serien gestrichen. Schaut man sich die Folgen aus der damaligen Zeit an, sieht man, dass auch generell die Nähe zwischen den Figuren fehlte. Auffangen wollte man das mit bestimmten Kameraeinstellungen, die die Nähe schrumpfen ließen. Als sich 2021 Schauspielerinnen und Schauspieler wieder küssen durften, gingen sie davor zunächst in Quarantäne

Erst die Mitarbeiter, dann der Inhalt

Guido Reinhardt © Bernd Jaworek Guido Reinhardt
"Die gesamte Situation war zunächst für unsere Gesellschaft dystopisch und extrem herausfordernd", sagt Guido Reinhardt, damals Produzent von "Unter Uns" und mittlerweile auch (wieder) für "Alles was zählt" verantwortlich. Er verweist im Gespräch mit DWDL.de darauf, dass die von UFA Serial Drama produzierten RTL-Soaps nach einer einwöchigen Drehpause unter "starken Einschränkungen" fortgesetzt werden konnten - wobei "Alles was zählt" noch einige Tage länger pausieren musste. "Alle haben mitgeholfen und an einem Strang gezogen, so dass wir unter dem großartigen Einsatz aller Teams bis zum Ende der Pandemie weiter produzieren konnten. Jede neuen Änderungen in der Gefahrenlage wurden in regelmäßigen Besprechungen analysiert und direkt entsprechend angepasst."

Die "alleinige Priorität" zu Beginn der Pandemie sei es gewesen sicherzustellen, dass alle Mitarbeitenden an ihrem Arbeitsplatz sicher seien, so Reinhardt. Hier sei man bisweilen strenger als die gesetzlichen Auflagen gewesen. "Die inhaltlichen Auswirkungen, wie stelle ich zum Beispiel Nähe im Bild dar, waren nachgelagert, wurden aber Stück für Stück innovativ und sehr erfinderisch gelöst." 

"Das ‘Kaffeeküchengespräch’ ist kein Luxus, sondern eine zwischenmenschliche Notwendigkeit."
Guido Reinhardt, Produzent von "Unter Uns" und "Alles was zählt"


Verlorengegangen sei durch Corona der zwischenmenschliche Austausch, sagt Reinhardt. "Und damit unterscheiden wir uns nicht von vielen Teilen der Gesellschaft insgesamt." Viele Aufgaben seien damals im Home Office über virtuelle Konferenzen und Video-Calls geregelt worden. Die Tatsache, dass oft nur die für die Produktion absolut notwendigen Personen vor Ort im Studio waren, hätte viel mit dem Team gemacht. "Der Verlust von direkter Kommunikation fehlt dann doch irgendwann elementar. Das ‘Kaffeeküchengespräch’ ist kein Luxus, sondern eine zwischenmenschliche Notwendigkeit. Diese vor der Pandemie gelebte Normalität wiederzuerlangen war und ist bis heute keine Selbstverständlichkeit, sondern muss Stück für Stück und Gespräch für Gespräch wieder in den Köpfen etabliert und neu verankert werden." 

Es gibt aber auch positive Dinge, die UFA-Produzent Guido Reinhardt aus der Pandemie mitnimmt. "Der gemeinsame Zusammenhalt, scheinbar unlösbare Herausforderungen gemeinsam anzugehen und zu lösen, sind die klaren positiven Faktoren, die wir für uns alle mitnehmen konnten." Die Pandemie habe ein sehr starkes "Wir"-Gefühl erzeugt, davon profitiere man bis heute. 

"Sehr belastende" Maßnahmen

Jan Diepers © Studio Hamburg Serienwerft Jan Diepers
Spannend ist auch ein Blick auf die ARD-Telenovela "Rote Rosen", wo Jan Diepers die Produktion 2020 übernommen hatte - und das mitten in der ersten durch Corona bedingten Drehpause. Einige Monate später wurde er auch Geschäftsführer der zuständigen Produktionsfirma, der Studio Hamburg Serienwerft. "Ein leeres Studio zu sehen, das normalerweise eine Daily Soap beherbergt, war sehr eindrücklich. In meinen 30 Berufsjahren habe ich noch nie erlebt, dass der Dreh einer täglichen Serie unterbrochen wurde. Das hatte wirklich etwas von ‘The Last of Us’", sagt er gegenüber DWDL.de. Sechs Wochen habe man damit verbracht, sich weltweit mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen und Maßnahmen zu entwickeln. "Einiges davon mag im Nachhinein übertrieben wirken, war jedoch entscheidend, um allen Beteiligten ein angstfreies Arbeiten zu ermöglichen."

"Einiges davon mag im Nachhinein übertrieben wirken, war jedoch entscheidend, um allen Beteiligten ein angstfreies Arbeiten zu ermöglichen."
Jan Diepers, Produzent von "Rote Rosen" und Geschäftsführer der Studio Hamburg Serienwerft


Eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung von Drehgenehmigungen sei damals die enge Abstimmung mit den zuständigen Gesundheitsbehörden gewesen, so Diepers. Neben einem umfassenden Hygienekonzept wurde am Set getestet, es gab eine Maskenpflicht und  Abstandsregelungen. "Zusätzlich wurden Drehpläne angepasst, um unnötige Kontakte zu vermeiden, beispielsweise durch kleinere Teams oder reduzierte Drehtage." Vor der Kamera hätten die Regisseure "alle optischen Tricks" eingesetzt, um die verordneten Abstände zu minimieren. Wer sehen will, wie das gelungen ist, kann sich die Folgen auch heute noch in der ARD-Mediathek ansehen. "Ich glaube nicht, dass den Zuschauern auffällt, dass diese Folgen während der Corona-Zeit gedreht wurden – obwohl der 2-Meter-Abstand auf jedem Thumbnail zur Folge deutlich erkennbar ist."

Steigende Lebensqualität für Mitarbeitende

Insgesamt sei man sehr gut durch die Pandemie gekommen, sagt der "Rote Rosen"-Produzent. "In Lüneburg fühlten wir uns wie in einem kleinen gallischen Dorf." Dennoch seien die täglichen Tests, Masken, Abstände und alle anderen Maßnahmen "sehr belastend" gewesen. Diepers: "Mit den Impfungen verbesserte sich die Situation, aber erst ein Jahr später kehrten wir praktisch zur Normalität zurück, als auch die Maskenpflicht aufgehoben wurde. Heute, 5 Jahre nach Corona, ist es nur noch der Schatten einer schlechten Erinnerung. Wir sind aber sensibilisiert und ‘Rote Rosen’ ist gestärkt aus der Pandemie hervorgegangen."

Und auch der Geschäftsführer der Serienwerft kann der Pandemie letztlich auch etwas Gutes abgewinnen. So sei die Digitalisierung während der Corona-Zeit maximiert worden. "Wir haben viele Prozesse in die Cloud verlagert und setzen dabei stark auf das Cloud-Produktionstool Yamdu, dessen Weiterentwicklung wir aktiv unterstützt und begleitet haben. Mittlerweile schreiben, planen und schneiden wir in der Cloud. Wir haben unsere Kommunikation sowohl dezentralisiert als auch verbessert."

Früher hieß es immer, dass eine Daily nur produziert werden kann, wenn alle Beteiligten auch tatsächlich vor Ort sind. Inzwischen sind auch bei "Rote Rosen" wieder alle Mitarbeitenden am Set. "Aber viele Mitarbeitende haben nun die Möglichkeit, dezentral im Homeoffice zu arbeiten." Durch diese Flexibilisierung steige auch die Lebensqualität. Darüber hinaus habe man den eigenen CO2-Fußabdruck reduziert. "In unserer CO2-Bilanz ist mittlerweile das Catering der größte Faktor", sagt Diepers. 

DWDL.de-Schwerpunkt: 5 Jahre Corona