Am 1. Juli des vergangenen Jahres ist das sogenannte Nebenkostenprivileg gefallen. Der Kabelanschluss in Miethaushalten darf seither nicht mehr wie bis dahin oftmals üblich über die Nebenkosten abgerechnet werden. In der Branche wurde das oft als möglicher Gamechanger beschrieben: Kabelnetzbetreiber mussten sich um Einzelverträge mit den betroffenen Haushalten kümmern, gleichzeitig witterten IPTV-Anbieter die Chance, viele Millionen neue Kundinnen und Kunden zu erreichen. Und tatsächlich hat sich einiges verändert, der ganz große Shift blieb bislang aber aus. 

Am härtesten getroffen hat der Wegfall des Nebenkostenprivilegs Vodafone, das rund die Hälfte der betroffenen Kunden verloren hat. Oder wie das Unternehmen es formuliert: Man konnte die Hälfte halten und in Direktverträge bringen. Auch Tele Columbus verzeichnete zuletzt deutlich weniger Umsatz in diesem Bereich als früher. Und doch sind beide Unternehmen mit der aktuellen Situation durchaus zufrieden, wie ihre Vertreter am Dienstag auf der ANGA COM erklärten. 

"Wir sind intern sehr zufrieden damit, dass wir von den betroffenen Kunden ungefähr die Hälfte halten konnten", sagte Maren Pommnitz, Director Home Connectivity & Entertainment bei Vodafone Deutschland. Und Stephan Kalleder, Senior Director Products & Growth bei Tele Columbus, erklärte, er habe vor zwei Jahren bei IPTV-Anbietern eine gewisse Goldgräberstimmung bei dem Thema ausgemacht. "Die hat sich nicht eingestellt." Am Ende hätten die Anbieter, allen voran die Deutsche Telekom, deutlich weniger neue Kundinnen und Kunden an sich gebunden als erhofft, so Kalleder.

Tatsächlich haben IPTV-Anbieter vom Wegfall des Nebenkostenprivilegs profitiert, aber nicht so, wie klassische Kabelnetzbetreiber das befürchten mussten. Die Plattformen verzeichneten zwar einige hunderttausend Ascbhlüsse mehr, bei der im Raum stehenden Gesamtzahl der betroffenen Personen ist das aber eher kein Gamechanger. Das wirft unweigerlich die Frage auf, was eigentlich mit denen ist, die bislang in der Sache noch gar nicht aktiv geworden sind. Bereits im Herbst 2024 sorgte eine von Zattoo in Auftrag gegebene Studie für Aufsehen. Darin hieß es, dass mehr als eine Million Haushalte wissentlich oder unwissentlich weiterhin TV schauen, obwohl sie keinen gültigen Vertrag mehr haben (DWDL.de berichtete). Hinzu kommt eine Dunkelziffer, bei denen die Situation unklar ist. 

Maren Pommnitz schätzt die Anzahl der sogenannten Schwarzseher niedriger ein. Viele hätten wohl schon vor dem Wegfall des Nebenkostenprivilegs über andere Wege geschaut. Gleichzeitig machte sie klar, dass es Vodafone wichtig sei, dass die Kunden für das TV-Signal zahlen. Kunden würden dementsprechend adressiert werden - und notfalls auch abgeklemmt werden. Wie viele Haushalte Vodafone schon abgeschaltet hat, wollte Pommnitz nicht sagen. 

Ernüchterung nach der großen Euphorie

Es ist ein Vorwurf, der von den IPTV-Anbietern kommt: Kabelnetzbetreiber nehmen es in Kauf, dass die Menschen schwarz sehen und das erschwere ihnen selbst das Geschäft. Das wollte Stephan Kalleder von Tele Columbus auf der ANGA COM so jedenfalls nicht stehen lassen. Die Chance für die IPTV-Anbieter sei durchaus da gewesen, mehr Kundinnen und Kunden zu erreichen. Das eigene Unternehmen sei mit einem "lachenden Auge" aus dem letzten Jahr gekommen, gut funktioniert habe unter anderem der Verkauf von Bundle-Produkten. Teilweise konnten die betroffenen Kabelnetzbetreiber Kundinnen und Kunden nicht nur halten, sondern ihnen auch teurere Produkte verkaufen. Man selbst klemme ebenfalls Haushalte ab, die schwarz sehen, so Kalleder. "Aber es ist nicht so, dass da plötzlich ein Wunderwachstum der IPTV-Player zu erwarten ist."

Dass sich auch die IPTV-Anbieter von dem Wegfall des Nebenkostenprivilegs mehr erhofft hatten, unterstrich auf dem Panel Zattoo-CEO Roger Elsener, der das Unternehmen seit Oktober des vergangenen Jahres führt. Erstmals sei er mit dem Thema während seines Bewerbungsprozesses in Berührung gekommen. Damals seien alle euphorisiert gewesen. "Danach etwas weniger", räumte Elsener ein. "Die Erwartungen waren höher", so der Zattoo-Chef, der dennoch sagt, dass "substanziell" etwas passiert sei. So habe der Wegfall den Trend in Richtung IPTV beschleunigt. 

Ein Stück weit zwischen den Stühlen saß auf dem ANGA COM-Panel Andre Prahl, Chief Distribution Officer bei RTL Deutschland. Im linearen Fernsehen sind die Reichweiten ohnehin schon seit Jahren rückläufig, da kann es dem Unternehmen nicht gefallen, wenn die Kabelnetzbetreiber plötzlich damit anfangen, womöglich Millionen Haushalte abzuklemmen, sodass diese dann gar kein TV mehr schauen können. Das hatte RTL auch immer so kommuniziert. Andererseits befürwortete man den zusätzlichen Wettbewerb und die mit dem Wegfall des Nebenkostenprivilegs einhergehende Modernisierung. 

RTL mit "hellblauem Auge" davongekommen

Letztlich hat man auch bei RTL Deutschland keine großen Auswirkungen gespürt. "Wir haben den Eindruck, dass die Maßnahme nicht dazu geführt hat, dass Menschen, die Fernsehen schauen wollen, das jetzt nicht mehr können." Einzelfälle gebe es, aber keinen durchschlagenden Effekt. "Wir sind mit einem ganz hellblauen Auge davongekommen", so Prahl. RTL+ hat derweil wohl nur mittelbar durch das Abo-Wachstum der Telekom vom Ende des Nebenkostenprivilegs profitiert. MagentaTV bietet den RTL-Streamingdienst im Bundle an, in den zurückliegenden Monaten war das ein wesentlicher Wachstumstreiber. 

Überhaupt nahm auch das Thema Bundeling viel Raum auf dem Panel ein. Die einen sind hier schon weiter als andere. Ohne das Zusammenarbeiten scheint es im Jahr 2025 aber kaum mehr zu gehen - und das, obwohl natürlich alle die Stärken ihres jeweiligen Einzelprodukts betonten. Eins scheint aber auch ein Jahr nach dem Ende des Nebenkostenprivilegs klar: Der klassische Kabelanschluss ist nicht zu unterschätzen und wird auf absehbare Zeit noch eine wichtige Rolle spielen - für Sender und Kabelnetzbetreiber, aber auch für die Nutzerinnen und Nutzer.