Wie sehr Influencer, Creator oder wie man die Social-Media-Stars heute sonst noch nennt, die klassische Medienwelt heute schon verändert haben, kann man an einigen wenigen Beispielen exemplarisch aufzeigen. Der kommerziell erfolgreichste Boxer ist etwa keiner, der den Sport im klassischen Sinne professionell macht, es ist Jake Paul, ein YouTuber. Eine der größten Gameshows macht Mr. Beast bei Prime Video und die US-Wahlen wurden zuletzt vor allem auch in den sozialen Netzwerken entschieden. 

Auf der ANGA COM ist unter dem Titel "Corporate Media vs. Creator Media: Strategies for Success in a Changing Media Landscape" über die aufstrebende Creator-Szene gesprochen worden. Aber auch darüber, wie diese mit klassischen Medien zusammenarbeitet. Tatsächlich hat es hier in den vergangenen Jahren einen sichtbaren Shift gegeben, da waren sich alle Panelisten einig. Während TV-Macher früher versucht haben, Influencer in bestehende Konzepte zu pressen (was so gut wie nie funktioniert hat), gibt es für die Creator heute mehr Freiheiten.

Thomas Münzner © ProSiebenSat.1/Amelie Niederbuchner Thomas Münzner
Viele der heutigen Creator seien auf YouTube groß geworden, sie könnten daher oft sowohl drehen, schneiden als auch vor der Kamera stehen, sagte Joyn-Programmchef Thomas Münzner. "Denen muss man nicht erzählen, wie man Content macht." Das sei in der Vergangenheit ein Fehler gewesen. Tatsächlich kamen TV-Formate mit Influencern früher oft weniger authentisch daher als heute. Bei Joyn setzt man bekanntlich schon seit einigen Jahren auf Creator, 12 bis 14 Formate setze man pro Jahr um, sagte Münzner. Zuletzt startete etwa die zweite Staffel von "The Race" oder auch das neue "Most Wanted". Erstgenanntes Format erreichte auf Joyn laut Münzner Abrufzahlen wie "Wer stiehlt mir die Show" - und performe in der weiteren Folge auch auf YouTube gut. 

"Können eine breite Brust haben"

Haruka Gruber © DAZN Haruka Gruber
Haruka Gruber, Senior Vice President Media Central Europe bei DAZN, sagte, dass die Ängste, die Vertreter aus dem Bereich Corporate Media früher möglicherweise gegenüber der Creator-Szene hatten, unbegründet waren. "Influencer wollen in die Massenmedien", so Gruber. Und: "Als Corporate Media können wir eine breite Brust haben. Creator sind komplementär und greifen kein substanzielles Business von uns ab."

DAZN selbst hat gerade erst Fußball-Creator Conan Furlong ins Team aufgenommen, er soll beim Streamingdienst künftig als Interviewer fungieren. Und dann gibt es beim Sport im Generellen und beim Fußball im Speziellen ja auch noch die Besonderheit, dass hier auf Kurz oder Lang auch neue Influencer entstehen. Wenn Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi bald mal in Fußballrente gehen sollten, könnten sie jedenfalls auch über ihre Social-Media-Präsenz genügend Geld verdienen. 

"Als Corporate Media können wir eine breite Brust haben. Creator sind komplementär und greifen kein substanzielles Business von uns ab."
Haruka Gruber, Senior Vice President Media Central Europe bei DAZN


Welchen Einfluss Creator auf den Sport haben, zeigen insbesondere im Fußball ja auch diverse Ligen, die in den vergangenen Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Baller League, Kings League, Icon League und Infinity League kommen ohne Influencer jedenfalls nicht aus, weil sie das junge und digitalaffine Publikum der Protagonisten brauchen. "Das ist im positiven Sinne ein Nischenprodukt", sagt Haruka Gruber zur Infinity League, die bekanntlich von DAZN veranstaltet wird. Gut möglich aber, dass es bei der Flut an Creator-Ligen irgendwann auch mal zu einer Konsolidierung kommen muss. 

"Traumschiff" = Mainstream

Christian Asanger © Sky/S.Schweiger Christian Asanger
Christian Asanger, Vice President Entertainment bei Sky Deutschland, erklärte auf dem Panel der ANGA COM, dass man in den vergangenen Jahren dazugelernt habe. Man suche mittlerweile solche Creator, die eine möglichst breite Zielgruppenansprache haben. Die Ochsenknechts würden etwa sowohl bei den etwas älteren und männlichen, als auch bei den etwas jüngeren und weiblichen Zuschauerinnen und Zuschauern funktionieren. Und natürlich verpasste Asanger auch nicht die Gelegenheit, auf die neue Dokusoap mit Evelyn Burdecki zu verweisen, die man wenige Stunden zuvor angekündigt hatte. Auch von ihr erhofft man sich eine breite Zielgruppenansprache. Ob das aufgehen wird, muss sich erst noch zeigen. Aber Asanger ist optimistisch, schließlich ist Burdecki demnächst auch im "Traumschiff" zu sehen. "Mainstreamiger geht es nicht", so der Sky-Mann. 

Als es auf dem Panel um Learnings aus der Vergangenheit ging, verwies Christian Asanger erfrischend ehrlich auf Jeremy Fragrance. Der Parfüm-Influencer habe eigentlich gut funktioniert und sogar Sport-Abos verkauft. Dass Asanger dieses Kapitel dennoch als Flop abhakt, ist keine Überraschung, die Doku über Fragrance nahm Sky aus dem Programm, weil sich der Creator mit Personen aus dem rechtsextremen und rechtspopulistischen Umfeld umgab (DWDL.de berichtete). 

Christian Nienaber © Banijay/Nick Harwart Christian Nienaber
Später erhielt Christian Asanger Unterstützung von Christian Nienaber, Geschäftsführer von Banijay Media Germany, der auch noch einen anderen Influencer-Flop zur Sprache brachte: Die geplante und nach einem Sturm der Entrüstung doch noch abgesagte Dokusoap mit Michael Wendler bei RTLzwei. Das ist insofern lustig, weil das Format eigentlich von Rainer Laux Productions und Endemol Shine Germany produziert werden sollte - also einer Banijay-Tochter. Nienaber stand damals in Diensten von All Eyes on Screens (früher: AdScanner). Laux und Endemol Shine produzierten übrigens auch die Sky-Doku mit Jeremy Fragrance.  

Was TV von der Creator Industry lernen kann

Ein Blick auf Banijay ist beim Thema Creator vs. Corporate Media aber in jedem Fall interessant, weil sich das Unternehmen mit beiden Seiten intensiv beschäftigt - und ja sogar an der Wiener influence.vision beteiligt ist, einem Unternehmen, das es sich zum Ziel gesetzt hat, Creator und Marken miteinander zu verbinden (DWDL.de berichtete). Nienaber konnte unter anderem auf Formate wie die Knossi-Edition von "Big Brother" oder auch "Mission Unknown" verweisen. Das auch beim zweitgenannten Format Knossi im Mittelpunkt stand, ist kein Zufall. Man müsse sich die richtigen Talente sichern, am Ende sei es wie im klassischen Fernsehen, so Nienaber. "Du hast nicht viele Thomas Gottschalks oder Günther Jauchs."

Das alles zeigt: Creator und und Corporate Media haben heute schon gut zueinander gefunden - und die Zusammenarbeit wird sich eher noch verstärken. Joyn-Programmchef Thomas Münzner sagte, die TV-Landschaft könne sich von den Influencern noch viel abschauen. "Also Programm zu einem günstigen Preis produzieren, das gleichzeitig auch in der Breite funktioniert." Man werde als lokale Medienunternehmen künftig nicht mehr die Möglichkeiten haben, Budgets wie vor ein paar Jahren zu bezahlen. "Deshalb wird Creator-Content in Zukunft wichtiger werden."