Foto: ARDWas Anne Will auch künftig am Sonntag Abend nach dem "Tatort" veranstalten wird - es wird ordentlich laufen. Nicht nur Will ist als gewiefte Interviewerin etabliert. Auch der Sendeplatz um viertel vor zehn ist inzwischen als Zeitpunkt für die Auseinandersetzung mit aktuellen politischen Fragen in den Köpfen der Zuschauer zementiert. Sabine Christiansen musste Ausdauer beweisen, bis sich dieser Reflex in der Zuschauerschaft einstellte.

Am Mittwoch nun wurde die schwere Geburt der neuen Sonntag-Abend-Sendung am zum ersten Mal der Presse vorgestellt. Es gab Kartoffelsuppe und Einblicke in die redaktionellen Entscheidungen von Talk-Show-Machern. Irgendwie sei schon jeder Gast zum Thema recht, aber Demagogen werde man kein Forum bieten, erklärte Will. Das Thema für die jeweilige Sendung steht frühestens am vorhergehenden Mittwoch fest - ergibt bei einer aktuellen politischen Sendung durchaus Sinn. Dann weiß man auch, was Plasberg macht, der mit "Hart aber fair" künftig an diesem Tag im Ersten zu sehen sein wird.

Die Frage, die sich nun, zehn Tage vor der Premiere bei der aus "Sabine Christiansen" "Anne Will" wird stellt, lautet: Wird sie mehr Zuschauer mit dem harten Brot der Tagespolitik vor den Bildschirm ziehen als Kollege Plasberg und wie wird sich die neue Sendung, die Will mit ihrer eigenen Produktionsfirma herstellt, von "Hart aber fair" abgrenzen? Denn auch das ist neu: Die Talkerin am Sonntag-Abend ist nicht mehr allein auf dem politischen Sprech-Feld im Ersten.
 


Der bedeutende Unterschied, den die Teilnehmer der Vorstellung der Sendung am Mittwoch in Berlin im Studio Adlershof, wo die Sendung hergestellt wird, vorgeführt bekamen, ist die räumliche Trennung zwischen den politischen Entscheidern und den Bürgerinnen und Bürger, die zum Thema was zu sagen haben und die politische Riege mit konfrontativen Realitäten aus der Reserve locken sollen. Während die Volksvertreter um die Moderatorin platziert werden, machen es sich die übrigen Gäste auf dem Sofa vis-á-vis bequem. Bei Plasberg stehen alle um einen Stehtisch versammelt.

Bild: ARD/Thorsten JanderHart aber fair sei Plasberg, zart aber fair Will, scherzte ARD-Programmdirektor Günter Struve während der Vorstellung der Sendung am Mittwoch in Berlin. Die Aussage zeigt zweierlei: Die Zeit der Wortspiele mit Namen von Talk-Protagnisten ist wohl vorbei - man denke an die ARD-Aussage ohne Jauch ginge es auch oder den Überschriftensalat in der Woche, in der Will zur neuen Polit-Talkerin erhoben wurde. Zweitens scheint man bei der ARD auch nicht so recht zu wissen, wie sich die Sendungen eigentlich voneinander unterscheiden - oder man legt keinen allzu großen Wert darauf. Hauptsache es wird zur Tachales getalkt und alle Landesundfunkanstalten sind zufrieden. Schließlich hat es lange gedauert, bis die Lösung, die nun bald als Talk-Doppelspitze am Mittwoch und Sonntag an den Start geht, gefunden war.

Die Vorstellung von Sendung und Studio am Dienstag in Berlin war ein Termin, von dem nicht viel Neues zu erwarten war. Anne Will wird talken, das war bekannt. Auch die grundsätzliche Farbstimmung der Sendung – überwiegend in warmen Orangetönen überraschte niemanden, ebenso wenig wie die kämpferischen Aussagen, nicht auf Kuschelkurs mit den Gästen gehen zu wollen. Auch zu den Quotenerwartungen äußerte sich Will eher dürftig. Irgendwas zwischen drei und zwölf Millionen sollen es werden. Eine Aussage, so korrekt und verbindlich, wie die Prognose, dass es es entweder regnen wird, oder eben nicht. Hängt halt vom Wetter ab.

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Was soll man auch sonst noch groß sagen? So beschränkte sich auch Struve darauf, in bekannt launiger Art die anwesenden Gäste mehr oder minder zu unterhalten. Immerhin ließ er sich doch noch ein Statement abringen, das Neues brachte: Bei zwölf Millionen Zuschauern wolle er jeden Gast einzeln mit der Rikscha vom Flughafen abholen. Endlich mal eine klare Aussage - aber vermutlich nur so verbindlich, wie seine Ankündigung, er werde das Handtuch werfen, sollte es mit Günther Jauchs ARD-Präsenz irgendein Problem geben. Und so schreckte Struwe in Ermangelung harter Fakten auch nicht davor zurück, die Neue gleich auch mit dem Papst zu vergleichen. Der rangiert nämlich in Sachen Vertrauen der Öffentlichkeit laut einer Umfrage kurz vor ihr. "Habemus Anne Will", scherzte Struve. Auf dass Plasberg nicht zum Gegenpapst werde.

Das dürfte wohl eine der größten Herausforderungen der neuen Sendung werden. Selbstverständlich ist es für Anne Will persönlich eine große Aufgabe. Aber innerhalb des Systems der ARD wäre es schon eine spannende Anekdote, wenn Plasberg künftig am Mittwoch Abend mehr Zuschauer absolut vor dem Bildschirm versammelt, um Debatten über Arbeitslosigkeit, Rentenpolitik und andere Dinge des täglichen Bedarfs zu verfolgen. Immerhin hat der Sonntag-Abend die ARD ein paar Monate ganz schön auf Trab gehalten. Plasberg am Mittwoch hat man aus dem Dritten einfach rübergeholt. Aber selbst wenn: Die Programmauswerter der ARD, werden da schon einen soziodemographischen Kniff finden, das dann schlüssig zu erklären. Und seitens der ARD wiegelt man bereits ab: Wenn schon Konkurrenz, dann lieber intern als von außen. Also alles bestens. Die sieht Anne Will auch nicht in Plasberg. Sie spricht von ihrem "Mitbewerber".

Doch nun ist man erstmal gespannt, auf das was da bald kommt und hofft, dass es da mehr zu reden gibt, als am Mittwoch in Berlin. Das könnte der Sendung dienlich sein.