Foto: PixelQuelleDie britische Tageszeitung "Guardian" hat ihn bereits hinter sich - den erfolgreichen Schritt in die digitale Zukunft. Im Laufe der vergangenen Jahre hat sich das digitale Angebot des Blattes, das im Jahr 1821 gegründet wurde, zum reichweitenstärksten Zeitungstitel im Internet auf der Insel entwickelt. Während der Veranstaltung "Media 3.0 - Wie Verlage die Herausforderungen der Digitalisierung meistern" bei den Medientage München erklärt Tom Turcan, General Manager Digital beim "Guardian", was ein Verlag neben etwas Glück vor allem braucht, um sich der Zukunft im Netz stellen zu können:  Die Bereitschaft, bestehende Geschäftsmodelle offenherzig über den Haufen zu werfen.

So hat sich der "Guardian" längst zu einer zugkräftigen Medienmarke entwickelt, bei der mehr passiert als eine bloße Übersetzung der Zeitungsinhalte ins Internet. Auch beim Trendthema Video hat Turcan klare Maßstäbe: "Wir versuchen nicht, Fernsehnachrichten nachzuahmen. Wir versuchen es, im Web-Way zu machen". Und das sind Videos, die eher als Dokument eines Ereignisses stehen, denn als glatt aufbereitete Nachrichtensendung, die den Fernsehangeboten nachzueifern versucht.
 

 
Auch in Deutschlands Print-Häusern scheint man allmählich den nötigen Mut für die Selbstdemontage des eigenen Modells zu Gunsten eines neuen zu bekommen. Bereits im vergangenen Jahr erklärte Springer-Boss Matthias Döpfner sämtliche Redakteure der Zeitungsgruppe "Die Welt"/"Berliner Morgenpost" zu Onlinern, um die Zeitungs-Marken "Welt" und "Berliner Morgepost" sukzessive zu einer Medienmarke ausbauen, wie Peter Würtenberger, Verlagsgeschäftsführer der Zeitungsgruppe erklärt.

Zu Gunsten der Gesamtreichweite einer Medienmarke werden auch beim Axel Springer Verlag alte Blockaden eingerissen. Redaktion, Vertrieb und Vermarktung stellen sich auf das miteinander beider Mediengattungen ein, erklärt Würtenberger.

Doch die Diskutanten sehen im Internet und seinen neuen Anwendung nicht den allein heilsbringenden Weg. So gibt Würtenberger zu bedenken, dass gerade die erfolgreichen Zukäufe der großen Verleger - so zum Beispiel die Verlagsgruppe Holtzbrinck mit ihrem Einstieg bei StudiVZ - sich in verlagsunabhängigen Bereichen betätigten und dennoch nicht auf das klassische Geschäft verzichten.  So sprach  Würtenberger auch eine deutliche Warnung vor Hype und Blase aus, die Klaus Driever, Geschäftsführer New Media des Weltbild-Verlages nur zu gern aufgriff.

Auch für sein Haus ist das Internet aus redaktioneller Sicht eher noch Kür, als Pflicht. So müssten vor dem Schritt einer Zeitschrift ins Netz zwei grundlgegende Überlegungen stehen, erklärt Driever: Entweder macht man eine Zeitschrift besser oder man etabliert ein Portal, das in seinem jeweiligen thematischen Segment im Netz einen der vorderen Plätze belegen kann. Da das für Zeitschriftenverlage eher schwierig werden könnte, sollte man sich im Zweifelsfall dann lieber darauf beschränken, das eigentliche Blatt besser zu machen, so Driever.

Ihn erinnert die Diskussion um die Präsenz der Verlage im Netz derzeit ohnehin an die achtziger Jahre, in denen das Privatfernsehen kam, und plötzlich die Rede aufkam, man müsse Verlegerfernsehen machen, um überlebensfähig zu bleiben.

Warum, so fragt Driever müsse eine Zeitschrift im Internet präsent sein, um als Zeitschrift erfolg zu haben? "Diese Logik muss man erstmal begründen können", sagt er. Doch Geld macht er auch im digitalen Segement - nicht wenig. Sein Verlag hat im vergangenen Jahr 350 Millionen Euro im Netz mit E-Commerce umgesetzt. Bei Weltbild lerne man viel für das Online-Verlagsgeschäft, sagt Driever, denn der Handel im Netz sei "in vielen Punkten viel radikaler" als das Geschäft mit den Inhalten im Netz. So bestätigt auch der vorsichtige Onliner die These des Briten Turcan: Man könne nicht mit dem vorhanden Kerngeschäft in den Online-Bereich gehen, sondern müsse neue Geschäftsfelder dafür entwickeln, so Driever.