
Wie RTL II-Chefredakteur Jürgen Ohls Programmchef Holger Andersen einen so prominenten Sendeplatz abringen konnte? Ohls: "Wir haben nicht gerungen, sondern geboxt. Im Ernst: Wir haben diese Entscheidung gemeinsam getroffen." In die Hände gespielt haben dürfte Ohls dabei aber wohl auch die Tatsache, dass RTL II sich derzeit mühen muss, nach der selbst leichtfertig angestoßen Qualitätsdebatte über das eigene Programm sein Image wieder etwas aufzupolieren. Doch ob das RTL II-Publikum wirklich eine Doku um 20:15 Uhr sehen will? Es ist eine ungewöhnliche Programmierung mit unsicherem Ausgang. Ohls: "Natürlich ist es ein Risiko. Aber der Sender ist bereit, punktuell solche Risiken einzugehen. Das ist im TV-Geschäft nicht selbstverständlich. Die Angst vor schlechten Quoten dämpft ja wichtige kreative Impulse - aber ohne Kreativität und Risikobereitschaft werden wir zu Angsthasen."

Der Film gehört zur Reihe "100 Tage", die RTL II schon seit vielen Jahren im Programm hat, die aber dennoch nicht allzu vielen ein Begriff sein dürfte, war sie doch kaum mehr als ein bis zwei Mal pro Jahr zu sehen und wurde dann auch noch meist gut am späten Abend versteckt. Das Konzept: Rund 100 Tage nach einem großen Ereignis wird mit etwas Abstand noch einmal auf die Geschehnisse zurückgeblickt. Produziert wird die Reihe inhouse durch die Nachrichtenredaktion des Senders, die nicht in Grünwald sondern in Köln sitzt und dadurch auf Technik und Personal der RTL-Gruppe am neuen Standort Deutz zurückgreifen konnte. RTL II-Chefredakteur Ohls: "'100 Tage' ist besonders für eine Newsredaktion ein tolles Projekt. News sind Schlaglichter, häufig gelingt es aus Zeitmangel nicht, Ereignisse im Kontext zu erfassen. Diese Dokumentation nimmt sich die Zeit."
Insgesamt hat die Redaktion 40 Interviews geführt, lässt Betroffene ebenso zu Wort kommen wie Juristen, Sicherheitsexperten, Sanitäter oder DJs. Veranstalter Schaller und Oberbürgermeister Sauerland wollten sich allerdings nicht äußern. Das sei angesichts des laufenden Verfahrens nachvollziehbar, so Ohls. "'100 Tage' versteht sich ohnehin nicht vorrangig als investigatives Format. In Duisburg sind 21 Menschen gestorben und drei Monate später hat noch immer niemand Verantwortung übernommen. Das ist skandalös. Unser Film benennt Verantwortliche und zeigt sehr deutlich, warum es fast zwangsläufig zu einer Katastrophe kommen musste", so Ohls.
Ungewöhnlich ist vor allen Dingen auch die lange Laufzeit von drei Stunden. Ohls bezeichnet sie als "Segen". "Wir können analytische Blöcke senden, ohne die Perspektive der Betroffenen zu vernachlässigen - und umgekehrt." In jedem Fall verspricht der Sender: "Die Autoren spekulieren und emotionalisieren nicht, sondern tragen im besten Sinne der Reportage Fakten zusammen." Ob das bei einem emotional so aufgeladenen Thema gelang, bleibt allerdings noch abzuwarten. Zu sehen gab es den kompletten Film vorab noch nicht - bis zuletzt werde daran gearbeitet, hieß es.