Die Kritik an Bundespräsident Christian Wulff nimmt zu - vor allem von Seiten der Presse. Dessen nun bekannt gewordenen Anrufe bei "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann, Springer-Chef Mathias Döpfer und Mehrheitsaktionärin Friede Springer sorgen für einen einheitlichen Tenor unter den Journalisten: Insbesondere die Tatsache, dass Wulff immer wieder die Pressefreiheit thematisierte, sich gleichzeitig aber an derartiger Einflussnahme versuchte, stößt den Kommentatoren sauer auf.

Für Wulff ist das, was nun gedruckt und online geschrieben steht, jedenfalls ein großes Image-Desaster: Wulff scheine in der "kleinbürgerlichen Welt des 'Strombergs' zu leben, ist zu lesen - und sogar Vergleiche mit Berlusconi machen die Runde. All das ist vor allem deshalb bitter, weil der Bundespräsident in seinem Amt alleine auf die Macht der Worte angewiesen ist und eben jene Journalisten braucht, um seine Worte in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Sich die komplette Presse zum Feind zu machen, erscheint da alles andere als klug.

DWDL.de mit einer Presseschau...

Wolfgang Krach von der "Süddeutschen Zeitung" ist der Meinung, dass das Amt des Bundespräsidenten für Christian Wulff zu groß sei - das zeige "sein dreistes und gleichzeitig naives Agieren in der Affäre". Sein Kommentar: "Jeder Lokaljournalist weiß, dass Abgeordnete oder Bürgermeister gerne anrufen, um unliebsame Berichterstattung zu verhindern. Doch die Mischung aus Naivität und Dreistigkeit, mit der Wulff agiert hat, bestürzt. Er ist nicht der Landrat von Osnabrück und auch nicht mehr Ministerpräsident von Niedersachsen, sondern das Oberhaupt des Staates. Dieses Amt aber ist für Wulff offenbar zu groß."

Berthold Kohler von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erinnert daran, dass Wulff alleine in den vergangenen drei Wochen über Pressefreiheit gesprochen habe: "Was über Wulffs Äußerungen in diesem Anruf kursiert, passt zu den öffentlichen Bekenntnissen freilich so wenig wie die Finanzierung eines Hauskaufs mittels eines rollierenden Geldmarktdarlehens zur schwäbischen Hausfrau. Es passte nur zu einem Staatsoberhaupt, das von allen guten Geistern verlassen worden ist."

Ulrich Schulte schreibt in der "taz" über die "doppelte Bigotterie" und kritisiert sowohl Wulff als auch die "Bild"-Zeitung: So sei es "frappierend", wie der Bundespräsident die Würde seines Amtes ignoriere. "Wulff hat sich benommen wie ein Provinzbürgermeister, der glaubt, die ansässige Lokalzeitung nach Gutdünken maßregeln zu können." Sämtliche Bekundungen der Pressefreiheit erscheinten nun bigott." Bigott sei aber auch das Verhalten der "Bild", wo einige Fragen offen blieben - etwa, wie Wulffs Nachricht aus einer persönlichen Mailbox an andere Zeitungen gelangte. "Auf diese Fragen antworten bedauerlicherweise weder Diekmann noch die Springer-Pressestelle. Wie schade, dabei ließe sich einiges bereden: Wie ein Medium über Bande spielt, wenn es sich selbst nicht die Finger schmutzig machen will, zum Beispiel. Oder wie es eine Affäre strategisch am Kochen hält. Ein gewisses Unbehagen bleibt deshalb."