Gerade erst wurde bekannt, dass Bundespräsident Christian Wulff mit gleich mehreren Anrufen im Dezember versuchte, die Berichterstattung der "Bild"-Zeitung über seinen umstrittenen Kredit zu verhindern. Nicht zuletzt der wutentbrannte Anruf bei "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann sorgte für Wirbel - doch daneben soll es Wulff auch bei Springer-Chef Mathias Döpfner und Mehrheitsaktionärin Friede Springer probiert haben. Auch hier ohne Erfolg: Der Artikel erschien und der Bundespräsident kommt seither kaum noch aus den Schlagzeilen.
Doch diese Anrufe waren offenbar nicht der erste Versuch des Bundespräsidenten, Einfluss auf die Berichterstattung der Medien zu nehmen. Einem Bericht der "Welt" zufolge, habe die "Welt am Sonntag" im Sommer vergangenen Jahres "bei einer Recherche ganz ähnliche Erfahrugen wie nun die 'Bild'-Zeitung gemacht", heißt es. Inzwischen ist klar, dass es dabei um einen Artikel über Wulffs Familie ging, in dem geschrieben stand, dass Wulff auch als Bundespräsident "nett, solide und leise" sei, so wie man es von ihm erwarte. Und weiter: "In seiner Familie ging es nicht immer so ruhig zu."
Der Artikel ist tatsächlich veröffentlicht worden und auch online unter dem Titel "Christian Wulff: Die Geschichte der heimlichen Schwester" zu finden, obwohl es im Vorfeld massive Interventionen von Seiten des Bundespräsidialamt beim Chefredakteur und höchsten Verlagsstellen gegeben habe. Einer der Autoren sei sogar ins Schloss Bellevue gebeten worden - ihm habe Wulff mit "unangenehmen und öffentlichkeitswirksamen Konsequenzen" für den Falle der Veröffentlichung gedroht. Im Zentrum des besagten Artikels steht Wulffs schwierige Kindheit und dessen Halbschwester - "eine unerwähnte Episode im Leben des Bundespräsidenten", heißt es in dem Text.
Ein paar Tage vor der Veröffentlichung des Artikels habe die Redaktion der Zeitung schriftlich Fragen an den Bundespräsidenten gestellt, die jedoch allesamt unbeantwort geblieben sind, sagte "Welt"-Chefredakteur Jan-Eric Peters gegenüber "Spiegel Online". "Stattdessen gingen in der Redaktion mehrere Anrufe aus dem Bundespräsidialamt ein mit dem Ziel, die Geschichte zu verhindern. Als klar war, dass wir den Artikel trotzdem veröffentlichen wollten, wurde einer der Reporter am Samstag wenige Stunden vor Redaktionsschluss ins Schloss Bellevue gebeten."
Über Facebook ließ "Welt"-Vize-Chefredakteur Oliver Michalsky unterdessen in Bezug auf die bekannt gewordenen Einflussnahmen des Bundespräsidenten mitteilen: "Ein Verfassungsorgan hat offenkundig ein Problem mit Grundgesetz-Artikel 5. Damit ist wohl der Rubikon überschritten." Eine Anspielung auf Wulff, der auf der Mailbox von "Bild"-Chef Diekmann eben jene Redewendung verwendete.
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