Lieber Leser, lassen Sie uns einen Augenblick lang mal naiv sein. Glauben wir einfach mal, dass gute Laune, eine gesunde Portion Humor und erfrischende Ehrlichkeit allein als Qualifikation für die Intendanz des WDR reichen. Denn wenn dem so wäre, dann wäre die Pressekonferenz zur Wahl von Tom Buhrow der Auftakt zu starken Jahren für den WDR gewesen. Zugegeben, er brauchte etwas. Am Anfang, da gab sich Buhrow gänzlich politisch korrekt und sagte Sachen wie "Er wolle Brücken bauen". Am Anfang, da sagte Buhrow noch das, was man so erwartet, wenn jemand einen erwarteten Wahlsieg feiert und erst einmal unverbindlich bleiben will. Da fielen Sätze wie dieser: „Ich danke für das Vertrauen. Mir ist sehr wichtig, dass das ein breites Vertrauen ist. Ich nehme das als Verpflichtung und Schwungmasse für einen guten Aufschlag“, erklärte Buhrow, der auch einräumte: „Ich muss mich an den Titel Intendant noch gewöhnen.“ Dazu passte, dass niemand auf dem Podium im kleinen Sendesaal des WDR die naheliegende Frage beantworten konnte, wann Buhrow eigentlich seinen Job als neuer WDR-Intendant antritt. Es wirkte ganz so als seien alle besser auf seine Wahl vorbereitet gewesen als der WDR und Buhrow selbst. Seine Antwort „Ich habe da keine News für Sie“ wäre zu dem Zeitpunkt ein zur Überschrift geeignetes Zitat von Buhrow gewesen. Nur so viel sagte er: „Ich kann meine Sommerpläne wohl über den Haufen werfen.“

Nach kurzer Aufwärmphase blitzte bei Buhrow dann aber plötzlich immer wieder das auf, was er sieben Jahre lang bei den „Tagesthemen“ leider zu gut versteckt hat: Sein spitzbübischer Humor und eine Wortwahl, die weit entfernt ist vom legendären Intendanten-Sprech, den Markus Schächter beim ZDF über Jahre zur Perfektion entwickelt hat. Immer wieder guckte Buhrow die WDR-Kollegen links und rechts auf dem Podium kurz an und sagte etwas wie „Das sollte ich jetzt eigentlich nicht sagen“ - um es dann doch zu tun. Er redet (noch) wie es ihm gefällt. Buhrow bat um Verständnis, dass er sich noch nicht zu allem konkret äußern will. Und dass er sich mit vielem erst einmal vertraut machen müsse. Der erste Eindruck vom neuen WDR-Intendanten Buhrow: Da sitzt keiner, der glaubt allwissend zu sein. „Ich möchte zum Anfassen sein - nach innen und nach außen“, so Buhrow „Ich möchte Brücken bauen - in den WDR hinein.“ Schon bislang habe er nicht von oben herab kommuniziert und wolle jetzt nicht damit anfangen. Ohnehin, auch als Antwort auf die Frage, was ihn zum WDR-Intendanten qualifiziert, sieht Buhrow sich als Kommunikator. Und jemand der ermutigen will. Aus seiner Zeit in den USA habe er sein Credo mitgenommen: „Macht ruhig Fehler“, sagte der neue WDR-Intendant und schob lachend hinterher: „Nicht zu viele bitte, aber ich will keine Angstkultur. Ich will Mut zu Experimenten.“

Er will auch das Land bereisen. Das Land, in dem er aufgewachsen sei. Und obwohl sich der gebürtige Troisdorfer (mit Heimatgefühlen zu Siegburg) sich früher eher als Rheinländer gefühlt habe, sei er längst Nordrhein-Westfale und an dem Zusammenhalt dieses Bindestrich-Bundeslandes habe der WDR als einziges landesweites Medium maßgeblich beigetragen. Das wolle er fortsetzen. Einst wurde Buhrows freundliche, vermeintlich harmlose Art mit dem eines immer lächelnden Liftboys verglichen. Am Mittwochabend im kleinen Sendesaal des WDR sagte Buhrow in Anlehnung daran mit einem Lachen: „Hey, der Lift ist in der WDR-Intendanz angekommen - und ich werde mein Lächeln nicht ablegen.“ Ein Kriterium für ihn sei schließlich Spaß bei der Arbeit. Es mag abgedroschen klingen, aber für eine Pressekonferenz nach der Wahl eines neuen Intendanten ist Buhrows Art beinahe eine Revolution. Es sei nie sein Lebenstraum gewesen Intendant zu werden, bekannte er freimütig. „Ich habe die ,Tagesthemen‘ sehr gerne gemacht. Das war mein Lebenstraum. Danach hatte ich keinen Traum mehr. Diese Aufgabe hier hat mich gesucht“, sagte Buhrow.

Buhrow-PK© DWDL.de

Nicht jeder hatte was zu sagen: Die WDR-Pressekonferenz in Köln

Schon wieder so eine Steilvorlage für eine Überschrift. Aber der kleine Scherzkeks Buhrow sollte noch mehr saloppe Aussagen auf Lager haben. Die Freude über seinen ersten öffentlichen Auftritt trübt nur, dass ein paar konkrete Aussage fehlten - zu seinem Antrittstermin beim WDR und auch seinem Abschied von den „Tagesthemen“. Da sagte Buhrow lediglich: „Wir müssen gucken, dass die ,Tagesthemen‘ keinen Schaden nehmen.“ Schon nächste Woche werde er aber wieder in Köln sein. Buhrow erklärte deshalb: „Ich werde jetzt nicht in den normalen ,Tagesthemen‘-Turnus zurückkehren“, schaut in die Runde und ergänzt grinsend: „Ich muss doch wohl noch eine Abschiedssendung bekommen, um mich von den Zuschauern zu verabschieden.“ Um die Zukunft seiner Sendung macht er sich allerdings keine Sorgen. Mit Ingo Zamperoni und Caren Miosga sei man schon gut aufgestellt. Vom Vorschlagsrecht des WDR einen Nachfolger für sich zu benennen, will Buhrow dennoch gerne Gebrauch machen als neuer Intendant. New York-Korrespondent Thomas Roth gilt als einer der Favoriten - auch um neben den beiden jüngeren Gesichtern mal wieder ein journalistisches Schwergewicht an Bord zu holen.

Baustellen gibt es aber auch in Köln. „Die Rolle des WDR in der ARD ist immer noch eine sehr starke“, sagte Buhrow zu den wichtigsten Herausforderungen. Besonders in der Information sei der WDR bestens aufgestellt. In anderen Bereichen ist demnach aber wohl noch Verbesserungspotential gegeben. Dass er in seiner neuen Rolle vom Journalisten zum Diplomaten werden muss, sei für ihn kein Problem. Im Journalismus gelte schon immer: „Je mehr Verantwortung sie übernehmen, desto mehr kommen sie von der Basis weg.“ Jeder Ressort-Leiter oder Chefredakteur sei schließlich weiter von den eigentlichen Storys entfernt als die schreibenden Journalisten. Nein, mies machen lassen will sich Buhrow seine neue Aufgabe nicht. Er vermittelte beim ersten Auftritt Tatendrang in einer sympathischen Dosierung mit dem Hang zum Fragen statt Befehlen. „Ich mache das mit großer Freude, es ist mir eine Ehre und ich liebe den WDR“, sagte Buhrow an diesem frühen Mittwochabend und schiebt in Anlehnung an einen Pop-Song der 80er Jahre hinterher: „Ich bring‘ die Liebe mit“. Schon wieder so Klopper. Es wird wohl die Überschrift dieser Pressekonferenz sein.

Das Podium im kleinen Sendesaal war übrigens gut gefüllt. Doch abgesehen von Tom Buhrow und dem die PK moderierenden WDR-Sprecher Stefan Wirtz kam lediglich noch Ruth Hieronymi, Vorsitzende des WDR-Rundfunkrats zu Wort, die im Wesentlichen abwechselnd die Transparenz dieser Wahl und ihre Freude über Buhrow zum Ausdruck brachte - in einem furchtbar nichtssagenden Sprech, den sich Buhrow hoffentlich nie angewöhnen wird. Daneben saßen schweigend und sinnfrei Karsten Rudolph, Friedhelm Wixforth, Ludwig Jörder und Eva-Maria Michel auf der Bühne. Am Ende ist es eben doch der öffentlich-rechtliche Rundfunk. „Das gehört sich doch so“ bekam man danach als irritierte Antwort auf die Frage, warum die vier WDR-Kollegen mit auf der Bühne saßen. Es fehlte nicht mehr viel zu „Das wurde halt schon immer so gemacht“. Und spätestens dann wäre klar, wie naiv es ist, zu glauben, dass gute Laune, eine gesunde Portion Humor und erfrischende Ehrlichkeit allein als Qualifikation für die Intendanz des WDR reichen. Tom Buhrow wird mehr brauchen. Nach diesem starken ersten Auftritt wünscht man es ihm - und dem WDR.

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