Bereits die Pressemitteilung vom Mittwoch, in der die Münchner "Abendzeitung" ankündigte, Insolvenz anmelden zu müssen, strotzte vor ehrlichen Worten. Auch das nun in der "Süddeutschen Zeitung" erschienene ganzseitige Interview mit Johannes Friedmann, seines Zeichens Sohn des verstorbenen "AZ"-Gründers Werner Friedmann, ist bemerkenswert, zieht sich doch die Hoffnungslosigkeit wie ein roter Faden durch das Gespräch. "Meine Familie hat aktuell ausführlich und in Abwägung aller Folgen die Situation beraten. Trotz aller Sanierungsbemühungen ist die Perspektive der 'AZ' hoffnungslos", sagte der Verleger am Donnerstag. "Wir haben Marktuntersuchungen gemacht, die Chefredaktion gewechselt, den Geschäftsführer. Irgendwann fällt einem nichts mehr ein."

Friedmann: "Meine Mutter, meine Schwester und ich sind in Anbetracht dieser Aussichten zu dem Entschluss gekommen, dem AZ-Verlag keine weiteren Mittel zur Verfügung zu stellen, schließlich haben wir die 'AZ' bereits in den letzten Jahren trotz einer ausweglos erscheinenden Situation am Leben gehalten." Seit dem Jahr 2001 habe die Familie Friedmann Verluste in Höhe von etwa 70 Millionen Euro getragen. "Jetzt können wir nichts mehr tun", so Friedmann in der "SZ". Es habe in der Vergangenheit Momente gegeben, in denen die Aussichten für das nächste Jahr wieder rosig gemalt wurden. "Ganz sicher die schwarze Null, ganz sicher der Turnaround - nur kam das alles nie. Man kann jede Durststrecke überwinden, wenn es denn eine Durststrecke ist."

Nun spreche "die reine Vernunft" für die Insolvenz. Es gebe keinerlei Aussicht auf Besserung, erklärte der Verleger und gibt schließlich unumwunden zu, diesen Schritt in Wirklichkeit schon vor zehn Jahren hätte gehen zu müssen. Als Gründe für die jahrlange Schieflage der "Abendzeitung" hat Friedmann sinkende Werbeerlöse, sinkende Leserzahlen und immense Druckkosten ausgemacht. "Die Dumpingpreise bei den Anzeigen durch die Konkurrenz hier im Boulevard haben dazu geführt, dass die kleinste Provinzzeitung höhere Anzeigenpreise verlangen kann, als wir es in München tun können." Goldene Zeiten habe es bereits seit Ende der 80er Jahre nicht mehr gegeben. "Vor meiner Zeit war es noch anders, da war auch noch viel Speck da. Da konnte man noch Maßnahmen treffen. Wir arbeiten aber jetzt seit Langem auf Kante genäht."

Das eigentliche Desaster habe 1998 begonnen, als ein früherer Geschäftsführer einen "außerordentlich nachteiligen Druckvertrag" geschlossen habe. "Dieser Vertrag hat uns viele zusätzliche Millionen gekostet." Ob es ein Fehler war, die Redaktion in vielen Sparrunden derart zurückzufahren, will die "SZ" wissen. "Das mag auch ein Grund sein, aber irgendwo müssen wir sparen", so Friedmanns nüchterne Antwort. Auch die Einführung einer Paywall im Netz sei keine Alternative gewesen. "Das kann sich die 'AZ' nicht leisten, da vorzupreschen auf dem Münchner Markt, auf dem es im Internet zwei andere Boulevardzeitungen größtenteils gratis gibt. Eine Zeitung in der Situation der 'Abendzeitung' kann da kein Vorreiter sein."

Bleibt nur die Hoffnung eines neuen Investors. Auf die Frage, ob die "Abendzeitung" dadurch weiterleben könne, sagte Friedmann: "Selbverständlich. Ich kenne nur keinen", beteuerte er in der "Süddeutschen Zeitung". "Es gäbe aber auch die Möglichkeit einer Sanierungsfusion, wie man sie bei der 'Frankfurter Rundschau' und der 'FAZ' gesehen hat. Aber wer käme da infrage? Eigentlich nur der Süddeutsche Verlag, der sich aber von Anfang an uninteressiert gezeigt hat - vielleicht könnte auch Dr. Ippen interessant sein. Er selbst habe in den vergangenen Jahren aus Pflichtbewusstsein und Solidarität weitergemacht, betonte Johannes Friedmann. "Einerseits bin ich betrübt darüber, dass es sich nicht einfach weitermachen lässt, aber andererseits hat es mich selbst auch ziemlich aufgefressen."