23 Prozent des Produktionsvolumens des britischen Produzenten-Netzwerks All3Media macht das deutsche Geschäft aus - und damit sogar mehr als das amerikanische. Doch zu sehen war von den deutschen Produktionen in dem imposanten Einspieler, den All3Media-Chefin Farah Ramzan Golant beim Banff Media World Festival im Gepäck hatte, kurioserweise rein gar nichts. Nein, Filmpool oder MME kamen in ihrem knapp einstündigen Vortrag nicht vor. Dass sich Golant einst während ihres Studiums mit dem deutschen Mittelalter beschäftigte, war da schon der einzige Bezug zu Deutschland.
Dafür sprach sie umso intensiver über all jene Punkte, die ihr bei All3Media wichtig sind. Dass in der Branche derzeit überall von Amazon und Netflix geschwärmt wird, die ihre Programme nicht zuletzt aufgrund vielfältiger Nutzerdaten vermeintlich treffsicher in Auftrag geben, kann Golant nur bedingt nachvollziehen. Es dürfe nicht sein, dass ausschließlich der Computer sagt, was ein Erfolg werden kann und was nicht. Vielmehr müsse es immer auch darum gehen, die Kraft der Kreativität zu Tage zu fördern. Darüber hinaus mahnte sie an, Programme in erster Linie für das Publikum zu machen und nicht für die Sender.
Dabei spiele es keine Rolle, woher eine Formatidee stammt. Von abgeschlossenen Märkten, wie es sie einmal gab, hält die All3Media-Chefin ohnehin herzlich wenig, wie sie in Banff deutlich machte. "Geography is history", lautete ihre ebenso kurze wie einprägsame Erkenntnis. Dass der Produzentenmarkt mittlerweile keine Grenzen kennt, bekamen Farah Ramzan Golant und ihre Mitarbeiter übrigens erst vor wenigen Wochen selbst zu spüren, als bekannt wurde, dass Discovery Communications und Liberty Global die Filmpool-Mutter zum stolzen Preis von 670 Millionen Euro gekauft haben.
So gesehen passte es ganz gut, dass es auf dem Banff World Media Festival im Vorfeld der Präsentation der All3Media-Chefin ein Gespräch von Journalisten-Legende Dan Rather mit Eileen O'Neill gab, die unter anderem für den Discovery Channel verantwortlich zeichnet. Der hat inzwischen gar nicht mehr so viel mit dem Sender zu tun, der er einmal war. Reichlich Reality hat in den vergangenen Jahren Einzug ins Programm gehalten. Das mag Fans klassischer Dokus vermutlich nicht schmecken, passt aber eben gut zur ausgerufenen Strategie, mit einer besonderen Erzähweise die Emotionen der Zuschauer zu wecken und gleichzeitig Events zu schaffen.
Dabei zeigte der nach dem Tod mehrerer Sherpas abgesagte Sprung vom Mount Everst kürzlich, dass die Event-Strategie auch viele Risiken birgt. Das Projekt "Skywire Live", das Nik Wallenda vor einem Jahr bei der Überquerung des Grand Canyons auf einem Hochseil zeigte, bescherte dem Discovery Channel im Gegenzug umso mehr Aufmerksamkeit. "Events dieser Art kosten deutlich mehr Zeit und Geld", sagte O'Neill, doch angesichts zehntausender Tweets und Kommentare in den sozialen Netzwerken hat sich der Aufwand für den Sender wohl bezahlt gemacht, zumal ganz nebenbei ein weiteres Ziel erreicht wurde - nämlich die Zuschauer zu binden.
Das gehe heute trotz der Vielzahl an Kanälen oder lustigen YouTube-Videos sogar besser denn je, glaubt Eileen O'Neill von Discovery. "Wir leben in einer faszinierenden Zeit", betonte sie, "weil wir auch vermeintlich kleine Dinge ganz groß zeigen können." Daher überrascht es kaum, dass sie sich durch den abgesagten Mount-Everest-Sprung von ihrem Vorhaben, weitere Events dieser Art ins Programm nehmen zu wollen, nicht abbringen lassen möchte. "Wir haben noch viele Ideen", sagte O'Neill - verbunden mit der Hoffnung auf weltweite Aufmerksamkeit. Auch hier gilt also: "Geography is history."