"Positionierung verwässert": tv.nrw-Chef gesteht Fehler ein
Der NRW-weite Fernsehsender tv.nrw aus Dortmund wird seinen Sendebetrieb zum 31.Mai 2005 einstellen, wie der Sender am Dienstag in einer Pressemitteilung verkündete. Laut Jörg Schütte, dem Geschäftsführer des Senders, hätten "schwierige wirtschaftliche und juristische Rahmenbedingungen" die Entscheidung erzwungen. Im Gespräch mit DWDL versicherte Schütte, dass es sich aber um eine "kaufmännisch saubere Abwicklung" handele. "Von einer Insolvenz kann keine Rede sein, da haben wir früh genug reagiert", so Schütte.
Die zuständige Landesanstalt für Medien NRW (LfM) hatte bereits mehrfach den Entzug der Vorrangstellung des Senders im NRW-Kabelplatz angekündigt und als Begründung dafür einen zu geringen Anteil regionaler Programme angeführt. Darauf hatte tv.nrw zuletzt u.a mit der Ausstrahlung eines täglichen, vierstündigen NRW-Frühstücksfernsehens reagiert.
Diese Sendung namens "Guten Morgen NRW" benutzte schon damals eine neue Internetseite unter der Adresse www.nrw.tv, auf der vom landesweiten Programm unter dem Namen von NRW TV die Rede war. Im Zusammenhang mit dem Ende von tv.nrw taucht dieser Name jetzt wieder auf. Jörg Schütte erklärt dazu, dass die Planungen für das offizielle Aus von tv.nrw und den Start von NRW TV schon "etwas länger vorbereitet werden". In diesem Zusammenhang sei unglücklicherweise auch schon ein Webauftritt früher als geplant veröffentlicht worden.
Die Mitarbeiter von tv.nrw sollen bereits in den nächsten Tagen vom derzeitigen Senderstandort Dortmund in den Düsseldorfer Medienhafen umziehen. Diese Information bestätigte Schütte gegenüber DWDL. In Düsseldorf produziert die Deutsche Fernsehnachrichten Agentur Produktionsgesellschaft mbH (DFA P) bereits die aktuellen Nachrichtensendungen für tv.nrw.
DFA P Eigentümer und n-tv Gründer Karl-Ulrich Kuhlo will dort dann den Start eines neuen Senders namens NRW TV vorbereiten. Die Veranstalterin NRW TV Fernsehen aus Nordrhein-Westfalen GmbH & Co. KG hat bereits seit Dezember 1999 eine Sendelizenz der LfM. Die Gültigkeit der Lizenz bestätigte die LfM Nordrhein-Westfalen am Dienstag gegenüber DWDL.
Kuhlo wird alle Anteile des Senders ebenfalls übernehmen. Das ehemals als Verlegerfernsehen gestartete Regionalprogramm bekommt neben einem neuen Namen und neuem Programm als auch eine neue Gesellschafterstruktur. Diese wird derzeit von der Landesanstalt für Medien geprüft. Dazu gehört auch die Prüfung der "wirtschaftlichen und organisatorischen Leistungsfähigkeit", wie Jutta Katharina Bühler seitens der LfM gegenüber DWDL bestätigte.
Der "neue" Sender NRW TV könnte nach Ansicht von Karl-Ulrich Kuhlo bereits einen Tag nach dem Ende von tv.nrw mit einem "auf regionale Berichterstattung konzentrierten, täglich rund 8-stündigen Programm" den Sendebetrieb aufnehmen. Auch dort hat die LfM derzeit noch Bedenken: Die 1999 erteilte Lizenz galt für ein 24 stündiges Programm.
Umfangreiche Prüfungen des gewünschten Neustarts von Kuhlo mit NRW TV sind auch deswegen nötig, weil zwei andere Sender sehr genau darauf achten, ob beim Austausch von Name und Gesellschafter bei tv.nrw bzw. NRW TV alles rechtens zu geht. XXP und Euronews sollten, so ist es derzeit geplant, sofern tv.nrw seine Vorrangstellung im Kabel verlieren würde, den Kabelplatz einnehmen. Für die Situation eines Nachfolgesenders für tv.nrw hatte man keine Regelung getroffen.
Der nordrhein-westfälische Fernsehsender tv.nrw war im Oktober 2001 gestartet und setzte mit professionellem OnAir-Design und prominenten Moderatoren anfangs ein hohes Tempo vor. Durch das Ende von Kirchs Lokal-TV-Zulieferung "Sun TV" bröckelte zuerst das Abendprogramm, dann auch der Rest. Zuletzt bestand tv.nrw mehr aus Astro TV und 9 Live-Telefonspielen sowie weiteren Programmübernahmen von z.b. Bloomberg TV als aus eigenem Programm. Dies hatte die LfM mehrfach kritisiert.
tv.nrw-Geschäftsführer Jörg Schütte gestand im Gespräch mit DWDL Fehler bei der Entwicklung des Senders ein. "Es war eine Spirale nach unten", so Schütte. Wirtschaftliche Umstände hätten zu "kurzfristigen Entscheidungen geführt, die die mittel- und langfristige Positionierung verwässern". Nach Schüttes Ansicht hätte man länger "Linie halten" müssen, statt kurzfristige Gewinne vorzuziehen.