Ob Ukraine, Gaza oder Irak - an Krisenherden mangelt es derzeit nicht. Die Berichterstattung erfordert von Journalisten häufig Fingerspitzengefühl. Doch Sonia Mikich, Fernseh-Chefredakteurin des WDR, hält offensichtlich nicht allzu viel von Zurückhaltung. "Ich gehöre da vermutlich zu einer Minderheit und glaube nicht an Schonung der Zuschauer, der Leser", so Mikich in einem Interview mit dem "Tagesspiegel" auf die Frage, welche Bilder man den Zuschauern zumuten dürfe. "Krieg ist nicht clean. Wir sollten an die Schmerzgrenze gehen, denn der Horror eines Krieges ist grenzenlos."

Dass Kriegsparteien immer häufiger eigene Bilder verbreiten, macht die Arbeit für Journalisten nicht einfacher. Doch Mikich glaubt nach wie vor an neutrale Reporter. "Kriegsparteien benutzen Medien sehr effektiv. Die Gräuelvideos des IS sind Waffen, sie terrorisieren. Aber sie sind eindimensional. Gute Reporter, Fotografen, Kameraleute zeichnet aus, dass sie über den Tellerrand schauen, Kontext herstellen können. Dass sie über Widersprüche, verschiedene Perspektiven berichten. Dass sie Schwarz-weiß-Denken vermeiden. Dass sie das eigene Tun reflektieren. Ihre Arbeit ist ein Gegengift gegen Manipulation und Propaganda."

Wichtig sei letztlich eine Kontinuität der Berichterstattung. "Leider ist Kriegsberichterstattung eine Kette von 'Breaking news', von dramatischen Anfängen", bemängelt die Journalistin im "Tagesspiegel". "Aber zu selten geht es dann weiter, wenn die Übertragungswagen wieder abgezogen sind. Ein Baum, der fällt, macht eben mehr Krach als ein Wald, der wächst." Zugleich appelliert Mikich auch an einen Friedensjournalismus. Der vermeide, "einen Konflikt nur als Tauziehen zwischen zwei Seiten darzustellen, denn dann können wir nur noch von Sieg und Niederlage sprechen".

Mikich weiter: "Wir müssen vermeiden, den Konflikt nur als Gewalt innerhalb einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort zu sehen. Handelt es sich um Frieden, wenn ein Vertrag unterschrieben wird? Welche Fragen sind offengeblieben und können in der Zukunft neue Gewalt auslösen?"