Ab dem 1. November hat Bertelsmann bei seiner zuletzt wirtschaftlich ins Trudeln geratenen Verlags-Tochter Gruner + Jahr das alleinige Sagen: Zum 1. November übernimmt der Konzern die restlichen 25,1 Prozent der Anteile, die bislang von der Jahr-Holding gehalten wurden und stockt seinen Anteil somit auf 100 Prozent auf. Der Bertelsmann-Aufsichtsrat hat die Transaktion auf seiner heutigen Sitzung genehmigt. Zum Kaufpreis will Bertelsmann keine Angaben machen.

Thomas Rabe, Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann, erklärt dazu: "Die vollständige Übernahme von Gruner + Jahr ist ein strategischer Meilenstein zur Stärkung unserer Kerngeschäfte. Gruner + Jahr gehört seit Jahrzehnten mehrheitlich zu Bertelsmann und ist ein wichtiger Bestandteil unserer Inhaltegeschäfte. Wir unterstützen die vom Gruner + Jahr-Vorstand auf den Weg gebrachte Transformation von Gruner + Jahr uneingeschränkt und werden auch in Zukunft die dafür erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen." In der Komplett-Übernahme sieht Rabe zudem ein "weiteres klares Bekenntnis zum Journalismus".

Gruner + Jahr befindet sich derzeit in einem tiefgreifenden Umbau-Prozess, gepaart mit einem kräftigen Stellenabbau. Mit der Komplett-Übernahme erhofft sich Bertelsmann, künftig "schneller auf digitale Marktveränderungen" reagieren zu können. Dass G+J lange eine echte Digitalstrategie fehlte, gilt als einer der Gründe dafür, dass die allgemeinen Probleme im Print-Sektor bei G+J nun besonders durchschlagen. Durch die Komplettübernahme will man nun die Abstimmungsprozesse vereinfachen und die Zusammenarbeit mit anderen Bertelsmann-Unternehmen ausbauen.

Winfried Steeger, Geschäftsführer der Jahr Holding, erklärt zum Ausstieg: "Bertelsmann ist als führendes Medienunternehmen in Europa der geeignete Eigentümer, um Gruner + Jahr in eine gute Zukunft zu führen. Beide Gesellschafter kennen das Verlagshaus seit Jahrzehnten. Die Familie Jahr wird dem Verlagshaus als einer der Gründungsgesellschafter emotional verbunden bleiben, auch wenn sich die Jahr Holding als Minderheitsaktionär bei Gruner + Jahr nun zurückzieht. Es waren großartige Jahre mit herausragenden kreativen Erfolgen. Wir wünschen Bertelsmann und dem Management von Gruner + Jahr mit allen Mitarbeitern alles Gute bei der Weiterentwicklung des Unternehmens. Gruner + Jahr verfügt über substantielle Werte wie hervorragenden Content, Qualitätsjournalismus und Top-Marken und somit über alle Voraussetzungen, die Transformation in das digitale Zeitalter erfolgreich zu meistern."

Rabe fügt mit Blick auf die Zusammenarbeit mit Familie Jahr hinzu: "Wir sind sehr froh, bei der Entwicklung von Gruner + Jahr zu einem der führenden Zeitschriftenverlage Europas mit der Familie Jahr einen verlässlichen Partner an unserer Seite gehabt zu haben. Bertelsmann und die Jahr-Familie – das war über 45 Jahre eine beispielgebende und vertrauensvolle Partnerschaft, die weit über eine reine Geschäftsbeziehung hinausging. Dafür möchte ich mich bei der Familie Jahr sehr herzlich bedanken." Bertelsmann war 1969 in das vier Jahre zuvor gegründete Unternehmen Gruner + Jahr eingestiegen und hatte zunächst eine 25-prozentige Beteiligung erworben. Seit 1976 hält Gruner + Jahr nun 74,9 Prozent. Doch mit 25,1 Prozent behielt die Jahr-Familie bislang stets eine Sperr-Minorität - gegen deren Willen war somit nichts zu machen. Das ändert sich nun.

Der DJV forderte Bertelsmann unterdessen auf, "die Tradition, für die die Verlegerfamilie Jahr steht, ohne Abstriche zu erhalten. Die guten sozialen Standards, die G+J gesetzt hat, müssen auch in Zukunft bestehen bleiben", so der Bundesvorsitzende Konken. Zudem appellierte er, den angekündigten Abbau von 400 Arbeitsplätzen zu überdenken: "Nur mit genügend redaktionellen Arbeitsplätzen haben die Journalistinnen und Journalisten genug Zeit für Themenfindung, Recherche und Schreiben. Nur so können sie gute Qualität liefern."