Volle Kinos und Screening-Räume sprechen eine deutliche Sprache: Die Berlinale und der European Film Market haben das richtige Thema zur rechten Zeit für sich entdeckt - TV-Serien. Acht neue, zum Teil noch mitten in Produktion befindliche Exemplare konnten das Berliner Festivalpublikum begeistern. Für die Branche geriet das gebündelte Programm der "Drama Series Days" zur durchaus eindrucksvollen Leistungsschau.

"Manche behaupten, das sei der Tod des Kinos", rief Berlinale-Direktor Dieter Kosslick den internationalen Serienmachern zu. "Nun, dann freue ich mich, gemeinsam mit Ihnen unter die Totengräber zu gehen." Mit "Mad Men"-Schöpfer Matthew Weiner hat das Festival in diesem Jahr erstmals einen TV-Vertreter in die Jury berufen. Für Weiner selbst liegt der Grund der neuen TV-Dominanz auf der Hand: "Das Fernsehen hat sich in den letzten Jahren enorm geöffnet, und die besten Künstler haben diese Chance und diese Freiheit genutzt."



Neben dem jüngsten Triumphzug für die von Anna und Jörg Winger für RTL entwickelte UFA-Fiction-Serie "Deutschland 83" konnte in Berlin vor allem Piv Bernth glänzen. Die Fiction-Chefin des öffentlich-rechtlichen dänischen Senders DR - Mutter des Erfolgs von "Borgen" - kam gleich mit zwei Serien im Gepäck. Die zweite Staffel des gefeierten Familiendramas "The Legacy" feierte ihre Marktpremiere ebenso wie das ganz neue Werk von "Borgen"-Autor Jeppe Gjervig Gram. Statt der hohen Politik hat er sich diesmal die kalte Welt der Hochfinanz ausgesucht. Sein Wirtschaftsthriller "Follow the Money" erzählt höchst spannend von den kriminellen Machenschaften einiger Spekulanten, die den nächsten Börsen-Tsunami provozieren.

"Als wir Mitte der 90er Jahre in Dänemark mit dieser Art von hochwertigen, horizontal erzählten Serien anfingen, hat kaum einer daran geglaubt. Das ist heute zum Glück völlig anders", versuchte Piv Bernth vor allem den deutschen Kreativen Mut zu machen, für die die neue Serienwelle gerade erst am Anfang steht. Im Rahmen der "Drama Series Days" teilte sie ihre drei wichtigsten Erfolgsrezepte: lokale, einzigartige Geschichte erzählen; niemals Bücher adaptieren, sondern nur Originalstoffe entwickeln; dem Zuschauer Fragen stellen, aber nicht alle Antworten geben.

Dass deutsche TV-Sender mit Projekten wie "Deutschland 83", "Babylon Berlin", "Blochin", "Schuld" oder "Weinberg" zwar auf dem richtigen Weg sind, sich aber strukturell noch einiges tun muss, um die Welle langfristig zu verstetigen, zog sich als roter Faden durch sämtliche Panels und Gespräche am Rande der Berlinale. Bei den von EFM und Film- und Medienstiftung NRW veranstalteten "Drama Series Days" gab etwa Produzent Oliver Berben zu bedenken: "Autoren und Schauspieler sind inzwischen mehr als offen für Serie, aber wir dürfen dabei nicht vergessen, dass das System immer noch das alte ist. Nischenserien wie die von spezialisierten US-Kabelsendern sind so für ARD und ZDF nicht machbar." Für RTL-Fictionchef Philipp Steffens, zuvor u.a. Produzent von "Der letzte Bulle", läuft es auf einen klugen Zwischenweg hinaus: "Ein bisschen Edge muss nicht unbedingt die Masse ausschließen."

Wie bereichernd das Showrunner-Prinzip nach anglo-amerikanischem Vorbild selbst für deutsche Kreative sein kann, die bislang völlig andere Prozesse gewohnt sind, beschrieb "Borgia"-Regisseur Christoph Schrewe beim Berlinale-Branchentreff von Bavaria Film und TopTalente. "Für mein Ego war es nicht schön, dass es keine Christoph-Schrewe-Serie, sondern eine Tom-Fontana-Serie war, dass ich mich dem Autor und Showrunner unterordnen musste. Aber das Ego steht eben oft im Weg und hindert uns daran, höher zu fliegen. Ich habe bei 'Borgia' ein Level von orchestrierter Zusammenarbeit und kreativem Freiraum erlebt, wie ich es zuvor nicht kannte", so Schrewe.

Was sich bereits zum Besseren gewandelt hat, ist das internationale Ansehen der neueren seriellen Bemühungen made in Germany. Nicht nur auf der Berlinale, wo sich die beiden deutschen Vertreter "Deutschland 83" und "Blochin" keineswegs vor der ausländischen Konkurrenz zu verstecken brauchten. "Wir können heute zu den internationalen Einkäufern gehen - und die Tür für Presales steht uns weit offen", so Beta-Film-Chef Jan Mojto. "Ehrlich gesagt, habe ich lange dafür gearbeitet."