27 Millionen Euro zahlten ARD, ZDF, Deutschlandradio und Arte jährlich an Kabel Deutschland als "Einspeiseentgelt" für die Übertragung der Programme - bis die Verträge zum 31. Dezember 2012 gekündigt wurden. Neben Kabel Deutschland profitierte ansonsten nur Unitymedia von ähnlichen Zahlungen - alle kleineren Kabelanbieter gingen schon damals leer aus. Das Problem der Netzbetreiber: Durch die Must-Carry-Regelungen sind sie bei einem Großteil der öffentlich-rechtlichen Sender zur Verbreitung ohnehin verpflichtet. Einfach abschalten können die Netzbetreiber die öffentlich-rechtlichen Programme also schon aus rechtlichen Gründen nicht - und wenn sie ihre eigene zahlende Kundschaft nicht vor den Kopf stoßen wollen, ohnehin nicht.

Also blieb nur der Gang vors Gericht, wo man mit Verweis auf den vermeintlichen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung und wettbewerswidriger Absprachen feststellen lassen wollte, dass die Kündigung nicht rechtens gewesen sei und der Vertrag unverändert fortgesetzt werden muss. In der Mehrzahl der Fälle setzte sich bislang allerdings die Senderseite durch. Bei zwei Klagen gegen den BR und den SWR zog Kabel Deutschland daher weiter vor den Bundesgerichtshof - der die Urteile der Vorinstanzen nun jeweils aufgehoben hat. Nun muss also das Berufungsgericht neu entscheiden.

Allerdings hat der BGH auch entschieden, dass der Klägerin kein Anspruch auf Fortsetzung des Einspeisevertrags oder Neuabschluss eines solchen Vertrages zu unveränderten Bedingungen zustehe. So seien zwar ARD und ZDF verpflichtet, ihr Programmsignal zur Verfügung zu stellen und die Kabelnetzbetreiber müssen dieses Programmsignal auch einspeisen - eine Verpflichtung zur Zahlung eines bestimmten Entgelts erwächst daraus allerdings auf Basis der rundfunkrechtlichen Regelungen erstmal nicht. Auch eine unzumutbare Belastung der Kabelnetzbetreiber konnte der BGH nicht erkennen - zumal das Programmsignal, das ARD und ZDF unentgeltlich zur Verfügung stellen, ja einen "erheblichen wirtschaftlichen Wert" habe, der von Kabel Deutschland verwendet werde, um die Kabelanschlüsse gegenüber Endkunden zu vermarkten. Auch die Tatsache, dass private Anbieter ein Entgelt zahlen, begründet nach Ansicht des BGH keinen Anspruch darauf, dass auch ARD und ZDF den Vertrag unverändert fortschreiben müssten.

Und trotz alledem könnte die Kündigung der Einspeiseverträge nicht rechtens gewesen sein - und zwar, sofern sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten als marktbeherrschende Unternehmen - sie müssen sich schließlichkeinem Wettbewerb um die für sie reservierten Kapazitäten stellen - untereinander abgesprochen haben. "Sollten die Kündigungen nicht auf einer selbständigen unternehmerischen Entscheidung der Beklagten, sondern auf einer solchen verbotenen Absprache beruhen, wären die Kündigungen nichtig", schreibt der BGH in einer Mitteilung. Urteilen müssen darüber nun die Berufungsgerichte. Sofern sie zu dem Ergebnis kommen, dass die Kündigungen wirksam waren, müssen sie zudem prüfen, wie denn die "angemessenen Bedingungen" für Pflichteinspeisung und Übertragung wären. Insofern ist wieder alles offen: Entweder kann dabei heraus kommen, dass ARD und ZDF zur Zahlung eines Entgeltes verpflichtet sind - oder dass Kabel Deutschland und andere die Signale kostenlos übertragen müssen.

Einstweilen geben sich beide Parteien öffentlich zufrieden mit dem Urteilsspruch. Bei Kabel Deutschland spricht man von einem "positiven Zwischenergebnis". "Wir begrüßen, dass die Oberlandesgerichte auf Basis des BGH-Urteils die Sache eingehend neu prüfen müssen", heißt es in einer Stellungnahme. "In entscheidenden Punkten bestätigt" sieht sich aber auch die ARD, die betont, dass das Gericht die Verpflichtung zur Übertragung der öffentlich-rechtlichen Programme bekräftigt habe. Dass die Entscheidungen der Oberlandesgerichte aufgehoben und zurückverwiesen wurden, hängt nach Einschätzung des Juristischen Direktors des MDR, Jens-Ole Schröder, damit zusammen, dass nach Auffassung des BGH die Umstände der Vertragskündigung durch die Vorinstanzen noch nicht ausreichend gewürdigt worden seien.