"Wir machen auch Sachen ohne Stefan. Aber er ist unser Hit, unsere Coca-Cola", sagte Brainpool-Geschäftsführer Jörg Grabosch im vergangenen November. Bei diesem Interview für das "SZ Magazin" war die Fernsehwelt in Köln-Mülheim noch in Ordnung. Sieben Monate später sieht das anders aus. Der angekündigte Rückzug von Stefan Raab macht ganz offensichtlich, was in der Branche ohnehin kein Geheimnis war: Die gefährliche Abhängigkeit der Produktionsfirma von ihrem im wahrsten Wortsinn einzigartigen Hit-Macher. Es ist die Kehrseite einer beispiellosen Erfolgsgeschichte, die Raab und Grabosch in den vergangenen 16 Jahren geschrieben haben. All die Erfolge des Entertainers, die seit Mittwochabend in den Berichten über seinen bevorstehenden Abschied vom Fernsehen aufgeführt wurden, waren auch Erfolge von Brainpool - und das trotz widriger Umstände, wenn man an die Zeit zwischen 2001 und 2007 denkt, in denen das Produktionshaus erst zur VIVA Media AG, dann zu Viacom gehörte.

Enden all die Formate für die Stefan Raab sich zuletzt verantwortlich zeichnete, bricht Brainpool die Mehrheit der Produktionen weg. Betroffen wären direkt und indirekt mehr als hundert Arbeitsplätze im Haus und darüber hinaus natürlich zahlreiche Freie und Dienstleister, die für die Sendungen des Raab-Universums tätig waren. Auf Anfrage des Medienmagazins DWDL.de will man sich bei Brainpool derzeit nicht äußern zur Frage, wie viele Mitarbeiter vom TV-Abschied von Stefan Raab betroffen sind. Fairerweise muss man sagen: Wie sollten sie es auch wissen. Die Ankündigung des Rückzugs wirft noch derart viele offenen Fragen auf, auf die auch ProSieben noch keine Antwort hat. Welche Shows von Stefan Raab würden sich auch ohne ihn fortführen lassen? "TV Total" kaum, "Schlag den Raab" ganz offensichtlich nicht, während "Schlag den Star" sicher weitergehen könnte. Seine schrägen Sport-Events würden auch ohne ihn funktionieren, ebenso wie die von Raab etablierten Poker-Abende.

Doch will ProSieben das überhaupt? "Natürlich werden wir weiter mit Brainpool zusammenarbeiten. Schon jetzt hat Brainpool viele Shows ausserhalb des 'TV total'-Kosmos' für ProSieben gemacht", sagt Christoph Körfer, stellvertretender ProSieben-Geschäftsführer und Kommunikator des Senders, im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. Doch Umfang und Details der Zusammenarbeit gilt es noch zu klären. Bis dahin herrscht für die Mehrheit der Mitarbeiter in Köln-Mülheim eine unangenehme Ungewissheit. Zentrale Frage: Wird ProSieben tatsächlich noch einmal Geld investieren für eine LateNight wie "TV Total"? Hinter vorgehaltener Hand dreht man in Unterföhring den Spieß um: Die Frage sei zunächst ja - was nicht so falsch ist - ob man eine passende Idee und einen passenden Kopf finden könne. Es würde Brainpool helfen, hätte man tatsächlich einen Brainpool. Doch die Realität sieht anders aus.

Mit der Produktionsfirma waren Namen wie Christoph Maria Herbst, Anke Engelke, Bastian Pastewka und Elton verbunden, noch weiter zurück auch Oliver Pocher, Sarah Kuttner oder Christian Ulmen. Übrig ist davon wenig. "Ladykracher" gibt es nicht mehr, "Stromberg" endete mit einem erfolgreichen Kinofilm. Die Zukunft von "Pastewka" steht in den Sternen. Die spektakuläre Wiederbelebung des deutschen ESC-Vorentscheids oder der innovative Polittalk "Absolute Mehrheit" - Vergangenheit. ProSieben-Mann Körfer und Brainpool-Chef Grabosch haben natürlich Recht, wenn sie darauf verweisen, dass die Firma auch abseits von Raabs Kosmos produziert. Doch "Luke! Die Woche und ich" mit Luke Mockridge oder "Pussyterror TV" mit Carolin Kebekus sind noch junge, zarte Pflänzchen. Sie allein können Brainpool nicht tragen wie es die deutsche Eiche Stefan Raab konnte. Für RTL II produziert man aktuell immerhin eine Neuauflage von "Popstars" - ein seit Mittwochabend umso wichtigeres Projekt. Doch auch hier gilt: Genug ist das noch nicht.

Um im von Jörg Grabosch gewählten Bild zu bleiben: Coca-Cola ist aus. In Köln-Mülheim hofft man jetzt auf Cola Light - und hat Angst vor Zero.

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