Wenn der Deutsche Fernsehpreis am 13. Januar erstmals in den Düsseldorfer Rheinterrassen verliehen wird, dann werden die Fernsehzuschauer die Gala nicht zu sehen bekommen - das mag kurios klingen, bietet aber immerhin auch die Gelegenheit, auch die Leistungen in Bereichen wie Buch, Regie oder Schnitt wieder mit eigenständigen Auszeichnungen in die Gala einzubinden. Geplant ist der Abend nach den Vorstellungen der Stifter RTL, WDR, ZDF und Sat.1 nun ohnehin als "Neujahrstreffen der Fernsehbranche". Eine unabhängige Jury, deren Vorsitzender "TV Spielfilm"-Chefredakteur Lutz Carstens ist, hat in den vergangenen Wochen mehr als 800 Programmvorschläge gesichtet.

"Das Fernsehjahr war geprägt von aktuellen Geschehnissen, Innovation in den Genres und Bewegung bei den Sendern. Dabei überzeugten besonders die kleineren Kanäle mit Ambition und Risikofreude. Die horizontale Serie ist da und das private Fernsehen setzt wieder stärker auf Fiktion", stellte Lutz Carstens fest. "Um die Vielfalt und Brandbreite von herausragenden Fernsehfilmen und Schauspielerleistungen abbilden zu können, hat die Jury jeweils fünf Nominierungen ausgesprochen. Wir haben uns gefreut, dass wir in der Unterhaltung, der Comedy, Show und Late Night zahlreiche junge Formatideen gesehen haben."

Gut einen Monat vor der Neuauflage des Fernsehpreises in veränderter Form stehen jetzt also die Nominierten in den 20 Kategorien fest - dabei haben die Vertreter der Öffentlich-Rechtlichen und Privaten gleichermaßen Grund zur Freude. Und doch gibt es einige bemerkenswerte Randnotizen: So sind im Serien-Bereich ausschließlich Privatsender-Produktionen vertreten. Hier dürfen RTL und Vox mit "Deutschland 83" und dem "Club der roten Bänder" ebenso hoffen wie der Pay-TV-Kanal TNT Serie, der mit "Weinberg" nominiert ist. Eine besondere Ehre ist das für die noch junge Produktionsfirma Bantry Bay, die sowohl für den "Club der roten Bänder" als auch "Weinberg" verantwortlich zeichnete.

Während die Privaten also den Serien-Bereich dominieren, sind in der Kategorie Beste Comedy / Kabarett ausschließlich die Öffentlich-Rechtlichen im Rennen, namentlich "Die Anstalt", "PussyTerror TV" und Olli Dittrichs Parodie "Schorsch Aigner - Der Mann, der Franz Beckenbauer war". In den Wettbewerb um den Besten Fernsehfilm gehen unterdessen mit "Altersglühen", "Ein großer Aufbruch", "Nackt unter Wölfen" und "Zum Sterben zu früh" jeweils zwei Filme von ARD und ZDF, aber auch der gerade erst beim Publikum durchgefallene 20er-Jahre-Krimi "Mordkommission Berlin 1", den Sat.1 ausstrahlte. Auf eine Auszeichnung als Beste Schauspielerin können Iris Berben, Henriette Confurius, Maria Simon, Antje Traue, und Ina Weisse hoffen, bei den Männern sind Charly Hübner, Tobias Moretti, Friedrich Mücke, Jonas Nay und Florian Stetter nominiert.

In der Kategorie "Beste Unterhaltung Primetime" treten "Joko gegen Klaas - Das Duell um die Welt", "The Voice of Germany" und "Sing meinen Song" gegeneinander an. Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf können zudem mit "Circus HalliGalli" auch in der Late-Night-Kategorie auf einen Preis hoffen - allerdings wartet mit Jan Böhmermanns "Neo Magazin Royale" harte Konkurrenz auf das Duo. Ebenfalls unter den Nominierten befindet sich die kürzlich beim Pay-TV-Sender TNT Glitz ausgestrahlte Show "Ponyhof". Zusammen mit "Weinberg" bringt es Turner also auf zwei Nominierungen - eine schöne Bestätigung für den eingeschlagenen Weg, verstärkt in eigene Inhalte zu investieren. Bei Vox kann man sich derweil auch über eine Nominierung in der Kategorie Bestes Factual Entertainment freuen: Hier geht der Kölner Sender mit der "Höhle der Löwen" ins Rennen. Messen lassen muss sich die Sendung mit dem "Jenke-Experiment" und dem ZDF-Format "Kessler ist..."

"Politische Krisen bestimmten das Programm"

Eine besondere Rolle spielt beim kommenden Fernsehpreis die Flüchtlingskrise, deren Berichterstattung in der Kategorie Beste Information im Mittelpunkt steht. N24 ist hier für seine Sendung "An der Grenze - 24 Stunden an den Brennpunkten der Flüchtlingskrise" ebenso nominiert wie der ARD-"Flüchtlingsreport" und der von RTL im August veranstaltete Thementag. Anja Reschke kann derweil für ihren viel beachteten "Tagesthemen"-Kommentar zur Hetze im Netz auf eine Auszeichnung für die Beste persönliche Leistung hoffen. Sie konkurriert mit ZDF-Moderatorin Dunja Hayali und dem Journalisten Michel Abdollahi, der unter anderem für seine Reportage "Im Nazidorf" im Rennen um den Fernsehpreis ist.

Ungewöhnlich: Mit "Asternweg" (Vox) und "Sie mussten die Hölle sehen - Auf der Flucht von Boko Haram" (RTL) sind in der Kategorie Beste Dokumentation / Reportage gleich zwei private Produktionen nominiert. Sie treten gegen die den "Story"-Film über den "Todesflug MH 17" an. Ausschließlich öffentlich-rechtliche Produktionen wurden im Talk-Bereich nominiert, wo "Hart aber fair", "Markus Lanz" und "Menschen bei Maischberger" konkurrieren. Der WDR ist im Sportjournalismus-Segment zudem mit "Geheimsache Doping" von Hajo Seppelt, einer "Story im Ersten" über den "verkauften Fußball" sowie dem Magazin "sport inside" gleich drei Mal vertreten.

Im Rückblick hätten vor allem die politischen Krisen das Programm bestimmt, betonte Jury-Chef Lutz Carstens. "So haben wir uns in der Information ganz auf die Berichterstattung zur Flüchtlingssituation konzentriert, den Talk als wichtigen Ort der Einordnung identifiziert und im Sport nach Doping und Fifa ganz auf investigativen Journalismus gesetzt. Bei allen Kontroversen und Diskussionen waren wir uns in der Jury einig, dass wir ein besonderes Fernsehjahr gesehen haben.“

Die Jury, die zunächst in Fachkommissionen für die drei Programmbereiche Fiktion, Unterhaltung und Information/Sport arbeitete, setzt sich wiefolgt zusammen: Lutz Carstens, Chefredakteur "TV Spielfilm"; Steffen Hallaschka, Moderator; Jan Köppen, Moderator; Dr. Beatrice Kramm, Vorsitzende der Geschäftsführung & Produzentin Polyphon Film- und Fernseh-GmbH; Jakob Krebs, Leitung dctp.tv & Geschäftsführer dctp; Ulrike Kriener, Schauspielerin; Thomas Lückerath, Chefredakteur & Geschäftsführer des Medienmagazins DWDL.de; Peter Nadermann, Produzent & Geschäftsführer Nadcon Film GmbH; Nicole Rosenbach, freie Fernsehautorin; Wilfried Urbe, freier Medienjournalist und Volker Weicker, Regisseur.

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