Nach dem Abschied des zuletzt glücklosen Fiction-Chefs Jochen Ketschau kümmert sich inzwischen Stefan Gärtner zusätzlich zu den Bereichen Filmpolitik und Kinokoproduktionen bei ProSiebenSat.1 um deutsche Filme und Serien - zusammen mit Yvonne Weber, die bereits seit Herbst als Fiction-Vizechefin für die Sendergruppe tätig ist. Zu tun gibt es für das Duo genug, immerhin liegt der letzte Serien-Erfolg von Sat.1 schon Jahre zurück und auch im Filmbereich lief zuletzt nicht alles nach Plan. Genau da soll nun angesetzt werden. "Wir erhöhen die Schlagzahl", kündigte Gärtner im Interview mit "Blickpunkt Film" an. "Bereits im Herbst zeigen wir acht neue TV-Movies und planen im kommenden Jahr mit bis zu 22 Erstausstrahlungen - jeweils rund elf Termine im Frühjahr und im Herbst. Das kommt einer Entwicklungsoffensive gleich."

Ziel sei es, "möglichst viele, hochwertige Projekte an den Start zu bringen", so Gärtner. "Sat.1 kann am Dienstagabend viel gewinnen, wenn wir den Slot mit Kontinuität und viel frischem Programm bespielen." Rund die Hälfte der Produktionen soll aus Komödien bestehen, wobei man die Möglichkeiten des Genres neu ausloten will. So hat Sat.1 gerade seine erste romantische Fußballkomödie in Aussicht gestellt. Gemeinsam mit Produktionspartnern arbeite man "mit Hochdruck" daran, die richtigen Stoffe zu finden. Bei zwei bis drei Produktionen soll es sich um sogenannte "Themenfilme" handeln, mit denen man sich auch in der Presse Aufmerksamkeit verspricht - so wie das etwa bei "Die Ungehorsame" der Fall gewesen ist.

Dazu sollen Filme wie "Die Standesbeamtin" kommen, die in Erzählweise, Besetzung und Auflösung für den Dienstagabend "etwas Besonderes" seien. Gleichzeitig wollen Gärtner und Weber historische Events wieder aufleben lassen, mit denen man einst für Aufsehen sorgte. Erinnert sei etwa an "Das Wunder von Lengede" oder "Die Luftbrücke". Zudem sucht das neue Fiction-Duo nach reihenfähigen Krimis. "Wir wollen keinen neuen Krimislot öffnen, aber mit zwei, drei Produktionen je Saison auch diese Programmfarbe bedienen", sagte Yvonne Weber in "Blickpunkt Film". Diese ließen sich im Idealfall dann auch noch gut wiederholen. Wichtig für den Erfolg sei aber die Hauptfigur: "Unsere Heldenfiguren müssen eine Strahlkraft haben, die Licht ins Dunkel bringen", sagte Weber. "Das psychologische Enträtseln einer Hauptfigur ist dagegen nicht die Aufgabe und der Wunsch unseres Zuschauers."

Bleibt die Frage nach neuen Serien-Stoffen, die offensichtlich nicht leicht zu finden sind, was Weber auch auf den Einfluss moderner amerikanischer Serien zurückführt. Der Fokus vieler Autoren habe sich durch Serien wie "Breaking Bad" verschoben. "Das war für uns sicherlich nicht hilfreich", erklärte sie und Stefan Gärtner ergänzte: "Problematisch wird es, wenn Autoren sich zu sehr an diesen Programmen für ihre Arbeit bei uns orientieren. Denn die Erzählstrukturen haben sich im Mainstream nicht grundlegend verändert, insbesondere was die Figurenaufstellung angeht." Bei Sat.1 habe "Einstein" nun zunächst Priorität, auch wenn man auch daran arbeitet, den nach nur einer Folge abgesetzten "Frauenherzen" eine zweite Chance zu geben. "Ich persönlich könnte mir auch gut vorstellen, eine Krimi-Light-Farbe wie 'Einstein' zusammen mit einer US-Serie zu programmieren", sagte Gärtner. Mit der Entwicklung einer zweiten Staffel sei bereits begonnen worden.

An den Quotenvorgaben hat sich übrigens auch nach dem personellen Wechsel im Fiction-Bereich nichts geändert. "13 Prozent waren und sind unser Ziel", erklärte Weber gegenüber "Blickpunkt Film" in dem Wissen, dass das zuletzt nicht so gut geklappt hat. "Wir freuen uns natürlich sehr, wenn die Quote darüber liegt." Für ProSieben scheinen die Pläne für eine deutsche Serie indes weitgehend zu den Akten gelegt worden zu sein, auch wenn das vor knapp zwei Jahren schon einmal anders klang. Gärtner: "Grundsätzlich liegt der Fokus auf Sat.1. Allerdings haben wir mit 'Who am I' beispielsweise einen Kinofilm für ProSieben produziert. Wir glauben, dass ausgesuchte deutsche Fiction für ProSieben ein wichtiger Akzent sowohl im Zuschauermarkt als auch gegenüber den Kreativen und Produzenten sein kann und prüfen derzeit die Möglichkeiten."