"Symbolhaft für die Neuaufstellung des SWR" - mit diesen Worten beschreibt Christoph Hauser, Programmdirektor Information beim Südwestrundfunk die Bedeutung der Bündelung der Informationsangebote, die schon vor längerem angekündigt wurde und die im Februar nun umgesetzt wird. Medienübergreifend tritt man dann unter der Marke "SWR Aktuell" auf und will "ein Nachrichtenangebot aus einem Guss" anbieten. SWR-Intendant Peter Boudgoust spricht bei der Vorstellung der Programmhöhepunkte und Neuheiten 2017, zu der der Sender nach Stuttgart geladen hatte, sogar von einem "neuen Zeitalter des medienübergreifenden Journalismus".

Ob man nun gleich ein ganzes Zeitalter ausrufen muss, sei mal dahingestellt, in jedem Fall hat sich der SWR zuletzt aber tatsächlich grundlegend neu aufgestellt. Statt einer Fernseh- und einer Hörfunkdirektion gibt es nun medienübergreifende Direktionen. "Das ist kein Selbstzweck, sondern unsere Reaktion darauf, dass die Menschen unsere Angebote nutzen können, wo und wie sie wollen." Künftig werden die Nachrichtenangebote des SWR also nicht nur unter einheitlichem Namen auftreten - bislang wurden hier beispielsweise die Marken "Landesschau aktuell", und "SWRinfo" genutzt - sondern auch von einer multimedial aufgestellten Redaktion heraus gemeinsam betreut.

Und die ist künftig nicht nur für Radio, Fernsehen und Website zuständig, sondern auch noch für zwei neue Angebote. Neben einem neuen allabendlichen Newsletter, der die Ereignisse des Tages nochmal zusammenfassen und einordnen soll, geht am 6. Februar die neue SWRaktuell-App an den Start. Die macht einiges anders als andere Nachrichen-Apps. Sie bietet auf der Startseite eine Übersicht über eine festgelegte Anzahl an Nachrichten - derzeit etwa ein Dutzend. Ein weiter blättern zu älteren Nachrichten, eine Suchfunktion im Archiv oder ähnliches sind nicht vorgesehen - so will man den Nutzern das Gefühl vermitteln, nach Durchsehen der App wirklich umfassend informiert zu sein. Um nicht in Konflikt mit den Verlegern zu geraten, beschränken sich die Texte auf etwa 100 Worte, sind also mobil schnell zu konsumieren. Über den Texten gibt's zudem ein Video oder einen Audioausschnitt. Die Videos werden untertitelt, sodass sie auch ohne Ton nutzbar sind.

Die App soll aber nicht jedem die gleichen Inhalte anzeigen, sondern im Lauf der Zeit die Vorlieben der Nutzer kennenlernen und dann entsprechend passende Inhalte bieten - zumindest ein Stück weit, denn die wichtigsten Nachrichten sollen natürlich von diesem Algorithmus ausgeschlossen sein. Stolz sind die Macher auch auf die Möglichkeit, einzelnen "Storys" zu folgen. Dann werden alle Nachrichten, die bereits zu einem bestimmten Thema veröffentlicht wurden, gebündelt angezeigt. Erscheint eine neue Meldung, kann man sich per Push-Nachricht informieren lassen. Und schließlich hofft der SWR auch noch auf die Mitarbeit seiner Nutzer: Fotos und Hinweise können direkt über die App an den SWR gesendet werden - übrigens versehen mit dem Warnhinweis, dass man bei Unfällen zu allererst dazu verpflichtet ist, zu helfen statt zu fotografieren.

Im Filmbereich stehen gleich mehrere spannende "Tatort"-Projekte auf dem Plan. Schon Ende Februar steht "Babbeldasch" auf dem Programm. Das Besondere: Dieser "Tatort" mit Ulrike Folkerts kommt ohne Dialogdrehbuch aus, sondern ist improvisiert. Festgelegt ist nur die Handlung und die Figurenzeichnung. Und weil das offenbar gut geklappt hat, wird gleich noch ein weiterer Impro-"Tatort" hinterhergeschoben. Ulrike Folkerts zeigte sich jedenfalls sichtlich begeistert über diese Arbeitsweise - nicht nur weil sie keinen Text lernen muss. Dass auch sie selbst nicht weiß, wer der Mörder ist und die chronologische Drehweise ermögliche mehr Wahrhaftigkeit vor der Kamera. "Wenn man nicht nur so tun muss, als wüsste man nicht wer der Mörder ist, verändert es auch die Art, Fragen zu stellen", so Folkerts. Die Impro-Version sei aber trotzdem nicht die Zukunft des Odenthal-"Tatorts", versichert Filmchefin Martina Zöllner. Gleichwohl arbeite man daran, die Figur weiterzuentwickeln - und tatsächlich scheint ein bisschen Veränderung nicht die schlechteste Idee, wenn man bedenkt, dass Kommissarin Odenthal inzwischen schon seit 1989 ermittelt.

Spannend wird aber nicht nur, wie die Impro-"Tatorte" beim Publikum ankommen, sondern auch der nächste Stuttgarter "Tatort" mit dem Titel "Stau". Er spielt vom Anfang bis zum Ende komplett in einem Stau auf der Weinsteige - und weil die nicht mal eben so für über 20 Drehtage zu sperren war und sich auch keine geeignete Ersatzstraße fand, wurde die Straße in einer Messehalle in Freiburg nachgebaut. Falls Sie im "Tatort" also auf das Stuttgarter Panorama blicken, dann war dort in Wahrheit nur ein Bluescreen. Man darf gespannt sein, wie gut es den Machern gelungen ist, alles realitätsnah wirken zu lassen. Und dann steht in Sachen "Tatort" auch noch eine Produktion von Dominik Graf und dazu natürlich der neue Schwarzwald-"Tatort" mit Hans-Jochen Wagner, Eva Löbau und Harald Schmidt an.

Stolz ist man beim SWR auch auf den Zweiteiler "Brüder", der im Herbst zu sehen sein wird und der sich des Themas Radikalisierung annimmt. Er erzählt, wie ein deutscher Informatikstudent zum Salafisten wird, ein syrischer Arzt zum Verfassungsschützer. Dass es sich hier nicht um reine Fiktion handelt, zeigt die begleitende Dokumentation "Stefan wird Salafist - Wie ein junger Deutscher sich zum Islamisten entwickelt". Die Macher begleiten Stefan schon seit 2015 und wollen zeigen, wie und warum sich ein ganz "normaler" junger Mann radikalisiert.

2017 ist für den SWR aber auch deshalb ein besonderes Jahr, weil Rheinland-Pfalz seinen 70. Geburtstag feiert. Dafür bittet der Sender neben diversen eigenen Dokus und Reihen auch seine Zuschauer um Mithilfe. Am 18. Februar öffnen alle Landesstudios ihre Türen und nehmen dort Filme und Fotos von jedermann entgegen. Diese werden vom SWR digitalisiert und sollen zusammen genommen einen Einblick in die Geschichte des Landes ermöglichen, die rein aus öffentlichen Quellen nicht möglich wäre. Der SWR arbeitet dabei mit dem WDR zusammen, der mit WDR Digit bereits eine solche offene Datenbank für NRW aufgebaut hat.

Der SWR wolle "nahbar bleiben", auf die Menschen zugehen und nicht von oben herab zu ihnen sprechen - das ist die Losung, die SWR-Intendant Boudgoust ausgegeben hat und mit der er den Sender in Zeiten der Lügenpresse-Rufer im Land verankert halten will. Erlebbar will der Sender auch mit der Organisation des ersten SWR-Doku-Festivals vom 28. bis 30. Juni in Stuttgart sein. Im Rahmen dessen wird zudem der bislang alle zwei Jahre verliehen Deutsche Dokumentarfilmpreis künftig jährlich verliehen. Im Mittelpunkt des Festivals sollen die Wettbewerbsbeiträge stehen die im Kino nicht nur gezeigt, sondern - wenn alles so läuft wie geplant - auch diskutiert werden sollen.

Allgemein zeigte man sich beim SWR zufrieden mit der Akzeptanz-Entwicklung der letzten Jahre, die sich ja auch in den Quoten widerspiegelt. Vom Schlusslicht unter den Dritten hat man sich auf einen Mittelfeldplatz vorgearbeitet. Damit könne man sehr gut leben. "Es ist nicht unser zentrales Ziel, Platz 1 unter den Dritten zu werden", betont man - auch wenn man wisse, wie man das erreichen könne. Doch beispielsweise noch ein quotenträchtiges Quiz zu starten, um die Zuschauerzahlen zu steigern, sei weder Anspruch noch Aufgabe des Senders.