9,27 Millionen Menschen haben sich am Sonntag den neuesten "Tatort" aus Stuttgart angesehen, bei dem Dominik Graf Regie führte. Mit dem Thema RAF und dem Zusammenspiel aus historischen Doku-Bildern der damaligen Zeit und gespielten Szenen sorgte der Streifen für viele Diskussionen - aber auch für Kritik. Vor allem der ehemalige "Spiegel"-Chefredakteur Stefan Aust kritisiert den Film. Aust ist auch Autor des Buches "Der Baader-Meinhof-Komplex" und gilt als RAF-Experte.

In einem Interview mit der "Bild" kritisiert Aust den "Tatort" nun als "RAF-Propaganda". In der Realität hatten sich Andreas Baader, Jan-Carl Raspe und Gudrun Ensslin in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim das Leben genommen. Im "Tatort" sah es dann so aus, als wäre sie getötet worden. "Das wird bei den Zuschauern hängen bleiben. Es sieht im 'Tatort' so überzeugend aus, weil die Szenen sich an den Tatortfotos orientieren. Ich halte das für sehr problematisch", sagt Aust.

"Ich kann nicht verstehen, dass zur Hauptsendezeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen so ein gefährlicher Unsinn verbreitet werden kann", so Aust weiter. Beim zuständigen SWR kann man die Kritik nicht nachvollziehen. Der kommissarische Filmchef Manfred Hattendorf erklärt auf Nachfrage von DWDL.de: "Dieser 'Tatort' ist nicht pro RAF. Er erzählt von der schwersten gesellschaftlichen Krise der damaligen BRD nach dem zweiten Weltkrieg. Zu dieser Krise gehörten die aufwühlenden, kontroversen Deutungsarten der Vorgänge im Stammheimer Hochsicherheitstrakt."

Dominik Graf verstehe es auf "meisterhafte Weise", so der SWR-Filmchef weiter, die unvereinbaren Positionen zum Deutschen Herbst miteinander ins Gespräch zu bringen. "In der Form spannender Krimiunterhaltung bezieht der 'Tatort' Position, ohne sich für eine Deutungsvariante zu entscheiden, was in der Nacht von Stammheim am 17.Oktober 1977 in den Zellen von Ensslin, Baader, Meinhoff und Möller passiert ist. Der Krimi erzählt auch auf allen anderen Handlungsebenen das Phänomen, dass es schwer zu entscheiden ist, was wann passiert ist. Das ist schwer auszuhalten - und so schafft der 'Tatort' wieder einmal Gesprächswert über den Sonntagabend hinaus."