Nach Bekanntwerden der schweren Vorwürfe gegen Regisseur Dieter Wedel haben bislang nur wenige Schauspieler das Wort ergriffen. Eine Ausnahme macht jetzt Ulrich Tukur, der im "Spiegel" jedoch offen Zweifel an seiner Entscheidung äußert. "Auch jetzt bin ich mir nicht sicher, ob es klug ist", sagte Tukur gleich zu Beginn des Interviews - und auch ganz am Ende zeigte er sich unsicher." Das Schlimme ist, dass die allgegenwärtige Vorverurteilung einen fairen Prozess kaum mehr möglich macht. Jeder hat eine Meinung, jeder hat sich geäußert, ich dummerweise jetzt auch."
Angesprochen auf die Vorwürfe, die bis hin zur Vergewaltigung reichen, äußert Tukur Empathie - und zwar sowohl für die Frauen, die die Vorwürfe erheben, als auch für den Regisseur. "Mir tun diese Frauen sehr leid, und wenn es so geschehen ist, gibt es da auch überhaupt nichts wegzureden. Mir tut es aber auch leid für Dieter Wedel", sagte der Schauspieler. "Selbst wenn er sich dieser Taten schuldig gemacht hätte. Ich habe das Gefühl, es muss jetzt jemand kommen, der ihn auch mal beschützt. Deshalb spreche ich hier mit Ihnen. Er wurde als Monster bezeichnet. Er ist kein Monster, kein Mensch ist ein Monster."
Er sehe, dass jemand am Ende seines Weges vor dem Trümmerhaufen seiner großen Karriere stehe, "und rechts und links verzweifelte Menschen. Das tut mir in der Seele weh", so Tukur im "Spiegel"-Interview. "Ich finde, das alles ist so prekär, das geht so tief, das ist so erschütternd, dass man diese Anschuldigungen, sofern sie nicht verjährt sind, in der Ruhe eines Gerichtssaals verhandeln und den Beschuldigten nicht in die Arena zerren sollte, wo er unter dem Beifall der johlenden Menge öffentlich gevierteilt wird, ohne sich verteidigen zu können."
Wedel, so vermutet Tukur, werde an dieser Sache zugrundegehen. "Wenn nicht körperlich, dann seelisch. Das ist eine Tragödie." Es gelte nun, die Vorwürfe zu untersuchen. Er selbst habe bei seiner Zusammenarbeit mit Dieter Wedel Derartiges jedoch nicht mitbekommen. "Dass Wedel ein spezielles Verhältnis zu Frauen hatte, war ersichtlich. Aber eine überbordende Sexualität ist ja nicht verboten und in diesem Berufsbereich auch nicht selten. Das geht mich nichts an. Es geht mich aber wohl etwas an, sobald andere dabei beschädigt werden."
Von einem Ausstrahlungsverbot der Wedel-Filme hält Ulrich Tukur indes nichts. "Die Filme können nichts dafür, sie werden durch die Vorwürfe doch nicht schlechter, allenfalls erhalten sie einen seltsamen Firnis", so der Schauspieler. "Ich finde es auch fatal, dass Kevin Spacey nach Belästigungsvorwürfen aus seinem Film herausgeschnitten wurde. Das ist ein moralischer Rigorismus, der die Kunst zerstört. Die Kunst, die diese Männer generiert haben, gehört der Allgemeinheit. Sobald sie in der Welt ist, steht sie für sich und wird unabhängig von ihren Schöpfern."
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