Auf der heute beginnenden Berlinale dürften mehr Amazon-Mitarbeiter anzutreffen sein als je zuvor. Neben Spitzenvertretern von Amazon Studios, darunter auch Filmchef Ted Hope, auf der Suche nach neuen Streifen steht Berlin erstmals auf dem Terminkalender der Konzernschwester Amazon Video Direct. Die Abgesandten der Self-Publishing-Plattform halten sechs Tage lang im Marriott-Hotel am Potsdamer Platz Hof, um Produzenten und Filmvertrieben ihr Programm "Film Festival Stars" schmackhaft zu machen.

"Die meisten Filme, die auf einem Festival wie der Berlinale laufen, sind danach fürs breite Publikum nur noch schwer zu finden", sagt Eric Orme, Head of Amazon Video Direct (AVD), im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. "Wir bieten den Rechteinhabern eine attraktive Möglichkeit, ihre Titel europaweit über Amazon Prime Video zugänglich zu machen und ihnen so die verdiente Verbreitung zu geben." Allzu große Summen lassen sich mit "Film Festival Stars" zwar nicht verdienen. Für manchen Nischenfilm dürfte die neue SVoD-Perspektive dennoch interessant sein.

Eingeführt hatte AVD sein Festivalprogramm Anfang 2017 beim Sundance Film Festival, seither war es auf Tribeca, Toronto oder SXSW ausgeweitet worden. Die Berlinale ist nun das erste europäische Filmfestival, für das AVD ein spezielles Angebot vorlegt. Konkret wird jedem Film, der in einer der offiziellen Festivalreihen der Berlinale läuft und dessen Originalsprache entweder Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch oder Italienisch ist, ein bevorzugter Weg auf die SVoD-Plattform von Amazon Prime offeriert.

Der jeweilige Rechteinhaber muss seinen Streifen innerhalb des Auswertungsfensters SVoD für zwei Jahre exklusiv an Amazon lizenzieren – allerdings nicht zwingend sofort nach der Berlinale: Er kann damit je nach Bedarf bis März 2019 warten, sofern er bis Ende März dieses Jahres unterschreibt. Alle anderen Auswertungsfenster bleiben non-exklusiv. "Anders als andere Streaminganbieter sind wir bekanntlich große Unterstützer von Kino-Releases", schmunzelt Orme, "weil wir glauben, dass die meisten Filme dadurch zusätzliche Aufmerksamkeit gewinnen." Außerdem kann der Produzent flexibel wählen, ob der Film während der zwei Jahre in einem, in mehreren oder in allen europäischen Märkten von Prime Video verfügbar sein soll.

Zusätzlich zu den regulären Lizenzzahlungen, die AVD ohnehin an jeden hochgeladenen Film abhängig von dessen Abrufen ausschüttet, gibt es für die "Film Festival Stars" ein spezielles Lockmittel: Sie erhalten vorab einen frei verwendbaren, von der Abrufzahl unabhängigen Cash-Bonus von bis zu 40.000 Euro. Dieser Höchstbetrag kommt zustande, wenn alle europäischen Territorien an Amazon lizenziert werden. Für Deutschland und Österreich allein gibt es 12.500 Euro, ebenso für Frankreich, je 4.000 Euro für Spanien, Italien und Skandinavien, 3.500 Pfund für UK. Hinzu kommt noch ein Lokalisierungsbonus von 2.000 Euro pro nicht-englischsprachigem Territorium.

Ist der Film dann einmal auf der Plattform, greift dasselbe Vergütungsschema, das auch für alle anderen Uploads außerhalb von Festivals gilt. In Deutschland etwa zahlt AVD 5 Cent pro gestreamter Stunde für die ersten 100.000 Stunden. Wird ein Film häufiger gestreamt, steigert sich der Betrag auf bis zu 12 Cent pro Stunde. Unter US-Produzenten ist das Programm nicht ganz unumstritten, obwohl AVD bei den nordamerikanischen Festivals deutlich höhere Summen anbietet. Das Grundproblem: Je teurer ein Film in der Herstellung, desto mehr muss der Produzent in anderen Auswertungsfenstern rausholen, um keinen Verlust zu machen. Immerhin konnte sich "Film Festival Stars" voriges Jahr auf der anderen Seite des Atlantiks von 15 Teilnehmern in Sundance auf rund 100 in Toronto steigern. Und nun hofft Eric Orme auf regen Zuspruch in Berlin.