Es hätte eine so schöne Woche für die Mitarbeiter von ProSiebenSat.1 werden können. Mit "The Masked Singer" hat man am Dienstag den derzeit größten Quoten-Hit des Konzerns zurück auf die Bildschirme gebracht und tatsächlich setzte sich die Show deutlich gegen die Konkurrenz durch (DWDL.de berichtete). Die Freude in Unterföhring ist zwar deutlich wahrnehmbar - sie könnte aber auch größer ausfallen. Denn in der Sendezentrale beschäftigt man sich seit Dienstagabend vor allem mit sich selbst. 

Grund dafür sind die scharfen Worte, die Vize-CEO Conrad Albert in einem Interview in der Dienstagsausgabe der "Süddeutschen Zeitung" wählte. Dort kündigte er an, seinen im April 2021 auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern, sollte sich an der "aktuellen Konstellation" nichts ändern. Albert sprach außerdem von einer "Vorstands-Soap-Opera". Das Interview war damit ein Frontalangriff auf den Vorstandsvorsitzenden Max Conze, der seit seinem Amtsantritt den gesamten alten Vorstand ausgetauscht hat. 

Nun sind Umbauten in der obersten Führungsetage nicht ungewöhnlich, wenn ein neuer Chef das Ruder übernimmt. Zuletzt verkündeten aber auch hochrangige ProSiebenSat.1-Manager ihren Abschied, die von Conze geholt wurden. Das alles wirft kein gutes Licht auf die Situation bei ProSiebenSat.1, das durch sinkenden Einnahmen im klassischen TV-Geschäft und das angestrebte Wachstum im Digitalen ja eigentlich genug zu tun hätte. Die öffentliche Kritik des Vize-CEO ist nun nichts anderes als eine offen ausgetragene Machtprobe. Versammelt Max Conze den Aufsichtsrat hinter sich? Oder stürzt er über die offene Kritik seines Stellvertreters, der immerhin schon seit 2005 im Unternehmen ist und über Rückhalt im Unternehmen verfügt. 

Dass es irgendeine schnelle Veränderung geben muss, ist spätestens seit Erscheinen des Interviews am Montagabend klar. Nach dieser deutlichen Kritik werden Conze und Albert wohl kaum noch bis April 2021 sinnvoll zusammenarbeiten können, das Vertrauensverhältnis scheint schwer zu kitten. Seit Dienstag beschäftigt sich nun auch der Aufsichtsrat von ProSiebenSat.1 mit der "Vorstands-Soap-Opera" (O-Ton Albert) - und noch immer gibt es kein Ergebnis. 

Das ist durchaus erstaunlich, lässt die lange Abstimmung im obersten Aufsichtsgremium doch Raum für Spekulationen. Und während es um die Zukunft des gesamten Konzerns geht, sind aus den verschiedenen Lagern unterschiedliche Wahrnehmungen über den aktuellen Stand der Dinge auszumachen. Beschäftigt sich der Aufsichtsrat derzeit nur noch mit den Abfindungsmodalitäten von Conrad Albert? Und wenn ja, wieso kann man dann nicht schon einmal die vorzeitige Trennung kommunizieren und die Details später klären?

Oder geht es im Aufsichtsrat derzeit auch um die Zukunft von Max Conze? Denkbar ist, dass Alberts Aussagen auch die Aufsichtsräte aufgerüttelt haben - und diese nun nach einem Weg suchen, Conze loszuwerden. Dann hätte Albert den Machtkampf gewonnen. Dieses Szenario ist unwahrscheinlich, aber nicht völlig undenkbar. Viele in Unterföhring machen kein Geheimnis daraus, dass sie mit Conze nicht zufrieden sind. Aber auch die Vorgehensweise von Albert sorgt nicht nur für Zustimmung. Ein Abgang Conzes wäre auch das Eingeständnis des Scheiterns von Aufsichtsratsboss Werner Brandt. Der hatte ihn 2018 schließlich ins Unternehmen geholt. 

Denkbar ist aber auch, dass Conze nun nicht nur Albert loswerden, sondern sein eigenes Standing im Konzern festigen will. Planmäßig geht es für Conze in diesem Jahr nämlich auch um eine Vertragsverlängerung. Möglich also, dass das nun gleich in einem Aufwasch erledigt werden könnte. Dann wäre Albert weg und Conze säße fester im Sattel als bislang. 

Die Situation in Unterföhring ist unübersichtlich, auch für die Mitarbeiter. Da hilft es nicht, dass der Aufsichtsrat nach langen Beratschlagungen noch immer keine Entscheidung getroffen hat. Nur eins scheint sicher: Conrad Albert oder Max Conze - künftig hat wohl nur einer eine Chance im Unternehmen. Willkommen zur derzeit besten und vor allem verrücktesten Show der Branche.