"In den ersten sechs Wochen der Pandemie, etwa von Mitte März bis Ende April, gab es in der Tat eine gewisse Übereinstimmung zwischen politischer und medialer Landschaft, wie sie in demokratischen Verhältnissen der Ausnahmefall sein sollte: Politiker, Experten, Journalisten – die meisten waren sich einig, dass die Pandemie außergewöhnliche Maßnahmen erfordert." Das hat ZDF-Chefredakteur Peter Frey in einem Interview mit dem Magazin "journalist" gesagt. Das habe sich aber geändert, sagt Frey. Inzwischen gebe es wieder mehr Meinungsunterschiede und diese bilde man auch ab.

Kritik von Medienwissenschaftlern, nach der ARD und ZDF im Frühjahr und Sommer viele relevante Themen jenseits von Corona ausgeblendet habe, kann Frey dagegen nicht nachvollziehen. "Die Verengung der Welt" hieß die entsprechende Studie, die von Dennis Gräf und Martin Hennig von der Uni Passau veröffentlicht wurde. "Ich habe ehrlich gesagt den Ansatz der Studie nicht wirklich verstanden", sagt der ZDF-Chefredakteur nun. "Wenn man nur Spezial- und Sondersendungen betrachtet und dann zu dem Schluss kommt, dass Corona das beherrschende Thema war, ist das eine Art Zirkelschluss". Das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit sei von März bis Mai "so eindeutig" gewesen, dass man darauf reagiert habe. Durch hohe Quoten habe man sich in der Strategie auch bestätigt gefühlt.

Auch dass die Sondersendungen bei ARD und ZDF zum Normalfall geworden sind, will Frey so nicht stehen lassen. "Wenn man in so einer Krise steckt, ist es immer ganz schwierig, den Ausstiegspunkt zu finden. [...] Wir haben darüber sehr intensiv diskutiert und dann im Mai den Punkt gefunden, wo wir aus diesem täglichen Spezial-Modus ausgestiegen sind. Ich glaube, das war nicht zu spät, nicht zu früh, sondern hat dem Zuschauerinteresse und der Entwicklung der Corona-Krise entsprochen." Im Sommer sei man dann zu den Sondersendungen zurückgekehrt, als die Infektionszahlen gestiegen seien. Ob man die News-Specials auch jetzt wieder täglich ins Programm nehme, hänge auch von den Zahlen sowie der Belastung des Gesundheitswesens zusammen. "Und vor allem davon, ob die Zuschauerinnen und Zuschauer diese Informationen nachfragen."

Das Informationsbedürfnis bei den Zuschauern ist seit dem Frühjahr ohne Frage hoch. Das sieht man nicht nur an den kräftig gestiegenen Monatsmarktanteilen der Nachrichtensender Welt und ntv, auch Sendungen wie die "Tagesschau" oder "heute" haben viele Zuschauer hinzugewonnen. Als der "journalist" Frey darauf anspricht, dass die Zuschauerzahlen "durch die Decke gegangen" seien, gibt sich der Journalist bescheiden. Das sei "ehrlich gesagt ein bisschen übertrieben". Aber man sehe einen deutlichen Zuspruch.

50 bis 70 Prozent der ZDF-Mitarbeiter arbeiten laut Frey derzeit noch im Home Office, er selbst habe es an zwei Tagen ausprobiert. "Ich muss aber sagen, dass ich mich im Büro viel wohler fühle – natürlich mit Abstandsregeln zu meinen engsten Mitarbeitern. Ich habe einfach ein besseres Gefühl, wenn ich im Büro bin." Das liege laut Frey vielleicht einerseits an einem "altmodischen Gefühl" ("Der Kapitän muss auf der Brücke sein"), aber er trenne auch gerne Berufliches und Privates. Frey: "An den zwei Tagen, an denen ich im Homeoffice war, habe ich mich mit meiner Frau eine halbe Stunde zum Mittagessen hingesetzt, und ich muss sagen: Ich hatte fast ein schlechtes Gewissen. Blöd. Wenn ich in die Kantine gehe und dort Kolleg*innen treffe, ist das anders. Unterm Strich: Ich komme mit dem Arbeiten im Büro besser zurecht."