Wenn die Münchner Sicherheitskonferenz ruft, dann schauen regelmäßig die Mächtigsten vorbei. Bei der coronabedingten Special Edition etwa hielt der neue US-Präsident Joe Biden im Februar eine Rede per Live-Videoschalte. Unumstritten ist sie nicht: Während die einen in der privat veranstalteten Konferenz ein wichtiges Instrument sehen, um weltweite Konflikte zu entschärfen, sehen andere darin das genaue Gegenteil und kritisieren die Nähe zur Rüstungsindustrie. Auch deshalb kommt es regelmäßig zu Gegendemonstrationen in München, wenn die Sicherheitskonferenz tagt.

Wie mächtig die MSC ist, zeigt auch eine Veranstaltung vom vergangenen Wochenende. Noch bevor sich Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz in den TV-Triellen gegenüberstehen werden, waren die drei zu Gast beim "MSC-Gespräch zur Zukunft deutscher Außen- und Sicherheitspolitik". Das Gespräch fand, dem Konferenz-Namen zum Trotz, nicht in München statt, sondern in Berlin. Genauer gesagt im Hauptstadtstudio der ARD. Und die Fragen stellte neben Wolfgang Ischinger, dem Chef der Sicherheitskonferenz, auch die ARD-Studioleiterin Tina Hassel.

Es ist ein etwas befremdliches Opening, eine Art Werbefilm für die MSC, der unter anderem Bilder von Angela Merkel, Benjamin Netanjahu und dem belarusischen Diktator Alexander Lukaschenko zeigt. "America is back", tönt Joe Biden darin, unterlegt von dramatischer Musik. Die nicht gerade versteckte Botschaft: Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wird große Politik gemacht. Und dann kommt eben Tina Hassel – und begrüßt zusammen mit Wolfgang Ischinger die prominente Gästeriege. Eineinhalb Stunden wird das Quintett, wohl drapiert vor zahlreichen MSC-Hashtags, im ARD-Hauptstadstudio beisammensitzen und über Deutschlands Rolle in der Welt sprechen.

Doch wie passt das eigentlich zusammen, eine Veranstaltung der MSC in den Räumlichkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, noch dazu moderiert von einer wichtigen ARD-Frau, die sich in diesen Tagen zugleich um das Amt der ZDF-Intendantin bewirbt? Über die Konstellation zeigte sich auch der Journalist Daniel Bouhs, der etwa für den NDR und RBB arbeitet, verwundert. "Warum kooperiert die ARD mit der MSC?", fragte er auf Twitter. Und: "Wie will sie da noch unabhängig über die doch wichtige Konferenz und zum Beispiel eine mögliche Agenda berichten?"

"Extrem geringe Kosten"

Neu ist die Verbindung mit der Münchner Sicherheitskonferenz freilich nicht. Schon seit vielen Jahren ist der Bayerische Rundfunk der sogenannte Host Broadcaster, überträgt also in dieser Funktion eine singuläre Veranstaltung und stellt diese über die Europäische Rundfunkunion nationalen und internationalen Partnermedien zur Verfügung. "Da die MSC dieses Jahr coronabedingt nicht wie gewohnt vor Ort stattfinden konnte, entstand 2021 in gemeinsamen Gesprächen zwischen der Münchner Sicherheitskonferenz und dem ARD-Hauptstadtstudio die Idee, stattdessen etwas anzubieten, das im Vorfeld der Bundestagswahl einen Mehrwert für alle bietet", erklärt Eva Werner, die Kommunikationschefin des ARD-Hauptstadtstudios, gegenüber DWDL.de.

Besagten Mehrwert erhofften sich die Beteiligten durch ein "Kanzler-Triell" in den eigenen vier Wänden, in dem es um Außen- und Sicherheitspolitik geht, garniert mit Fragen "internationaler hochkarätiger Akteure", darunter der ehemalige CIA-Chef David Petraeus und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Sorge vor einem Interessenkonflikt hat man bei der ARD offenbar nicht. "Wir akzeptieren generell keinerlei Eingriffe in die journalistische Unabhängigkeit", heißt es dazu aus Berlin, und das gelte "selbstverständlich" auch in diesem Fall sowie für Moderatorin Tina Hassel, die, so betont es das Hauptstadtstudio, in ihren Fragen "völlig frei" gewesen sei – und für die Moderation auch kein Honorar erhalten habe.

Ohnehin seien für die Produktion lediglich "extrem geringe Kosten" angefallen, "die in etwa einem 'Farbe bekennen' entsprachen", stellte die Sprecherin des Hauptstadtstudios klar und betonte zugleich, dass zwischen MSC und ARD kein Geld geflossen sei. Und überhaupt, das Publikum, das die prominent besetzte Diskussion unter anderem bei den Spartenkanälen Phoenix und Tagesschau24 sehen konnte, war allem Anschein nach zufrieden. "Wir erhielten nach der Sendung eine Vielzahl an Zuschauerzuschriften, die uns bestätigen, dass sie die Sendung außergewöhnlich interessant fanden", lässt die ARD ausrichten.

Und doch bleibt die Frage, warum es der Kooperation mit der Münchner Sicherheitskonferenz bedarf, damit die ARD ein Gespräch mit den drei Personen auf die Beine stellt, die sich im September zur Wahl um das wichtigste politische Amt im Land bewerben. "Natürlich", so lässt es Hauptstadtstudio-Sprecherin Eva Werner ausrichten, sei das auch ohne die MSC möglich, "aber die Fragen der hochkarätigen internationalen Fragensteller, die von den Kanzlerkandidaten wissen wollten, wie diese Deutschlands Rolle in der Welt sehen, was sie fortsetzen und wo sie neue Akzente setzen wollen, waren ein besonderes Highlight der Sendung, bei dem die MSC unterstützte".

Wer sich diese besagten Highlights rückwirkend noch einmal anschauen möchte, wird in der ARD-Mediathek übrigens nicht fündig. Dafür gut versteckt auf den Social-Media-Kanälen der "Tagesschau", vor allem aber in der Mediathek der Münchner Sicherheitskonferenz.