Als "Krisengewinner" möchte Tim Werner, Vorstandsvorsitzender von Mainstream Media und zugleich Vorsitzender des Arbeitskreises Pay-TV im Privatmedien-Verband VAUNET, die Branche zwar nicht bezeichnen, als "krisensicher" habe sie sich aber in Zeiten des Corona-Ausnahmezustands aber sehr wohl erwiesen. Während maßgeblich werbefinanzierte Angebote vor allem im Frühjahr 2020 unter einem erheblichen Einbruch litten, stiegen im Bereich der bezahlten Video-Inhalte die Umsätze auf neue Rekorde.
So setzte die gesamte Branche aus Pay-TV und Paid-VoD nach VAUNET-Angaben 4,2 Milliarden Euro in Deutschland um und somit etwa 400 Millionen mehr als noch im Jahr zuvor. Seit 2012 diese Zahlen auf vergleichbarer Basis erhoben wurden, zeigt sich somit nun ein kontinuierliches Wachstum. Damals lag der Gesamtmarkt in Deutschland noch bei 1,9 Milliarden Euro. Und auch für das laufende Jahr erwartet man weiter steigende Umsätze, die Prognose liegt nun bei 4,5 Milliarden Euro. Bezieht man auch Österreich und die Schweiz mit ein, dann lag der Gesamt-Umsatz im letzten Jahr sogar schon bei fünf Milliarden Euro und soll dieses Jahr weiter auf 5,4 Milliarden wachsen.
Die Wachstumsstory wird aber nicht mehr im klassischen Pay-TV erzählt. Hier stagnierte die Zahl der Abonnentinnen und Abonnenten zuletzt: Sie lag 2020 ebenso wie im Vorjahr bei 8,0 Millionen und auch für das laufende Jahr erwartet man bei VAUNET hier keine weitere Bewegung. Und weil für ein Abo im Schnitt etwas weniger gezahlt wurde als im Vorjahr, sank der Umsatz im Bereich Pay-TV und Pay-TV on Demand sogar leicht von 2,3 auf 2,1 Milliarden Euro und ging damit auf das Niveau von 2015 zurück. Gute Nachrichten fürs klassische Pay-TV hingegen in Sachen Reichweite: Im Dezember wurden erstmals überhaupt netto mehr als 20 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer erreicht, im Jahresschnitt waren es 17,4 Millionen. Berücksichtigt sind hier nur jene Sender, die sich von der AGF messen lassen.
Das Wachstum der Branche geht also maßgeblich auf den SVoD-Bereich mit Diensen wie Netflix, Prime Video, Disney+ oder TVNow Premium zurück: 2020 wurden hier schon 17,5 Millionen Abos gezählt, 2,5 Millionen mehr als im Jahr zuvor. 2017 lag die Zahl hier noch bei 9,0 Millionen, im laufenden Jahr soll die 20-Millionen-Marke überschritten werden. Das spiegelt sich natürlich auch in den Umsätzen wider, die 2020 von 1,2 auf 1,6 Milliarden Euro anstiegen. Die Umsätze aus den Bereichen TVoD (also Video im Einzelabruf leihen) und EST (Videos im Einzelabruf dauerhaft erwerbe) sind mit 200 bzw. 300 Millionen Euro im Vergleich dazu überschaubar, wuchsen aber ebenfalls. Für das laufende Jahr erwartet VAUNET ein weiteres Umsatzwachstum auf 1,8 Milliarden Euro. Einen Einbruch nach Ablauf der Corona-Einschränkungen, die sich zuletzt als Treiber erwiesen hatten, erwartet man nicht.
Im Folgenden Statements der einzelnen Pay-TV-Vertreter
© Mainstream Media
Tim Werner, Vorstandsvorsitzender von Mainstream Media, zeigt sich unterdessen insbesondere mit der Entwicklung der linearen Sender Romance TV und Heimatkanal zufrieden, die sowohl steigende Netto-Reichweiten als auch eine hohe Werbeauslastung aufwiesen. "Nach unseren Erkenntnissen ist dies auf den Charakter des Inhalts unserer Sender zurückzuführen. Harmonische Programminhalte, wie wir sie in einer großen Vielzahl anbieten, verlangen nach harmonischen Abläufen mit einer Lean-Back-Qualität."
© Elke Walthelm
Elke Walthelm, Inhalte-Chefin von Sky Deutschland, blickt in eigenen Worten "sehr optimistisch auf den Markt" und konstatiert, dass die Zahlungsbereitschaft für qualitativ hochwertige Inhalte größer denn je sei. Zugleich habe sehe man aber, dass der Markt sich deutlich verändere. "Der Markt ist fragmentierter denn je, die Vielfalt lokaler und globaler Anbieter größer denn je. Und das Konsumverhalten hat sich stark verändert". Darauf reagiere man mit der Aggregations-Strategie - also über die eigene Plattform Sky Q auch die Inhalte anderer Anbieter bequem verfügbar zu machen. Die eigene Marke stärke man zudem mit dem Start neuer Sender wie "Sky Comedy", "Sky Crime", "Sky Nature" und "Sky Documentaries", sowie dem gruppenweiten Ausbau der Investitionen in Eigenproduktionen.
© Seven.One Entertainment
Nicole Agudo Berbel, Chief Distribution Officer der SevenOne Entertainment Group, pflichtete bei, dass "die Nachfrage nach Bewegtbild-Inhalten noch nie so hoch wie heute" gewesen sei. "Sowohl bei den linearen TV-Sendern, als auch bei unseren On-Demand-Inhalten bei Joyn. Neben herausragendem Entertainment mit unseren Top-Formaten wie 'Germany’s Next Topmodel' oder „The Masked Singer“ waren auch unsere Magazin- und Informationsformate sehr nachgefragt. Und auch unsere Pay-TV-Inhalte ProSieben Fun, Sat.1 emotions und Kabel Eins Classics wurden von unseren Zuschauern genutzt wie nie zuvor." Für den Pay-TV-Bereich verkündete sie zudem noch eine Kooperation mit Disney.
© MG RTL / Marina Rosa Weigl
Henning Nieslony, Co-Geschäftsleiter TVNow: "Der Markt für Videoinhalte wächst weiter rasant. TVNOW ist dabei eins der wachstumsstärksten Angebote im deutschen Markt und hat sich in der Spitzengruppe der größten Angebote festgesetzt. Jetzt geht der Streamingmarkt in die nächste Phase, die wir aktiv mitgestalten werden. Deshalb bündeln wir unsere Kräfte unter der Marke RTL, um ihre Wahrnehmung als führende Entertainmentmarke Deutschlands zu stärken. In diesem Zuge wird aus TVNow Ende des Jahres RTL+. Das Plus steht für ein noch größeres Angebot von und mit den größten Talenten Deutschlands – denen wir das attraktivste Zuhause bieten wollen.“
© Norman Pretschner
Hannes Heyelmann, Executive Vice President Programming Europa, Mittlerer Osten und Afrika bei WarnerMedia: "Die stark gestiegene Pay-TV- und Paid-VoD-Nutzung und auch die höhere Bereitschaft der Menschen für qualitativ hochwertige Produktionen zu zahlen, bestätigen die Nachfrage nach erstklassigem Content und außergewöhnlichen Geschichten. Dies lässt sich deutlich an der Performance unserer drei TNT Sender ablesen. Alle drei Channels können im ersten Halbjahr 2021 einen Zuwachs innerhalb der Kernzielgruppe verzeichnen. Insbesondere TNT Film sticht hier hervor und hat nicht nur das beste Halbjahr seit Senderbestehen erzielt, sondern war auch der erfolgreichste Sender (ausgenommen Sport) im Pay-TV 14-49, dicht gefolgt von TNT Comedy an dritter und TNT Serie an sechster Stelle." Einen schnellen Start von HBO Max in Deutschland sollte man unterdessen weiter nicht erwarten. Noch steht dem vor allem die Partnerschaft mit Sky im Wege. Dass man HBO Max auf Dauer als internationale Marke aufbaue und damit auch Deutschland nicht für immer außen vor bleibt, steht aber nicht in Zweifel.