Nachdem der Journalistin Nemi El-Hassan Antisemitismus vorgeworfen wurde, nahm der WDR Abstand von einer früheren Ankündigung. El-Hassan sollte eigentlich das Wissenschaftsmagazin "Quarks" moderieren, dazu kommt es aber erst einmal nicht (DWDL.de berichtete). Für die Teilnahme an einer umstrittenen Demo hatte sich El-Hassan bereits kurz nach dem Aufkommen der ersten Vorwürfe entschuldigt. Doch vor allem die "Bild" legte immer weiter nach und veröffentlichte vermeintliche Beweise für den angeblichen Antisemitismus der Journalistin. 

In ihrem Gastbeitrag für die "Berliner Zeitung" spricht El-Hassan von "erlernter Hilflosigkeit", die sie in den vergangenen Wochen erfahren habe. Die "Bild" habe es sich zur Aufgabe gemacht, sie in aller Öffentlichkeit "zu demontieren", so die Journalistin. Das über sie verbreitete Narrativ sei von "rechtsextremen Internet-Aktivisten" initiiert und von der "Bild" in "weite Teile der Öffentlichkeit" getragen worden. Natürlich dürfe auch die "Bild" zur Vergangenheit einer öffentlichen Person recherchieren, sagt El-Hassan. "Aber es gibt eine Grenze zwischen kritischer journalistischer Arbeit und einer gezielten Kampagne zur Demontage einer Person. Diese Grenze wurde in meinem Fall überschritten."

Doch auch den WDR kritisiert El-Hassan in ihrem Gastbeitrag. Intern habe sie Fragen beantworten müssen, "die in erster Linie rassistische Annahmen transportierten und ein schlechtes Licht auf diejenigen in den Sendeanstalten warfen, die sie mir stellten", schreibt sie. Dem WDR wirft sie vor, sich allen Argumenten der "Bild" angeschlossen zu haben - "in der Hoffnung, sich selbst aus der Schusslinie zu ziehen". Damit habe man auch künftigen Kampagnen Tür und Tor geöffnet, so El-Hassan. 

"Kein ehrlicher Diskurs"

"Neben den Stimmen, die in dieser Debatte gezielt ignoriert wurden, sind bestimmte Themen nie offen verhandelt worden: Es gab etwa keinen ehrlichen Diskurs darüber, wie sich Antisemitismus von israelkritischen Positionen abgrenzen lässt. Oder worin etwa die deutsche Verantwortung gegenüber Menschenrechtsverletzungen in Israel/Palästina besteht", so die Journalistin in der "Berliner Zeitung". Die letzten Wochen hätten gezeigt, dass sie im "Land der Täter" qua Geburt zur Antisemitin erklärt werden sollte. "Wie kommt man dazu? Welche psychologischen Prozesse arbeiten im kollektiven Gedächtnis der Deutschen, die ermöglichen, die eigene Geschichte derart umzudeuten, dass Antisemitismus immer nur bei ‘den anderen’ – beziehungsweise den zu ‘den anderen’ gemachten – verortet wird?" Die Reaktion des WDR zeige exemplarisch, dass es schlecht steht um die vielfach gerühmte Debattenkultur in diesem Land, so El-Hassan. 

Wie geht's weiter für El-Hassan im WDR?

Die Journalistin kommt außerdem auf einen Punkt zu sprechen, in dem der WDR in der Tat mal wieder eine ziemlich schlechte Figur gemacht hat. Intendant Tom Buhrow erklärte Ende September noch, dass man in Erwägung ziehe, El-Hassan hinter der Kamera bei "Quarks" einzusetzen. "Bin ich in den Augen des Senders nun eine handfeste oder nur eine verkappte Antisemitin?", fragt El-Hassan nun. "Dann dürfte man mir – nachvollziehbarerweise – auch nicht das Angebot machen, hinter der Kamera als Autorin tätig zu sein, wie man mir seitens des WDR vage in Aussicht gestellt hat. Bin ich es nicht? Warum wurde ich dann gefeuert?"

Vergangenen Freitag hat sich der WDR-Rundfunkrat erneut mit dem Fall beschäftigt. Die Meinungen über El-Hassan gingen laut verschiedener Medien weit auseinander. So wurden die früheren Aussagen der Journalistin in dem Gremium sehr unterschiedlich bewertet - zu Sagen hat der Rundfunkrat in der Sache aber ohnehin nichts. Am Ende wird wohl Tom Buhrow entscheiden müssen, wie es mit Nemi El-Hassan im Sender weiter geht.