Wie es um die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten in der Türkei bestellt ist, sollte spätestens seit dem Fall Deniz Yücel bekannt sein. Der Journalist der "Welt" war zwischen 2017 und 2018 rund ein Jahr in türkischer Haft, angeblich wegen "Terrorpropaganda". Nun ist in dem Land erneut eine bekannte Journalistin verhaftet worden. Sedef Kabas ist am Samstag um 2 Uhr in der Nacht in ihrer Wohnung festgenommen und in ein Istanbuler Gefängnis gebracht worden. Das bestätigte ihr Anwalt gegenüber der dpa. 

Der Grund für die Festnahme: Kabas soll den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan beleidigt haben. Die Journalistin hatte am Freitag in einer Fernsehsendung bei Tele 1 die Regierung für ihr Durchgreifen gegen Kritiker scharf angegriffen. "Wenn ein Ochse in einen Palast geht, wird er kein König, sondern der Palast wird zum Stall", zitierte sie später bei Twitter ein Sprichwort, ohne dabei konkret Erdogan zu nennen. Kurze Zeit später folgte die Verhaftung. Auf Twitter folgen der Journalistin fast 900.000 Menschen, aus dem Erdogan-Lager wurde sie nach der Sendung und dem Tweet verbal attackiert. 

Die türkische Medienaufsicht RTUK hat darüber hinaus eine Untersuchung gegen Tele 1 wegen "inakzeptabler Aussagen gegen unseren Präsidenten" eingeleitet. Das erklärte der RTUK-Vorsitzende Ebubekir Sahin. Die türkische Journalistengewerkschaft TGS erklärte, Kabas' Festnahme sei "ein schwerer Angriff auf die Pressefreiheit". Ein Angriff, der im Jahr 2022 wohl aber niemanden überrascht. Der Anwalt der Journalistin, Ugur Poyras, sagte gegenüber der dpa, er werde gegen die "unrechtmäßige" Entscheidung Beschwerde einlegen. "Wir hoffen, dass die Türkei bald zur Rechtsstaatlichkeit zurückkehren kann", so der Anwalt.

Sedef Kabas hatte in der Türkei schon einmal Probleme wegen eines Tweets. 2014 wurde sie kurzzeitig in Gewahrsam genommen, nachdem sie schrieb, dass man den Richter, der ein Korruptionsverfahren 2013 einstellte, niemals vergessen dürfe. Sie wurde verhört und später vor Gericht gestellt, das Verfahren endete jedoch mit einem Freispruch. In der Türkei ist die Beleidigung des Präsidenten ein Straftatbestand, auf den eine Haftstrafe von bis zu vier Jahren steht.