Am Donnerstagvormittag hatte der Deutsche Journalisten-Verband von Russland angekündigte Vergeltungsmaßnahmen noch als "überzogen und absurd" kritisiert. Nun sind sie Realität: Russland hat der Deutschen Welle den weiteren Sendebetrieb im Land untersagt. Außerdem hat das russische Außenministerium die Schließung des Korrespondentenbüros in Moskau sowie den Entzug der Akkreditierungen der Journalistinnen und Journalisten des Senders angeordnet. 

Darüber hinaus wird Russland ein Verfahren einleiten, das das Ziel hat, die Deutsche Welle als "ausländischen Agenten" einzustufen. Das ist ein beliebtes Mittel in Russland, um freie Medien mundtot zu machen. Der Maßnahmenkatalog der russischen Regierung ist auf der Webseite des Außenministeriums veröffentlicht worden. Dort ist außerdem zu lesen, dass es sich lediglich um die "erste Stufe" der Vergeltungsmaßnahmen handele. 

Die Ankündigungen Russlands sind eine direkte Reaktion auf die Entscheidung der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Medienanstalten, die dem russischen Staatssender RT DE am Mittwoch den Betrieb untersagt hatte. Als Grund führt die ZAK eine fehlende Rundfunklizenz an, RT DE hat bereits angekündigt, gerichtlich gegen die Entscheidung der Medienbehörde vorgehen zu wollen. Dennoch will Russland diesen Prozess offenbar nicht abwarten und macht nun Nägel mit Köpfen. 

Wer steht hinter RT DE? 

Russland hat nun außerdem auch angekündigt, eine Liste von Vertreterinnen und Vertretern staatlicher und öffentlicher Einrichtungen in Deutschland, die an der "Beschränkung der Ausstrahlung von RT DE beteiligt sind" oder "anderweitig Druck auf den russischen Medienbetreiber ausüben", erstellen zu wollen. Diesen Personen will man die Einreise nach Russland verbieten. 

Beim Streit um RT DE geht es auch um die Frage, wer den Sender überhaupt betreibt. Nach Angaben des Senders steht die Muttergesellschaft TV-Novosti hinter dem Kanal - und die hat in Serbien eine Lizenz erworben. Mit dieser, so die Annahme, könne man auch in Deutschland senden. Die ZAK sowie die zuständige Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) gehen jedoch davon aus, dass diese Lizenz nicht ausreicht - und TV-Novosti zudem gar nicht der Betreiber des Senders ist, sondern die deutsche RT DE Productions GmbH. Diese, heißt es von RT DE, sei aber nur eine normale Produktionsfirma, die bestimmte Teile des Programms zuliefere. 

"Billige Retourkutsche"

Der DJV hat kurz nach Ankündigung der Maßnahmen gegen die Deutsche Welle an Russlands Präsidenten Wladimir Putin appelliert, die Restriktionen zurückzunehmen. "Es gibt keinerlei Rechtfertigung für diese drastische Zensurmaßnahme", sagt DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall. Er spricht von einer "billigen Retourkutsche". Von der Bundesregierung erwartet Überall einen "deutlichen und unüberhörbaren Protest".

Peter Limbourg, Intendant der deutschen Welle, spricht von Maßnahmen, die "in keiner Weise nachvollziehbar" und eine "völlige Überreaktion" seien. Limbourg: "Wir werden hier in einer Weise zum Spielball gemacht, wie es Medien nur in Autokratien erfahren müssen. Wir protestieren in aller Form gegen diese absurde Reaktion der russischen Regierung und werden den Rechtsweg beschreiten, um gegen die angekündigten Maßnahmen vorzugehen. Bis uns die Maßnahmen offiziell zugestellt werden, berichten wir weiter aus unserem Büro in Moskau. Selbst, wenn wir es letztendlich schließen müssten, würde unsere Berichterstattung über Russland dadurch nicht beeinträchtigt. Vielmehr würden wir die Berichterstattung deutlich verstärken."

Die Deutsche Welle hat seit 2005 in Russland Sendelizenzen für ihre TV-Kanäle DW English und DW Deutsch. Die aktuellen Lizenzen der russischen Medienbehörde gelten für DW English bis 2025 und für DW Deutsch bis 2027.

ARD, ZDF und Deutschlandfunk äußern sich

Zum Vorgehen der russischen Regierung gegen die Deutsche Welle haben sich am frühen Dienstagabend auch die ARD-Vorsitzende Patricia Schlesinger, ZDF-Intendant Thomas Bellut und Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue geäußert. "Wir verurteilen die Schließung der Büros der Deutschen Welle in Russland. Hier wird freie, unabhängige Berichterstattung radikal eingeschränkt, um politischen Druck auszuüben", erklärten sie in einem gemeinsamen Statement. "Dass damit zugleich die Pressefreiheit zum Faustpfand gemacht wird, erfüllt uns mit großer Sorge. Unsere Unterstützung gilt den nun von einem Arbeitsverbot bedrohten Kolleginnen und Kollegen der Deutschen Welle in Russland, denen wir uns durch den Auftrag als öffentlich-rechtliche Medien verbunden fühlen. Wir stehen gemeinsam für Meinungs- und Berichterstattungsfreiheit ein und werden das auch weiter tun."

Mehr zum Thema