"Die nächsten beiden RBB-Intendant*innen sind wirklich nicht zu beneiden", urteilte vergangene Woche Jan Böhmermann über den Skandal um Ex-Intendantin Patricia Schlesinger - und doch muss den Job irgendjemand übernehmen, um den Sender zu stabilisieren und das besser heute als morgen. Neben der Aufarbeitung gemachter Fehler geht es auch um einen Blick nach vorne, der insbesondere intern wichtig ist.

Denn während die Redaktionen des RBB für die intensive und kritische Beschäftigung mit dem eigenen Haus zuletzt gelobt wurden und im Tagesgeschäft trotz der stürmischen Zeiten weiter liefern, wofür der Rundfunkbeitrag entrichtet wird, entstand an der RBB-Spitze zuletzt gar ein Führungsvakuum, bei dem kurzzeitig nicht einmal klar schien, wer gerade überhaupt noch da ist, um die Anstalt zu lenken.

Damit soll in dieser Woche endlich Schluss sein. Der Rundfunkrat will nach der Verschiebung in der vergangenen Woche an diesem Mittwoch an der Wahl einer Übergangsintendantin festhalten und hat dabei in Form der eingesetzten vierköpfigen Findungskommission nach übereinstimmenden Medienberichten von "Tagesspiegel" und RBB eine Favoritin gefunden: Katrin Vernau, die derzeitige Verwaltungsdirektorin des WDR. Sie soll dem Rundfunkrat auch als einzige Kandidatin vorgestellt werden.

WDR lässt Top-Managerin für RBB-Rettung ziehen

Diese Informationen decken sich mit Recherchen des Medienmagazins DWDL.de, wonach dieser Vorschlag schon frühzeitig mit dem Segen von WDR-Intendant und erneutem ARD-Vorsitzenden Tom Buhrow abgestimmt wurde. Er schlug die heute 49-Jährige einst den WDR-Gremien für den Posten der Verwaltungsdirektorin vor, den sie seit 2015 ausübt. Dass der WDR eine Top-Managerin ziehen lässt - oder gar schickt - um den RBB zu stabilisieren, ist allerdings eine Lesart, die man in der ARD gerne vermeiden würde.

Tom Buhrow © WDR/Annika Fußwinkel
Schon nach der letzten Rundfunkratssitzung des WDR am 17. August - als DWDL.de-Chefreporter Torsten Zarges unter der Überschrift "Buhrow will kleineren ARD-Sendern beim Kontroll-Ausbau helfen" berichtete - war die ARD-Kommunikation unglücklich mit dem Eindruck, den die Schlagzeile macht. Und das obwohl die Aussage wörtlich so gefallen ist. Einerseits ist es auch Aufgabe eines ARD-Vorsitzenden, sich zu engagieren. Gleichzeitig aber ist das ARD-Gebilde bekanntlich auch ein empfindliches Konstrukt von Eitelkeiten. Wie viel ist zu viel WDR-Engagement bei der RBB-Stabilisierung?

Ob nun aber frühzeitig gewollt oder eben nach intensiver Findungsarbeit als begründete Favoritin herausgearbeitet: Katrin Vernau genießt ein hohes Ansehen in der ARD, weil sie einerseits seit sieben Jahren die Strukturen der Arbeitsgemeinschaft kennengelernt und verinnerlicht hat, aber 2015 bewusst als externe Wirtschaftsexpertin für unbefangene Expertise von Buhrow in den Sender geholt wurde und nach ihren ersten vier Jahren im Amt 2019 mit ebenso großer Mehrheit vom Rundfunkrat bestätigt wurde. Die Hoffnung in Berlin? Sie bringt Vernunft mit. Die mögliche Sorge mancher in der Anstalt? Sie wird den RBB in diesem Zuge schlanker aufstellen.

Die 1973 in Villingen-Schwenningen geborene Wirtschaftsberaterin arbeitete vor dem Wechsel zum WDR bei der Unternehmensberatung Roland Berger Strategy Consultants und leitete die Roland Berger School of Strategy and Economics. Von 2006 bis 2012 war sie Kanzlerin der Universität Hamburg, von 2002 bis 2005 Kanzlerin der Universität Ulm. Vernau studierte Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule St. Gallen und an der Columbia Business School. 2002 promovierte sie an der Universität Potsdam. 

Eine Übergangslösung mit Potential für mehr

Die ausgewiesene Kenntnis von Finanzen und ihre von Pragmatismus geprägte Fokussierung genau darauf, soll sie zur idealen Besetzung für eine Stabilisierung des RBB machen, ohne als Interimsintendantin mit zu viel Entscheidungen inhaltlicher Natur der Nachfolgerin oder dem Nachfolger bereits einen Kurs vorzugeben. Wenn es kommt, wie die Findungskommission es dem RBB-Rundfunkrat am Dienstag vorschlägt und Vernau am Mittwoch gewählt wird, dann soll sie den Job für höchstens ein Jahr ausüben.

So lautete der Beschluss des RBB-Rundfunkrats aus der vorgegangenen Woche zur Lösung der Führungskrise im Sender. Die Monate der Führung unter der Interimsintendanz soll genutzt werden, um die vierköpfige RBB-Geschäftsleitung, Verwaltungs- und Rundfunkrat neu aufzustellen und dann eine neue Intendanz für die nächsten fünf Jahre zu wählen. Sollte sich Vernau als tauglich erweisen, wäre auch eine Fortsetzung ihrer Intendanz möglich. Mindestens einen Anknüpfungspunkt hat die WDR-Frau beim RBB übrigens auf jeden Fall: Sich mit aus dem Ruder geratenen Kosten von Bauprojekten herumzuschlagen, kennt sie aus Köln vom WDR-Filmhaus.

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