Das ZDF hat im Vorfeld der Feierlichkeiten zum 60-jährigen Senderjubiläum unter anderem die biografischen Angaben in der Vita von Gründungsintendant Karl Holzamer, der den Sender 15 Jahre lang von 1962 bis 1977 führte und 2007 verstarb, überprüft und ist dabei auf diverse Unstimmigkeiten gestoßen. So haben die Recherchen ergeben, dass Holzamer unter anderem seine zeitweilige Zugehörigkeit zur SA verschwiegen hat. Statt seine von 1937 bis 1945 bestehende Mitgliedschaft in der NSDAP einzuräumen, sprach er lediglich von einer 1937 eingegangenen und 1939 angeblich selbständig aufgelösten Anwartschaft.

Außerdem stellte er sich mit seiner publizistischen Tätigkeit erst als Reporter des damaligen Westdeutschen Rundfunks und später als Kriegsberichterstatter der Wehrmacht offenbar stärker in den Dienst der NS-Herrschaft, als er nach 1945 eingeräumt hat, so das ZDF. Nach Einschätzung des Historikers Martin Sabrow gehörte er zum Typus des "pragmatischen Opportunisten", der "zur Anpassung an die neuen Verhältnisse bereit war, ohne sich die Nazi-Ideologie und ihren virulenten Antisemitismus gänzlich zu eigen zu machen".

Sabrows Einschätzung: "Holzamers lebensgeschichtliche Stilisierung in den Jahrzehnten nach dem Krieg entsprach einem Zeitgeist, der auf Entlastung und Verdrängung der Vergangenheit zielte. Auch wenn er sich während der NS-Zeit weder innerhalb der parteipolitischen Institutionen noch in seinen Medienbeiträgen - soweit diese bekannt sind - über das geforderte Maß hinaus engagierte, finden sich in seinen damaligen Texten Ingredienzien des nazistischen Weltbildes und er trug in seinem beruflichen Wirken zur Aufrechterhaltung und Stärkung des 'Dritten Reichs' bei. Inwieweit die nach 1945 teils eingeräumte, teils beschwiegene NS-Verstrickung Medienmacher und -intellektuelle wie Holzamer in ihrem Engagement für eine demokratisch fundierte Gesellschaft behinderte oder im Gegenteil sogar bestärken konnte, bleibt eine über den Fall Holzamer hinausweisende Interpretationsfrage der deutschen Zeitgeschichte."

ZDF-Intendant Norbert Himmler sagt: "Das Gesamtbild, das Karl Holzamer von sich gezeichnet hat, hält der historischen Wahrheit nicht stand. Seinen großen Verdiensten in der Zeit nach dem Krieg, als Hochschullehrer der neu eröffneten Mainzer Universität und als erster Intendant des ZDF, stehen Verstrickungen in das NS-Regime gegenüber, die er teils verschwiegen und teils uminterpretiert hat." Das ZDF hat den Lebenslauf im Presseportal nun entsprechend korrigiert, wird über die Erkenntnisse im aktuellen Programm berichten und plant auch eine Fernsehdoku, die sich mit Nachkriegskarrieren und ihren Bezügen zur NS-Zeit anhand verschiedener Beispiele befasst.