"Interaktives Fernsehen" - ein Schlagwort, über das in der Branche schon so häufig diskutiert wurde und bei dem verschiedene Ansätze schon so häufig gescheitert sind. Doch mit der Verbreitung der Streamingdienste, die ja nun per se über den notwendigen Rückkanal verfügen, liegt das Thema nun aktuell wieder auf dem Tisch und wurde am Mittwoch auch auf der ANGA COM diskutiert, als es um "neue" Trends im Bereich Streaming, TV und OTT ging.

Interessant war in der Diskussion dabei vor allem der Standpunkt von Rene Rummel-Mergeryan, Director Business Development bei Netflix DACH, Nordics & Benelux. Er legte nämlich dar, dass Netflix als Primus unter den Streamern auf Interaktivität keinen großen Wert liegt - zumindest nicht auf der Plattform selbst. "Für uns ist das wichtigste, den Kunden in seiner Nutzung nicht zu stören", so Rummel-Mergeryan. Experimente in der Vergangenheit hätten gezeigt, dass eine Überlastung der App mit zu vielen Features und Funktionalitäten einen negativen Effekt auf die Viewing Hours gehabt hätten - daher habe man viele nach Tests auch wieder eingestellt.

Was zugleich aber ja nicht bedeute, dass die Nutzerinnen und Nutzer nicht involviert werden sollen. "Es muss aber nicht immer alles auf der Core-Plattform stattfinden", so der Netflix-Manager. Stattdessen setze man etwa auf eine umfangreiche Bespielung von Social-Media-Plattformen, wo dann Interaktion stattfinden könne. Und man versuche auch über die Bereitstellung von Begleitmaterial zu den Produktionen des Dienstes Nutzerinnen und Nutzer mehr einzubinden - aber auch hier setzt man auf eine externe Plattform namens "Tudum", was in den USA schon gut funktioniere und nun verstärkt auch international ausgerollt werden soll.

Und dann gibt es da ja noch den Gaming-Bereich, in den Netflix bereits mit der Übernahme einiger Unternehmen groß investiert hat und der ebenfalls noch deutlich ausgebaut werden soll. Aktuell gibt es bereits über 50 Mobile Games, Ziel sei aber, auch Spiele für den Big Screenam Start zu haben. Dies sei zwar eine Herausforderung, aber man wolle dem Kunden damit mehr Möglichkeiten geben, auch nach Abschluss eines Films oder einer Serie mit der IP in Kontakt zu bleiben. Am erfolgreichsten sei man dabei zuletzt übrigens nicht etwa mit dem Spiel zu "Stranger Things" gewesen, sondern jenem zur Datingshow "Too hot to handle".

Das hätte man sicherlich auch anderswo gerne - allerdings stößt man dort auch schneller an finanzielle Grenzen. Mal eben noch ein paar Entwicklungsfirmen für Games einzukaufen ist weder bei RTL oder ProSiebenSat.1, noch bei einem US-Konzern wie Paramount geplant. Henning Nieslony, Chief Streaming Officer von RTL Deutschland, berichtete von "einzelnen Tests", Formatmarken mit Games zu verlängern, räumter aber unumwunden ein: "Ich glaube, dass Gaming nicht unsere Kernkompetenz ist."

Ins gleiche Horn stieß auch Michael Keidel von Paramount Global. "Unsere Kernkompetenz ist ganz klar die Herstellung von hochwertigem Bewegtbild-Content. Das ist das Kernelement der ganzen Firma seit Anfang des 20. Jahrhunderts." Auch wenn man Gaming-geeignete IP habe, wird man also eher nicht groß in die Entwicklung eigener Spiele einsteigen. Und in Sachen Interaktivität hält man es bei Paramount+ wie Pluto TV wie Netflix: "Die Interaktion findet außerhalb der Plattform in Social-Media-Welten, im Real-Life-Entertainment oder im Consumer-Products-Bereich statt".

Für Joyn spielt Interaktivität hingegen schon eine größere Rolle - immerhin hat man dort mit JoynMe eigens eine App dafür, die Joyn-CEO Tassilo Raesig als "ersten Schritt in die Richtung" bezeichnete und die man künftig tiefer in Joyn integrieren. Idealerweise soll es bei so vielen Live-Events wie möglich auch interaktive Möglichkeiten geben. Apropos Live - auch das war eines der Themen, das beim Panel diskutiert wurde und das man bei Joyn weiter ausbauen will. Dabei geht man den Weg, mit jungen Creators von anderen Plattformen große Live-Events zu schaffen, wie man es etwa mit der "Great Fight Night" oder den "Eligella Winter Games" schon umgesetzt hat. Damit erreiche man sehr erfolgreich Zielgruppen, die man übers klassische lineare Fernsehen gar nicht mehr erreiche. Zugleich bilden die Live-Sendungen aus dem klassischen TV auch für Joyn ein wichtiges Standbein.

Live-Übertragungen bezeichnete auch Henning Nieslony von RTL Deutschland als ganz wichtiges Element für RTL+ und verwies dabei vor allem auf die Sportrechte. Neben Fußball ist dort künftig ja auch die NFL zuhause. Zudem habe man im vergangenen Jahr erfolgreich mit der Übertragung von Festivals wie "Rock am Ring" experimentiert. Das Engagement werde man hier weiter fortsetzen und könne sich auch kleinere, exklusive Konzerte vorstellen. Michael Keidel bestätigte ebenfalls, dass Paramount+ auf die Übertragung von Live-Events ausgelegt sei - auch wenn das bislang eher in den USA als in Deutschland der Fall ist.

Weniger euphorisch war mit Blick auf das Thema nur Rene Rummel-Mergeryan von Netflix. Zwar könne man Live-Events als "taktisches Element" einsetzen - aber tatsächlich hat Netflix sich hier kürzlich schon eine blutige Nase geholt. Während das Stand-Up-Special von Chris Rock, das live gezeigt wurde, sehr gute Abrufzahlen gehabt habe, was es zur erfolgreichsten Netflix-Sendung im Stand-Up-Bereich überhaupt gemacht hatte, klappte der angekündigte Livestream beim Reunion-Special von "Love is blind" nicht, was für ordentlich Häme und Enttäuschung bei Fix sorgte. "Das ist noch nicht unsere Kernkompetenz und wird's vielleicht auch nie werden", gab er eine realistisch erscheinende Selbsteinschätzung ab.