Norah ist eine junge Journalistin, die es von Berlin nach Wien verschlagen hat. In Deutschland hat sie mit einer Geschichte für viel Gesprächsstoff gesorgt und sich viele Feinde gemacht, weil sie öffentlich machte, wie eine PR-Agentur eine junge Frau in den Tod trieb. In Österreich will sie nun einen Neuanfang. Den scheint sie bei einem Magazin-Start-Up auch zu bekommen, auch wenn sie sich dort mit einem opportunistischen Chef herumschlagen muss. Doch recht bald geschehen seltsame Dinge. Plötzlich prophezeit eine Bettlerin Norah, dass sie am 13. August einen Mann namens Arthur Grimm töten wird. 

Und während die Journalistin das zunächst nicht ernst nimmt und ohnehin genug in ihrem neuen Job zu tun hat, weil sie ein Porträt über den exzentrischen Künstler Wolfgang Balder schreiben soll, passieren irgendwann seltsame Dinge. Tatsächlich findet Nora in Wien einen Mann mit dem Namen Arthur Grimm - und als sie die Bettlerin noch einmal aufsuchen will, ist die tot. 

Es beginnt für Nora eine Abwärtsspirale, bei der man der Hauptfigur von Folge zu Folge dabei zusehen kann, wie sie den Verstand zu verlieren scheint. Langsam aber sicher bewahrheiten sich auch die anderen Vorhersagen der Bettlerin - Vögel fallen vom Himmel und Blumen verwelken. Und spätestens zu diesem Zeitpunkt kann Norah selbst nicht mehr sagen, ob das mit dem vorausgesagten Mord Unfug ist oder ob es vielleicht doch so kommen wird. Hinzu kommt, dass Norah sich die Schuld gibt für den Tod ihrer besten Freundin Valerie. Die hatte sich vor vielen Jahren selbst umgebracht - am 13. August. In einem Brief gab sie auch Norah die Schuld daran. 

Der Schatten © ZDF/Tomas Mikule Eine Bettlerin prophezeit Norah, dass sie am 13. August aus freien Stücken einen Mann namens Arthur Grimm töten wird.

In jeder Folge wird das Verhältnis zwischen Norah und Valerie ein bisschen mehr aufgedeckt. Klar ist dabei von Anfang an: Der Selbstmord der besten Freundin verfolgt sie bis heute. In Wien vergeht für die Journalistin derweil kein Tag, an dem sie nicht an die Vergangenheit erinnert wird. Bei rothaarigen Frauen muss sie an ihre tote Freundin denken und auf offener Straße wird sie als Valerie angesprochen. Als dann plötzlich auch noch Gegenstände aus ihrer Wohnung verschwinden, neue hinzukommen und Norah unter Aussetzern leidet, ist klar: Hier stimmt etwas nicht. Und dann ist da auch noch Arthur Grimm, gespielt von Christoph Luser, der eine Obsession zu haben scheint für rothaarige Frauen.

Keshet Tresor Fiction und die Autorin Stefanie Veith haben einen guten Job gemacht, den gleichnamigen Roman von Melanie Raabe zu verfilmen. Die Geschichte zieht die Zuschauerinnen und Zuschauer immer weiter in den Abgrund von Norah und gerade dann, als man denkt, man habe den Code des Thrillers entschlüsselt, kommt doch wieder alles ganz anders. Hauptdarstellerin Deleila Piasko ("Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull", "Transatlantic") fesselt die Zuschauenden als Norah nachhaltig und man leidet mit, wie sie zusehends verzweifelt und sich in ihren Wahn hineinsteigert - und ihr anscheinend niemand helfen will, nicht einmal ihre besten Freunde, die sich ständig verleugnen. Unterstützung erhält Norah nur durch ihre Nachbarin Teresa (Luisa-Céline Gaffron), die sie beim Kennenlernen auch an ihre tote Freundin erinnert hat - und die danach ein bisschen zu schnell ihre erste Bezugsperson wird. 

Überraschungen und Wendungen bis zum Schluss

Regisseurin Nina Vukovic lässt den Zuschauerinnen und Zuschauern in den sechs Folgen von "Der Schatten" keine Minute Zeit, um mal durchzuatmen. Ständig passiert etwas - und am Ende hängt auch alles mit allem zusammen. Hier leistet auch Kameramann Pascal Schmit herausragende Arbeit. Als Norah kurz vorm Durchdrehen ist und im Wahn die Befürchtung hat, beobachtet zu werden, spiegelt sich das in der Kameraperspektive wider. Insgesamt zeichnet "Der Schatten" oft ein düsteres Bild, sei es in der Wohnung der Journalistin, in den Straßen der Stadt oder im Büro. Alles ist von einem Schatten umhüllt, der die Stimmung der Hauptprotagonistin gut widerspiegelt. 

Und auch wenn die Macherinnen und Macher in den ersten fünf Folgen viel dafür getan haben, die Zuschauerinnen und Zuschauer möglichst lange im Unklaren darüber lassen, was nun eigentlich wirklich geschehen ist, so wird die Geschichte am Ende fast schon mustergültig aufgeklärt. Das heißt aber nicht, dass es keine Überraschungen und Wendungen bis zum Schluss gibt - ganz im Gegenteil. "Der Schatten" funktioniert als Miniserie so ganz wunderbar und man kann nur hoffen, dass die Serie angesichts der Inhalte-Schwemme auf den Streaming-Plattformen in der ZDF-Mediathek und bei ZDFneo nicht untergeht. 

Alle Folgen von "Der Schatten" sind ab sofort in der ZDF-Mediathek verfügbar. Ab dem 25. Juni ist die Serie auch bei ZDFneo zu sehen.