Als das Funke-Klatschblatt "Die Aktuelle" ein KI-"Interview" mit Michael Schumacher veröffentlicht hat und es danach zu einem großen Aufschrei kam, gab es eine schnelle Reaktion. Die Chefredakteurin des Titels wurde gefeuert und bei der Familie Schumacher entschuldigte man sich (DWDL.de berichtete). In einem Interview mit dem "Journalist" hat sich Funke-Verlegerin Julia Becker nun auch noch einmal zu dieser Sache geäußert. Dieser Fake "ging natürlich nicht", sagt Becker. Grundsätzlich spräche aber nichts dagegen, auch in einem Regionalmedienhaus, wie Funke eines sei, Boulevardjournalismus zu betreiben - "solange er unseren Guidelines entspricht".
Angesprochen auf anhaltende Irreführungen in Funke-Yellows sagt Becker, man wolle "verantwortungsvollen Boulevardjournalismus mit klarer Grenze". Klatsch und Tratsch biete "Kitt" für die Gesellschaft, sei aber "nicht kriegsentscheidend für die Glaubwürdigkeit der Medien insgesamt", so Becker. So gesehen habe die Sache mit Schumacher "auch ihr Gutes" gehabt. "Wir haben uns innerhalb einer Viertelstunde zusammengeschaltet und klargemacht, diese Art der respektlosen Herabwürdigung mittels KI künftig gemäß unseren Guidelines nicht wieder vorkommen zu lassen."
Deutlich wird im Interview auch, dass Becker in der Vergangenheit nicht immer einverstanden war mit Entwicklungen in den sogenannten Reichweitenmedien. Also Knall-Portalen wie "Der Westen". "Als mir bewusst wurde, dass das [Clickbaiting, Anm. der Redaktion] auf Portalen wie derwesten.de geschieht, hatte ich meine ersten Fremdschäm-Momente im Aufsichtsrat", sagt Becker. Die Konsequenz daraus sei gewesen, dass sich Bettina Steinke als Chefredakteurin aller Reichweitenportale nun darum kümmere, "dass Videos wie jenes, wo eine Frau ihrem Hund brennende Zigaretten in die Augen drückt, nicht mehr viral gehen". Für die Anzeigenabteilung seien Millionen-Zugriffe ein Segen gewesen - "fürs Verlagsrenommee ein Desaster".
Becker spricht in dem Interview aber auch über die bewegte Vergangenheit der Funke Mediengruppe - Stichworte Gesellschafterstreit und Mega-Übernahme von Springer-Titeln. Für letztere hatte man vor mittlerweile mehr als zehn Jahren rund 920 Millionen Euro auf den Tisch gelegt. Man habe die Titel damals auch wegen ihrer Online-Expertise geholt, sagt die Verlegerin. "Denn um ehrlich zu sein, hatten wir in Essen noch aufs Internet geschaut, wie wir es jetzt auf KI tun: Alle ahnen, das wird wichtig, aber was genau wir damit anfangen, muss sich erst noch zeigen." Man habe damals aus dem Gefühl heraus, bisher habe es doch auch analog immer gereicht, viel Zeit vertan, so Becker, die gleichzeitig die Geschäftsführung in Schutz nimmt und auf die schwierigen Eigentümerverhältnisse zu der damaligen Zeit verweist, als sich noch zwei gleichstarke Familien gegenüberstanden und so wichtige Entscheidungen unmöglich machten.
Julia Becker spricht im "Journalist"-Interview sogar vom "Free-Funke-Tag", also dem Tag vor rund zwei Jahren, als die letzten Minderheitsanteile durch die Übernahme in den Besitz einer Familie übergegangen waren. Das sei ein "echter Gamechanger" gewesen. Becker: "Bis 2021, das muss man sich mal vorstellen, gab es wegen der Ausschüttungspraxis nahezu null Spielraum für Digitalstrategien."
Man habe das Digitale zuvor "vernachlässigt", sagt die Funke-Verlegerin. Jetzt das Analoge aufzugeben wie man zuvor eben das Online-Geschäft vernachlässigt habe, sei aber ebenso falsch. Vor wenigen Monaten hatte Funke angekündigt, die "Ostthüringer Zeitung" in unwirtschaftlichen Gebieten nicht mehr zustellen zu wollen. Entsprechend hat man eine Kampagne zur Umwandlung von analoger in digitale Abos gestartet. Das bisherige Ergebnis sei "ernüchternd, aber auch motivierend", sagt Becker. Nach ihren Angaben haben bislang nur ein Drittel der Leserinnen und Leser ein Digital-Abo abgeschlossen. "Das ist nicht genug, aber ein Anfang, den der Verlag vor Free-Funke wohl nach kühler Kosten-Nutzen-Abwägung kaum fortgesetzt hätte."
Die Ziele von Julia Becker in den kommenden Jahren sind jedenfalls groß. Schon bis 2025 will man eine Million Abos mit den Regionalmedien erreichen, die Hälfte davon soll digital sein. Das sei "machbar", so die Verlegerin. Zuletzt kam man auf etwa 100.000 E-Paper über das gesamte Portfolio hinweg. "Digital first kam spät, aber rechtzeitig genug, um das Ruder noch rumzureißen", sagt Becker.