Der Vater von Max Michael Schlereth war das, was man früher einmal Baulöwe nannte. Nach dem Zweiten Weltkrieg baute er Zehntausende Wohnungen, seine Firma war der größte Bauträger im Land. So plante und realisierte er das Olympische Dorf in München, über das "Die Zeit" seinerzeit schrieb, es sei ein "sozialpolitisch zweifelhaftes, architektonisch immerhin diskutables Experiment", weil es "nur den Reichen olympisches Wohnen" ermögliche. Inzwischen steht das Ensemble unter Denkmalschutz und ist eins der beliebtesten Wohnviertel.

Und der Junior? Setzt jetzt vis-à-vis die neue Sendezentrale von münchen.tv hin.

In den nächsten Tagen werden beim Stadtsender die ersten Kisten gepackt, um in die Lerchenauer Straße 110 umzuziehen. Den sechsgeschossigen Neubau in unmittelbarer Nachbarschaft von Olympiadorf und BMW (Bilder hier und hier) hat Max Schlereths Unternehmen Derag Deutsche Realbesitz AG im September 2024 gekauft.

Und, ach ja, münchen.tv gehört dem 53-jährigen Firmeninhaber auch.

Im April vor einem Jahr kam es zum überraschenden Deal. Da kaufte Max Schlereth alle Alteigentümer aus münchen.tv und dem Schwestersender tv ingolstadt heraus, darunter waren die 16 Prozent von Helmut Markworts Medienpool TV GmbH. Nur ein Jahr später kam der Kanal L-TV in Heilbronn hinzu. Ist das der Beginn einer größeren Einkaufstour?

Überhaupt: Wieso macht ein Branchenfremder, der das auf Immobilienentwicklung und Hotellerie spezialisierte Familienunternehmen in zweiter Generation fortführt, jetzt in Lokalfernsehen? Warum dieses Investment und das auch noch in einer Zeit, wo es mit dem Geschäftsmodell Privat-TV gerade gar nicht gut läuft? Man braucht da nur in Schlereths Heimatstadt nach Unterföhring zu schauen. Auch viele Lokalsender wackeln.

Max Schlereth © Living Hotels/Roland Unger
In den Pressemitteilungen zu Schlereths Senderkäufen ist dagegen von einer "Renaissance des Lokalfernsehens" die Rede, von "Vertrauen", das bei vielen Menschen in kommunale Sender größer sei als das in überregionale Sender und digitale Medien, weil es "authentisch, glaubwürdig und vor allem falsifizierbar" sei. Und es ist die Sorge herauszulesen, dass die Sender sonst in zweifelhafte Hände geraten könnten, die die demokratiestabilisierende Kraft des Mediums nicht verantwortungsvoll nutzen.

Das ist nicht unberechtigt, wenn man etwa auf die Experimente bei Sport1 schaut. Auch das mit dem Vertrauen kommt laut Umfragen schon so hin. Und doch sind auch bei Max Schlereth Zweifel angebracht, wie er daraus Kapital schlagen will. Leute rausschmeißen wie ProSiebenSat.1 will er angeblich ja nicht, stattdessen perspektivisch die Anzahl der Mitarbeiter bei L-TV  (9) und den beiden Sendern in München und Ingolstadt (74) steigern. Zudem stammt von ihm der (entlarvende?) Satz: "Ich entscheide meist nach Gefühl, der Verstand kommt danach."

War das auch so beim Kauf von münchen.tv und tv ingolstadt? Und was sagt der Verstand ein Jahr danach?

Max Schlereth lacht laut auf, wie er es oft tun wird in unserem Gespräch, wobei schwer zu sagen ist, ob aus Verlegenheit oder weil er einfach ein lebenslustiger Mensch ist mit hellem Geist und Freude am Genuss von Nikotin und Energydrinks. "Es war ein Zusammenspiel von Bauch und Kopf", antwortet er. Und erzählt dann, wie es dazu kam.

Es war Ostern. Er war Skifahren. En passant las er die E-Mail, in der er gefragt wurde, ob er sich den Kauf der beiden TV-Sender vorstellen könne. Seine spontane Reaktion an den Absender, dessen Namen er für sich behält, war: "Tolle Idee! Hast du vielleicht eine Videothek mit Betamax-Kassetten? Soll ich ein Fax schicken?" Er zweifelte, ob Fernsehen überhaupt noch eine Chance hat, und hatte das Angebot im Prinzip schon ad acta gelegt, bis er ein paar Zahlenkonstellationen sah, die ihn aufhorchen ließen.

Die eher dürftigen Zuschauerzahlen – 215.000 in München, 43.000 in Ingolstadt (Nettoreichweite pro Tag) – dürften es nicht gewesen sein, die bei Max Schlereth Entzücken auslösten. Er spricht zwar von Marktanteilen in den beiden Städten, die "gar nicht so übel" seien. Doch ausschlaggebend für ihn war: "Ganz simpel: die Kosten- und Umsatzkonstellation."

"Wissen Sie", fängt er an zu dozieren, "es gibt auch eine Zahlenästhetik. Wenn man Asymmetrien darin erkennt, heißt das meistens: Da ist eine Möglichkeit. Daraus kann man etwas machen."

Je mehr er sich einlas, desto klarer wurde ihm, welche Relevanz Lokalfernsehen hat. Es sei in allen Industrienationen das mit großem Abstand vertrauenswürdigste Medium. Gleichzeitig werde es wenig geguckt. Diese Diskrepanz habe ihn fasziniert. Daraus habe er "Potenziale und Möglichkeiten" abgeleitet, die ihn letztlich zur Kaufentscheidung brachten.

Man nennt ihn auch den "Professor"

Je länger man mit Max Schlereth redet, desto besser versteht man, warum sie ihn in München "der Professor" nennen. Was er sagt, versteht man wiederum nicht immer. Das liegt nicht nur, aber auch am eigenen mageren Wissen über Wirtschaftswissenschaft, die der Unternehmersohn in Innsbruck in der Verquickung mit Philosophie bis zur Promotion studiert hat (Titel des mit Bestnote ausgezeichneten Werks: "Unternehmerisches Sein zwischen Realismus und Kunst – ein philosophischer Versuch zur Unternehmensführung.").

Er reißt einen mit in erkenntnistheoretische Tiefen, zitiert Claude E. Shannons Lehre von der Informationsentropie, mit der er sich vor dem Einstieg ins Mediengeschäft das erste Mal explizit beschäftigt hat, und landet in der griechischen Mythologie, die zwischen zwei Arten von Zeit unterschied: Chronos bestimmt sekundengenau unsere Taktung und beschreibt den Typus des Planers. Kairos steht für den günstigen Zeitpunkt, um die Gelegenheit beim Schopfe zu packen, bevor sie unwiederbringlich entwischt.

Demnach ist Max Schlereth ein Wahrnehmer von Gelegenheiten. Er zählt sich jedenfalls nicht zu den Menschen, die alles durchplanen und sich konkrete Ziele setzen. Aber es ist ihm zufolge auch nicht so, dass er überall reinstolpere: "Mein Leben ist keine Forrest-Gump-Story. Ich weiß, was ich will, und bin trotzdem offen für Dinge, die passieren."

So ist ihm auch sein Leben als Geschäftsmann mehr oder weniger passiert.

Max Schlereth © Living Hotels/Roland Unger
Er wuchs auf in einem Elternhaus, das man sich "auch gut als Vorlage für einen Film von Helmut Dietl vorstellen könnte". So beschrieb es die "Süddeutsche Zeitung" im Nachruf auf seinen Vater Max W. Schlereth. Dieser war zu märchenhaftem Reichtum gekommen (inklusive Yacht in Monte Carlo!) und auch privat ein Glückspilz. Auf dem Münchner Filmball lernte er 1961 die ägyptische Filmschauspielerin Laila Yassin kennen, die in Kairo, damals das Hollywood des Orients, ein Star war. 1962 wurde der erste Sohn, Thomas, geboren. Nach Tochter Laila kam im Jahr von Olympia in München Nesthäkchen Max zur Welt.

Tür und Tor zum Aufstieg in den Professorenstand standen Max Schlereth nach dem Doktor offen – doch er bog 1999 in die Immobilienwirtschaft ab, weil sein Vater ihm ein Angebot machte, was er "nicht ablehnen konnte". Die Wissenschaft betreibt er nur noch nebenbei, das aber seit 2007 immerhin als Hochschuldozent für Innovationsmanagement in St. Pölten. Mit der Zeit entwickelte er auch Lust am hauptberuflichen Betätigungsfeld: "Es ist schön, wenn man etwas bewegen kann und das nicht nur in Gedankengebäuden passiert, sondern auch in echten Gebäuden."

Bereits in den Achtzigerjahren erweiterte Max W. Schlereth seine Firmengruppe um den innovativen, damals noch riskanten Unternehmensbereich "Hotels und Living" mit sogenannten Serviced Appartements. Sein Sohn baute den Bereich später zum deutschen Marktführer aus. Gedanklich halte er es wie der Vater, erzählte Max M. Schlereth jüngst der Unternehmerzeitschrift "wir": Risiken und neue Ideen müsse man immer verfolgen, aber nur so, dass ein Scheitern nicht den kompletten Verfall eines Unternehmens bedeute.

Und so wagte Max Schlereth den Schritt in zwei völlig neue Geschäftsfelder: 2023 gründete er die Restaurantkette St. Ribs, 2024 kaufte er zwei TV-Sender, 2025 den dritten. Letztere Transaktionen finanzierte der Vater von zwei Mädchen, Lou (7) und Antonia (5), komplett mit eigenem, privatem Kapital. Die Derag da hineinzuziehen, war ihm dann doch zu riskant.

Seither fragen sich viele, die sich mit dem Fernsehgeschäft auskennen: Baut sich da jemand Luftschlösser? Mit Lokalfernsehen sei einfach kein Geld zu verdienen. Punkt. Die vorherigen Gesellschafter hätten den Laden eher zugesperrt, als nur einen Euro mehr hineinzustecken.

Doch Max Schlereth investiert, und das stimmt die TV-Mitarbeiter samt Geschäftsführer Horst Rettig, wie man hört, erst einmal sehr euphorisch. Ihm, dem "kostenbewussten" Manager aus Baden-Württemberg stammend, gab er eine Carte Blanche für die Ausstattung des neuen Studios – "unter der Bedingung, dass es einen entsprechenden Wertbeitrag bringt". Technologisch sei alles "auf neustem Stand", das gehöre zur Strategie. Man setze auf alles, "was höhere Produktivität erlaubt", auf Robotik und natürlich KI.

Effizienz, Produktivitätsgewinne, Wertsteigerung: Der Ökonom Max Schlereth wiederholt oft, wie wichtig ihm das ist – und dass er mit den TV-Sendern natürlich keine Verluste schreiben will: "Ich mache das nicht aus purem Idealismus. Gewinn ist zwar nicht das einzige Ziel, aber eine Bedingung, die erfüllt werden muss, sonst geht gar nichts." Nicht zuletzt bringe es "eine Menge ökonomische Vorteile", dass er Immobilienunternehmertum und TV-Branche nun im Komplex an der Lerchenauer Straße verbinden könne. Das habe den Kauf von münchen.tv "durchaus attraktiv gemacht".

"Ich mache das nicht aus purem Idealismus. Gewinn ist zwar nicht das einzige Ziel, aber eine Bedingung, die erfüllt werden muss, sonst geht gar nichts."
Max Schlereth


Die Gelegenheit, L-TV zu kaufen, kam derweil etwas zu früh, das gibt Schlereth offen zu. Er packte sie beim Schopfe, bevor in München und Ingolstadt der Lackmustest bestanden war. Um Synergien zu schaffen, will er nicht Leute einfach raushauen ("das ist nicht mein Ding"). Stattdessen habe er aus dem Verhältnis zwischen den Kosten für Verwaltung und für Programm "skalierbare Elemente identifiziert".

An die Inhalte, an die Redakteure und Moderatoren, will er nicht ran. Das Mutterunternehmen, in dem er sein Mediengeschäft jetzt bündelt, heiße nicht umsonst Localism Media. "Das ist Programm." Man könne alle möglichen Prozesse hintenrum zentralisieren und automatisieren, aber nicht das, worum es beim Fernsehen, im Journalismus gehe: die vertrauenswürdige Information von vor Ort.

Warum ist eigentlich ein ausgebuffter Medienprofi wie Helmut Markwort, mit dem sich Schlereth öfter unterhielt, nicht auf diese Ideen gekommen?

Es stehe ihm nicht zu, das Vorgehen der vorherigen Gesellschafter zu beurteilen, antwortet der TV-Einsteiger. Generell sei es aber so, dass es in einer Konstellation "ohne dezisionistisches Element" schwer sei, Mehrheiten zu finden und Entscheidungen zu fällen. Aber darauf komme es an. "Bei uns ist es so: Horst Rettig und ich reden täglich miteinander. Und dann wird entschieden und durchgezogen. Das macht natürlich einiges einfacher."

"Ich habe nichts mit Macht am Hut"

Viel mehr lässt sich Max Schlereth nicht in die Karten schauen. Er meint, er habe schon viel zu viel aus seiner "Trickkiste" verraten. Man solle künftige News abwarten. Was er strikt und weit von sich weist: Dass er einer dieser vielen Unternehmer sei, die sich bloß eine Plattform suchten, um ihre eigenen Ideen und Meinungen unters Volk zu bringen. Das könne man ihm glauben oder nicht: "Ich habe nichts mit Macht am Hut. Macht konsumiert einen nur. Das brauche ich nicht."

Nur wenige Wochen vor dem TV-Deal in München kaufte Max Schlereth übrigens in Hamburg am Alsterufer 27/28 das ehemalige US-Konsulat, es soll sein 20. Hotel werden, "The Jefferson", Luxus-Kategorie. Aus diesem Anlass gab er der "Zeit" ein Interview und verriet nebenbei, dass er kürzlich "The Apprentice" geschaut habe, die alte Reality-TV-Serie mit Donald Trump, als dieser nur Immobilienmensch war und noch nicht US-Präsident. Da verstehe man, warum ihn die Amerikaner gewählt hätten.

Max Schlereth hegt nicht derlei Ambitionen wie sein Berufskollege, es zieht ihn weder in die Politik noch vor die Kamera. "Um Gottes Willen", bricht es aus ihm schallend aus, "schauen Sie mich doch an, glauben Sie, irgendwer will mich sehen? Eben." Sein Ausmaß an Telegenität halte sich in Grenzen, glaubt er. Außerdem – das habe man sicherlich bemerkt – könne er "manchmal die Klappe nicht halten und schweife ab". Das seien nicht die besten Voraussetzungen, die es sinnvoll erscheinen ließen, auch noch eine Karriere im Fernsehen anzustreben.

Eine Einschränkung macht er dann aber doch: "Wenn’s dem Sender hilft, mach ich alles."