Als Frauke Ludowig am Tag nach der Bundestagswahl ins Flugzeug nach London stieg, war die Corona-Welt noch einigermaßen in Ordnung. Es war zwar ein großes Fieber ausgebrochen, aber es galt speziell einem Mann. Bond, James Bond. In seinem letzten Abenteuer hat 007-Darsteller Daniel Craig "Keine Zeit zu sterben". Aber vor der "Mega-Premiere" in der Royal Albert Hall hatte er Zeit zu reden. Und zwar mit ihr. Als europaweit einzige Fernsehjournalistin bekam Frauke Ludowig, die bei RTL das Star-Magazin "Exclusiv" moderiert, ein Interview mit ihm.

Bingo!

Ist es das, was ihr Chefredakteur Martin Gradl unlängst meinte mit dem Satz "Wir haben hier mit Frauke noch einiges vor": weitere Scoops aus der Glitzerwelt der Schönen und Reichen? Oder wird sie, die seit 1. Oktober den neu geschaffenen RTL-Titel "Kreativ-Direktorin VIP" trägt, womöglich den Vielleicht-bald-Kanzler Olaf Scholz interviewen? Schließlich ist die 57-Jährige nicht nur Bond-Bezwingerin. Sie hat in diesem Jahr durch ihr Interview mit Angela Merkel quasi die Lizenz zum Politiker-Löchern erworben, oder etwa nicht?

"Lasst uns mal schauen, was das kommende Jahr so bringt", gibt sich Frauke Ludowig an diesem Novembermorgen sehr geheimnisvoll. Aus der "Exclusiv"-Redaktionskonferenz ist sie gerade in unseren Teams-Talk hinübergewechselt. Bis zur Sendung am Abend sind es noch ein paar Stunden, also viel Zeit, um sich glamourös aufbrezeln zu lassen. Aber jetzt, in ihrem Homeoffice, präsentiert sie sich als herrlich ungeschminkte Wahrheit und in sprühender Redelaune.

"Meine Chefs wissen", fährt sie also fort, "ich war und bin für alles offen. Das ist auch der Grund, weshalb mir die Arbeit bei RTL noch immer so viel Spaß macht." Zu dieser Offenheit trage natürlich die komfortable Situation bei, dass sie eine tägliche Sendung habe: "Wenn wieder was Spannendes auf mich zukommt, mache ich mit. Sollte nichts kommen, stehe ich trotzdem jeden Abend um 18.30 Uhr vor der Kamera." Und das tut sie nun schon seit fast drei Jahrzehnten.

Frauke Ludowig © RTL/Margaretha Olschewski
1994 hatte "Exclusiv" Premiere. Die Anfänge waren in vielerlei Hinsicht holprig. Ein Lückenfüller bis zu den News von "RTL aktuell" musste her. Also grübelten Frauke Ludowig und Frank Hoffmann: So was wie "Explosiv", wo beide damals arbeiteten, sollte es sein, aber ein bisschen weicherer Boulevard, mehr in die Promi-Ecke. Die Programmnot war groß, und so stand sie, der Neuling aus dem Radio ffn in Isernhagen mit kaum Fernseherfahrung und Naturkrause auf dem Kopf, hoppladihopp vor der Kamera.

Die ersten Gehversuche waren in ihrer Qualität, so sagt sie es selbst, "bescheiden". Aber es nahm sowieso kaum jemand Notiz davon. Rief sie Promis an, hallo, hier ist Frauke Ludowig von "Exclusiv", wir möchten mit ihnen drehen, hieß es, wer ist da? Wobei man zurückfragen könnte, welche "Promis"? Schon Mister RTL, Helmut Thoma, war skeptisch. Ja, wie soll denn so was funktionieren? Es gibt doch in Deutschland überhaupt keine Stars, nur in Hollywood. Vielleicht hat er recht, dachte sich Ludowig damals, aber es gibt die Geschichten! Und Flugzeuge natürlich auch.

Zu Britney Spears nach London flog the German Ms Ludowig einmal. Das schrecklichste Interview in ihrer Karriere, weil die komplett entrückt wirkende Pop-Diva komplett uninteressante Antworten gab, jedenfalls alles andere als sendungsfüllend. Oder diese tolle Geschichte hier von Bruce Willis, der in seinen Action-Streifen so powerful und zackzack schnell drauf ist, dann aber in München so langsam redete, dass  Ludowig Schnappatmung bekam – was, nur drei Fragen in sechs Minuten? – und Willis‘ Management streng die Stoppuhr im Auge behielt.

Kaum weniger Zeitdruck machte der "Manager" von Angela Merkel, Regierungssprecher Steffen Seibert, als Frauke Ludowig im vorigen Winter-Lockdown gemeinsam mit Politik-Chef Nikolaus Blome (hier ist seine "Nahaufnahme") im Kanzleramt anrückte. 15 Minuten waren ausgemacht. Es sei okay, wenn es 16 Minuten werden, sagte Seibert, aber bitte nicht länger.

Ludowig selbst war überrascht

Auf die Frage, wer eigentlich einfacher zu interviewen ist, Hollywood-Stars oder die Kanzlerin, kommt ein ach, unheimlich schwer, da Vergleiche anzustellen. So oft hätten sich Warnungen der Art, pass auf, Madonna ist ein Alptraum, als Vorurteile herausgestellt. Für Ludowig waren diese exklusiven Begegnungen "Aha-Erlebnisse". Stets unvoreingenommen versuche sie in Interviews zu gehen. Ihre Leidenschaft seien "menschliche Interviews". Da sei es eigentlich nicht entscheidend, ob ihr Gegenüber besonders bekannt ist. "Man muss einen Draht zu den Menschen kriegen. Ich glaube, das ist mir bei der Kanzlerin gelungen."

Dass das Aha ob der Kombi Blome/Ludowig sehr groß war, findet sie verständlich: "Ich bin ja seit Jahrzehnten im Genre Promiberichterstattung verhaftet." Sie selbst sei auch überrascht gewesen, als die Anfrage kam, aber die Chefredaktion meinte es wirklich ernst. Alles ging ganz schnell. Blomes und ihr Name wurden beim Kanzleramt eingereicht. Eine halbe Stunde später meldete sich der Regierungssprecher: Die Kanzlerin freue sich auf das Interview. "In dem Moment habe ich mich dann auch gefreut", sagt Ludowig, "es fühlte sich tatsächlich irgendwie historisch an für mich."

Nun ist es so, dass die Society-Expertin durchaus schon Berührungspunkte mit der Politik hatte. Vor Urzeit ging sie im Kanzleramt ein und aus für ein "Exclusiv"-Porträt über den Zigarre schmauchenden Brioni-Kanzler Gerhard Schröder, der bekanntlich mit "Bild, BamS und Glotze" regierte. Vor drei Sommern folgte sie mit 49 anderen "Powerfrauen" Doro Bärs Einladung zum "Chancengipfel" – die Anreise zur Berliner "Bundeswaschmaschine" erfolgte, soweit bekannt, ohne Flugtaxi.

Frauke Ludowig © RTL/Margaretha Olschewski
Aus all dieser Expertise muss sich doch mehr machen lassen, haben sie sich wohl bei RTL gedacht. Und hoppladihopp moderierte die inzwischen sehr erfahrene Fernsehfrau mit der inzwischen glatt geföhnten Krause auch noch den Talk nach dem Kanzler-Triell und der Bundestagswahl. Diese neue Ernsthaftigkeit hält den Sender allerdings nicht davon ab, sich weiter seine Stars zu schaffen und diese von Frauke Ludowig befragen zu lassen.

Du hast jetzt die Kanzlerin interviewt, du hast den Talk nach dem TV-Triell moderiert, warum moderierst du denn nun jetzt auch noch den Talk nach dem "Sommerhaus", fragte Frauke Ludowigs Umfeld irritiert. "Ja, warum denn nicht?", entgegnet sie, "RTL ist bunt, und ich bin total RTL." Sie habe da "überhaupt keine Befangenheit" und sehe es als "gute Schule, 22 unterschiedlichste Charaktere zu handeln".

"Total RTL" bedeutet so nebenbei auch, dass wann immer Frauke Ludowig zu  exklusiven Missionen ausrückt, sie sinnbildlich die "Gala" im Gepäck hat.

Im selben Jahr, als es mit "Exclusiv" im TV losging, brachte Gruner + Jahr sein Society-Magazin an den Kiosk, um Burdas "Bunte" Leserinnen (die sind es ja hauptsächlich und nicht Leser) abzuluchsen. Im Bertelsmann-Kosmos sind RTL und der Hamburger Verlag schon lange verbandelt. Das ist mit ein Grund, warum es nach Diskussionen, ob aus "Exclusiv" parallel auch eine Print-Marke werden soll, nie zum Vollzug kam. Jede und jeder könne mit diesen "zwei starken Marken sofort etwas anfangen", sagt Frauke Ludowig. Jede Marke stehe für sich und werde als solche in ihrer Eigenständigkeit von außen auch so wahrgenommen. "Da wird nichts verwässert, auch wenn wir intern enger zusammenarbeiten."

Wie RTL das Interview mit Daniel Craig ergatterte

Einen Austausch zwischen den beiden Redaktionen im Promi-Fach gab es früher immer mal wieder, jetzt, wo das Zusammengehen der beiden Content-Welten beschlossene Sache ist, sei er aber "deutlich intensiver". Im redaktionellen Alltag bedeutet das: Die drei wichtigsten VIP-Frauen bei Bertelsmann, also Brigitte Huber (Print), Doris Brückner (Digital) und Frauke Ludowig (TV), sitzen regelmäßig zusammen und brainstormen, welche Geschichten sie wie gemeinsam planen und umsetzen. Immer "auf Augenhöhe", wie Ludowig betont, und "ohne Zickereien". Aus ihrer Sicht ist es logisch und unkompliziert: "Wenn man sagt, man ist ein großes Haus, dann muss man es auch gemeinsam mit Leben füllen."

Wie das konkret geht, dafür ist James Bond das beste Beispiel.

Lange Verhandlungen mit dem Filmverleiher Universal gingen dem Interview voraus. Dass RTL und damit Frauke Ludowig den Zuschlag bekam, liege daran, dass sie mit "deutlich mehr Geschützen" auffahren könne als nur mit "Exclusiv". Nicht nur RTL, RTL.de und alle Social-Media-Kanäle waren voll mit Bond-Stoff. Während des Interviews mit Daniel Craig ließ Ludowig ihr Handy mitlaufen, sodass die Kolleginnen in Hamburg noch eiligst eine Doppelseite in der "Gala" in Druck geben konnten samt Vorwort von Frauke Ludowigs moderierender Zweitbesetzung Bella Lesnik, die in Personalunion "Editor at Large" beim Magazin ist. Und inklusive Ludowig/Craig-Selfie. Für die Interviewerin war das ein kleiner Triumpf. Craig mache nie, nie, nie Selfies, hatte ihr das Management gesagt. Doch!

Und wie sieht's mit der Rente aus? 

Solche Highlights sind es, auf die sich Frauke Ludowig künftig wieder mehr konzentrieren will in ihrer neuen Rolle "Kreativ-Direktorin VIP". Als es darum ging, den Umbau zur Ressortstruktur zu begleiten, war sie zwar die erste, die sagte, okay, ich gehe aus meinem "Exclusiv"-Kosmos raus auf die redaktionsübergreifende Leitungsebene. Aber heute hört man bei ihr eine gewisse Ernüchterung heraus, wenn sie sagt, der Prozess, der ja noch nicht abgeschlossen ist, könnte "noch superer" laufen. Sie habe jedenfalls für sich entschieden, dass sie sich "noch mal in eine Richtung weiterentwickeln" möchte, die ihr "eher entspricht". Im Unternehmen gebe es Menschen, die "wahnsinnig gut Struktur und Prozessbegleitung" könnten. "Ich dagegen bin die absolute Inhalte-Frau." Raus an die Basis will Frauke Ludowig, selber drehen und neue Formate entwickeln. Die operative Ressortleitung nimmt ihr jetzt Angela Lang ab.

Dem 53-jährigen Agenten-Pensionär Daniel Craig stellte die vier Jahre ältere Frauke Ludowig übrigens eine Frage, die man ihr selbst nicht ersparen kann: Wie hält sie es eigentlich mit dem Ruhestand?

Und so beginnt sie von ihrem Vater zu erzählen, der im Januar 88 wird. Noch immer stehe er um halb sechs auf, um in seinen Betrieb im niedersächsischen Wunstorf zu gehen. "Es muss jetzt aber niemand einen Schreck kriegen", schiebt die Metzgerstochter lachend hinterher, "so lange werde ich mit ,Exclusiv‘ nicht weitermachen." Einen kompletten Rückzug ins Privatleben, womöglich noch vor dem offiziellen Rentenalter, wie ihn ihre RTL-Kollegin Birgit Schrowange vollzog, kann sie sich allerdings nicht vorstellen. Da gehe es ihr wie Patricia Riekel, der ehemaligen Grande Dame bei "Bunte".

In Riekels aktuellem Buch steht sinngemäß: Ruhestand? Endlich Dinge tun, die man immer tun wollte? "Moment", sagt auch Ludowig, "was ich gemacht habe, wollte ich doch immer machen. Ich ziehe aus meiner Arbeit nach wie vor so viel Energie. Und die powere ich mit voller Wucht wieder rein."

Mal sehen, welcher Promi oder Politiker sie als nächstes abkriegt.