Wer den letzten Adventssamstag heiter starten möchte und Nässe egal in welcher Form nicht scheut, dem sei dieser Klassiker aus 40 Jahren „Verstehen Sie Spaß?“ empfohlen: Das Wasserbett in einem Möbelhaus entpuppt sich plitsch platsch als Wasserfalle. Was für ein feuchtes Fest der Schadenfreude! Die lustigsten drei Minuten der Fernsehgeschichte! Findet auch Guido Cantz. In Zukunft wird sich der Fachmann für Komik solche Filmchen wie ein gewöhnlicher Zuschauer nur noch aus der Ferne respektive in der ARD-Mediathek anschauen können. Denn heute Abend moderiert er die älteste Samstagabendshow im deutschen Fernsehen zum letzten Mal.

Er selbst hat das so gewollt und entschieden. Aber hat er das auch wirklich gut zu Ende gedacht? Jetzt, wo ihm das zweite starke Standbein, der Kölner Karneval, erneut wegbricht: Bereut er vielleicht schon diesen Schritt? Wie geht’s weiter mit dem Humorgeschäft, für ihn selbst und insgesamt so?

Nun hat Guido Cantz den Ausstieg aus „Verstehen Sie Spaß?“ schon länger vorbereitet, als bislang bekannt war. Ein ganzes Buch (256 Seiten! Mit 8 Quellenangaben!) hat er über seine Beweggründe geschrieben. „Bauchgefühl & Gottvertrauen. Mein Leben von 1971 bis 20:15 Uhr“ erschien im August rund um seinen fünfzigsten Geburtstag. Es spannt den Bogen von seiner improvisierten Taufe in St. Aegidius in Köln-Porz über die Verwandtschaft mit der „schönsten Frau der Welt“, Hollywood-Diva Grace Kelly (echt wahr!), bis zu dem nicht so schönen Thema Corona.

Guido Cantz © Porz Entertainment / Patrick Liste
Genau dieses Virus hat die im deutschsprachigen Entertainment-Geschäft wohl schönste männliche Blondine (hach, die Gene!) neben Heino und HP Baxxter nicht nur geschäftlich, sondern auch gesundheitlich erwischt. Im November musste Cantz Showauftritte absagen. Die heutige „Verstehen Sie Spaß“-Sendung ist davon nicht betroffen; sie wurde bereits am 12. Oktober aufgezeichnet. Die erste Frage an ihn muss lauten:

Hallo Herr Cantz, wie geht‘s?

Offensichtlich gut. Die Stimme vielleicht noch leicht nasal, präsentiert sich der Genesene im Video-Chat frisch und fesch im Janker. Noch ein Schluck von dieser zuckrigen Plörre, die angeblich Flüüügel verleiht, dann geht’s los. Stets im gespannten Blick: das Smartphone. Denn an diesem Tag soll bekannt gegeben werden, ob der Sitzungskarneval stattfinden wird. Wird er nicht, wie man jetzt weiß.

Als „Mann für alle Fälle“ ist Guido Cantz im Kölner Karneval groß geworden. Er war noch BWL-Student, als er den ersten Gag als Rudi-Carrell-Imitator („Besser ein Holländer auf der Bühne als zwei auf der Autobahn“) unters Volk brachte. Ein Riesenlacher damals! Und Cantz voll drauf auf der Droge Applaus. Seither hat er viele Bühnen betreten und bespaßt. Exakt 30 Jahre Jux und Dollerei liegen hinter ihm, vom Saaltheater Geulen in Aachen-Eilendorf bis zu den Bavaria Studios in München-Geiselgasteig, wo „Verstehen Sie Spaß?“ aufgezeichnet wird.

Der Karneval, sagt Guido Cantz, sei eine „super Schule“, weil man lernt: Wie funktioniert Humor? Wie kommt er bei Leuten an, die unterschiedlich ticken? Wer schwerer auf Touren zu bringen ist, ein Saal beschwipster Karnevalisten kurz vor Mitternacht oder Fernsehspaßpublikum um Viertel nach acht, ist für ihn keine Frage: Zwei ganz unterschiedliche Disziplinen! Um mit einer Legende, die auch bei Fernsehleuten weit verbreitet sei, aufzuräumen: „Viele glauben, dass Karneval kein Niveau hat. Ich behaupte, wer sich als Redner im Kölner Karneval durchgesetzt hat, muss qualitativ hervorragend sein. Die Leute in einem Saal, in dem permanent Bewegung und Ablenkung ist, zum Zuhören zu bekommen, ist deutlich schwieriger als in einem Fernsehstudio mit fokussiertem Publikum.“

Mag sein, dass sich Guido Cantz aufgrund dieser Qualitäten so lange, nämlich zwölf Jahre bei „Verstehen Sie Spaß?“ halten konnte. Keiner war so lange als Gastgeber dabei wie er. Selbst Show-Erfinder Kurt Felix mit seiner „Blue Bayou“-Paola nicht. Cantz‘ simple Erklärung: „Ich glaube, es hat einfach gut gepasst. Oder wie man heute sagt: Es hat gematcht.“

Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass es in all den Jahren durchaus auch schwere Beziehungskrisen gab. Nicht unbedingt zwischen Guido Cantz und den Fernsehzuschauern. Er hat das Samstagabendformat in für die ARD seltene Marktanteilshöhen gebracht durch kleine Modernisierungen wie etwa die Rubrik er/sie/es hat es verdient, reingelegt zu werden. Auch der parallel zu Cantz‘ Einstieg als Moderator gestartete YouTube-Kanal zählt mittlerweile 1,35 Millionen Abonnenten und damit potenziell 1,35 Millionen lineare ARD-Gucker U-60.

Doch von Anfang an hatte „Verstehen Sie Spaß?“ Kritiker – und hält sich trotzdem seit 1981. Warum das so ist? „Weil das Humorprinzip, seitdem Leute übereinander lachen, immer das gleiche ist: Einer bekommt die Torte ins Gesicht. Und die anderen haben Spaß“, erklärt Cantz.

 

Für uns Komiker ist das Humorgeschäft schwerer geworden.

 

Nur so einfach ist es dann doch nicht. Dass sich nicht mehr auf einen Nenner bringen lässt, woran alle Spaß haben, bekam Guido Cantz krass zu spüren, als er in Lockvogel-Rollen, wie man heute sagt, „kulturelle Aneignung“ betrieb. Schon bei seinem türkischen Putzmann vor sieben Jahren und später, noch schlimmer, dem südafrikanischen Daddy mit schwarzer Farbe im Gesicht war Skandalalarm. Und der Gescholtene, so liest man es in seinem Buch, fühlte sich prompt ungerecht behandelt: Warum regte sich damals denn niemand auf, wenn sein Humor-Kollege Kaya Yanar den Inder Ranjid spielte? Der sei doch qua Geburt so wenig Inder wie er Türke. Ergo: Wenn man meine, dass nur noch ein Türke einen Türken spielen dürfe, sollte man so fair sein und den gleichen Maßstab auch bei anderen Komikern ansetzen.

Inzwischen hadert Kaya Yanar mit der Ranjid-Figur, und auch andere Komiker und Komikerinnen haben ihr früheres Schaffen auf Rassismen abgeklopft. Ja, die Grenze, was politisch korrekt ist, habe sich verschärft, sagt Cantz heute. Die innere Schere, geht das, ist das richtig, wer könnte sich aufregen, schnappe nun auch bei jeder Idee-Entwicklung für „Verstehen Sie Spaß?“ zu. „Für uns Komiker ist das Humorgeschäft auf jeden Fall schwerer geworden.“ Lachend schiebt er einen Witz mit tiefem Ernst hinterher: „Irgendwann werden wir wie im Fußball einen Schiedsrichter brauchen, der per Videobeweis auf der Bühne einschreitet, wenn ein Witz nicht in Ordnung war.“

Wenn er dann noch, wie man im Buch liest, bei der jüngeren Generation von Comedians die Tendenz beobachtet, dass mitunter „Coolness vor Pointe“ gehe und sich manche vor dem Mikrofon ständig „Haltungsapplaus“ abholten, aber in den Kulissen anders redeten, dann klingt das nach einem Humorveteran, der sich aus der Zeit gefallen fühlt, oder etwa nicht?

„In gar keinem Fall!“, antwortet Cantz, „so alt bin ich doch noch gar nicht.“ Im Gegenteil. Er fühle sich „jünger und vitaler als 50“. An den Einschaltquoten sehe er, dass gerade in der Pandemie sein Ansatz von Humor und Unterhaltung absolut gefragt sei, nämlich: „Aktualität und gute Punchlines. Nur Haltung ist mir zu wenig.“ Aber hat nicht der Spaßfaktor nachgelassen? Zieht er sich nicht deshalb jetzt vom Samstagabendfernsehen zurück? Wieder kommt ein bestimmtes: „Überhaupt nicht!“ Es könne ja durchaus sehr spaßig und spannend sein, „an der Grenze des Humors herumzutänzeln und herauszufinden, na, wie weit kann ich gehen, was kann ich den Zuschauern zumuten?“.

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Mit Blick auf das Bisherige habe er „wirklich Glück gehabt“ und „viele Sachen machen können“, sagt der fleißige Bühnenarbeiter, der zuletzt mit seinem Programm „Blondiläum“ auf Tour war. Aber es kam der Punkt, wo er sich fragte: „Willst du der Spaßvogel bleiben, der du dein Leben lang warst? Wo willst du hin?“ Klar, die Schublade des lustigen blonden Onkels habe er sich selbst ausgesucht. Und genau dort sucht er nun neue Herausforderungen: „Ich bin jetzt 50. Ich will mich verändern. Wenn nicht jetzt, wann dann?“

Der Veränderungswille, das sei kurz dazwischengeschoben, hat seine Grenzen, sobald es Guido Cantz‘ „Markenzeichen“ betrifft. Seit 25 Jahren hält der geborene Fuss (op Kölsch: der Rothaarige) der deutschen Haarfärbemittel-Industrie die Produkttreue. Niemand kann ihm mehr das Blondieren ausreden. Selbst der einstige Geschäftsführer von Sat.1 schaffte es nicht. „Wenn Sie sich international mal umschauen: Kein Moderator einer Quiz- oder Gameshow ist blond“, sagte Roger Schawinski. Cantz blieb hart und blond. Die Show „Deal oder no Deal“ kriegte er 2005 trotzdem.

Guido Cantz © Porz Entertainment / Patrick Liste
Fünf Jahre zuvor war Guido Cantz übrigens selbst Geschäftsführer geworden. Neben der Porz Entertainment gehört ihm auch zu 35 Prozent die Event-Agentur Go, deren größtes Asset er selbst ist. Die Pandemie war und ist für den Firmenchef und sein Team eine harte Zeit. Alle 19 Mitarbeiter waren in Kurzarbeit. „Wir haben es trotzdem geschafft, die Firmen am Leben zu erhalten“, lobt sich der Firmenchef. Sein Ehrgeiz sei, dass es auch so bleibt.

Aus dem 2019 geschlossenen Joint-Venture mit Riverside Entertainment ist bislang ein Quiz für den WDR und die Produktion des New Pop Festival für die ARD in Baden-Baden hervorgegangen. Da passiere „einiges im Hintergrund“, gibt sich Cantz mysteriös. Jetzt, wo er zum Beispiel im Karneval weniger auf der Bühne stehen werde, könne er die Zeit nutzen, um ein paar neue Ideen zu entwickeln. So wie damals für RTLzwei, als er die aus seiner Sicht „Humor-technisch eigentlich ganz coole Sendung“ „TV-TV“ als Ideengeber und Moderator für ein paar Folgen auf den Schirm brachte. „Das Problem an dieser Sendung war eher der Titel“, sagt er. Denn parallel setzte ein gewisser Stefan Raab auf ProSieben ein ähnliches Konzept um. Und wie es diesem „TV Total“ erging, ist ja bekannt.

Vor der Kamera wird man Guido Cantz als nächstes im Januar in der Riverside-Produktion „Gipfel der Quiz-Giganten“ auf RTL sehen. Und geht es nach ihm, dann will er auch öfter TV-Kabarett machen. Beim „Dieter“, also dem Nuhr, mal einen Stand-up zum Thema Gender-Konformität oder was auch immer machen? Daran hätte er Spaß, dafür hätte er jetzt Zeit. Sein Kopf sei frei, um kreativ zu sein.

Denn „Verstehen Sie Spaß?“ übergibt er ja, wie gesagt, mit dem heutigen Abend an eine Entertainerin, in deren Händen er sein „Baby“ bestens aufgehoben sieht. Die „Barbara“, also die Schöneberger, habe sehr viel Sinn für Humor und lache gern, auch über sich selbst. „Das ist die beste Voraussetzung für diese Sendung“, findet Cantz.

Und nicht nur das: „Verstehen Sie Spaß?“ bevorzugt offenbar Blondinen, nur diesmal und endlich (!) in der weiblichen Ausführung, was Guido Cantz absolut befürwortet: „Gegen Gleichberechtigung im Show-Fernsehen habe ich gar nichts.“ Wie er hat auch seine Nachfolgerin sich die goldene Ehrennadel der deutschen Haarfärbemittel-Industrie redlich verdient. Vor exakt 20 Jahren begann Schönebergers TV-Ruhm mit „Blondes Gift“. Wenn das nicht auch eine gute Voraussetzung ist?