Schon klar, es ist in erster Linie die tolle Landschaft von Cornwall, die Millionen von Zuschauerinnen (es sind überwiegend die weiblichen!) sonntags im Fernsehsessel zerfließen lässt. Entlang der Steilküste mitfahren, aussteigen, Wildblumen pflücken, seufzen, und schon kommt die Jugendliebe um die Ecke . . . Das Bisschen Herz und Schmerz in den Geschichten von Rosamunde Pilcher um die schöne Landschaftsmalerei herum nimmt Frau halt mit, seit es 1993 zum ersten Mal im ZDF pilcherte. Es war der Beginn einer Erfolgsgeschichte, die sich in der Marke „ZDF-Herzkino“ fortsetzte – und auf der ein kleiner Münchner Pay-TV-Kanal 15 Jahre später seine Senderexistenz aufbauen sollte mit einem Versprechen:

„Romance TV bietet den Fahrschein zur emotional geladenen Berg- und Talfahrt in wunderschönen Landschaften, die immer im Happy End münden.“ Sagt Christiane Blum.

Die 44-Jährige ist die Programmchefin von Romance TV. Der unter anderem auf Sky zu empfangende und bei Zattoo zu streamende Nischensender gehört zur Mainstream Media AG und bildet mit den Schwestern Heimatkanal und GoldStar TV die Marke „Fernsehen mit Herz“. Unternehmenssitz ist die Beta Straße in Unterföhring, nicht gerade der romantischste Flecken auf Erden, aber genau dort plant und programmiert Christiane Blum Romantik im Akkord.

Fiktionale Eigenproduktionen sind auch im 15. Sendejahr noch immer Zukunftsmusik. Es fehlen die Partner, die Geld mit einbringen; auch liegt die Priorität von Mainstream Media aktuell auf anderen Geschäftsfeldern. Und so greift die Romance-TV-Chefin eben wie gehabt auf die starken Marken des ZDF-Herzkino zurück: Rosamunde Pilcher, Inga Lindström, Traumschiff & Co. – Kitsch as Kitsch can, 24/7, 365 Tage im Jahr.

Christiane Blum Nahaufnahme © Michael Tinnefeld
Aber, Frau Blum, wäre es nicht höchste Zeit, Fernsehen mit Herz endlich einmal zeitgemäßer zu interpretieren?

Um das zu besprechen, lässt es sich Blums Boss, Tim Werner, nicht nehmen, die ersten Minuten zu unterstützen. Mit dem Aufbau drei neuer FAST-Channel (siehe DWDL.de-Interview) dürfte der CEO eigentlich schwer beschäftigt sein. Aber „Mr. Romance“, wie ihn einst der Unternehmensgründer Gottfried Zmeck taufte, fühlt sich eben noch immer als Vater von Romance TV. Bei der Geburt des Senderbabys, am Valentinstag vor 15 Jahren, war er live dabei.

Die Umstände hätten angenehmer sein können.

2008 war Weltwirtschaftskrise. Geplatzte Immobilienblase in den USA, steigende Ölpreise, Lehman Brothers Pleite, DAX und Dow Jones im Keller – ziemlich wenig Romantik damals in der Welt, bis auf die Hochzeit von Nicolas Sarkozy und Carla Bruni. Auf dem deutschen Kabelfernsehmarkt war gleichwohl viel in Bewegung. Und Gottfried Zmeck, ehemaliger Kirch-Manager und bereits Unternehmer von GoldStar TV und Heimatkanal, war fest davon überzeugt, da muss neben Humtata und „Bergdoktor“ ein neuer Sender her. Im Romantik-Genre, das im Pay-TV bis dato nur RTL Passion besetzte, sah Zmeck eine Chance.

Etwa zwei Jahre Vorarbeit gingen dem Senderstart von Romance TV voraus. Tim Werner, damals noch Verkaufsleiter der ZDF-Tochter Enterprises (heute ZDF Studios), zog im Hintergrund mit Zmeck die ersten Strippen, während eine gewisse Christiane Blum als Redaktionsassistentin beim Männermagazin „FHM“ arbeitete, nicht ahnend, dass sie einmal bei jenem Sender landen würde, wo ihr TV-Liebling aus Kindertagen in der Wiederholungsschleife über die Weltmeere schippert und schippert.

Traumschiff in echt

Geboren in Essen, aufgewachsen in der Vulkan-Eifel, packte die junge Tagträumerin („Ich bin ein sehr harmoniebedürftiger Mensch“) beim gemeinschaftlichen ZDF-„Traumschiff“-Gucken in der Familie die Fernsucht. Die Welt sehen und nebenbei noch ein bisschen Geld verdienen – der Traum ging schneller als gedacht in Erfüllung. Kaum hatte sie sich in die Hotline der Container-Linie von Hapag Lloyd verirrt und als gelernte Schneiderin zu erkennen gegeben, heuerte sie schon tags darauf auf der MS Europa an. Zwar mit Bauschmerzen, weil sie dafür die Aufnahmeprüfung an der Modeschule in Antwerpen sausen ließ. Aber bereut hat sie es nicht. Aus den anfänglich geplanten sechs Wochen auf dem Schiff wurden drei Jahre.

Und was war das für ein Schiff! Kategorie 5 plus! Traumschiff in echt! Entsprechend anspruchsvoll war Blums Job. Für die Garderobe von 280 Crewmitgliedern war sie zuständig, also auch für die geplatzte Hose des Kapitäns, was sogar öfters passierte. „Verrückte Zeit, verrücktes Schiff“, erinnert sich die Seefahrerin a.D. lachend. An Bord sattelte sie später von der Schneiderei um zur Editorial Supervisor; alles, was gedruckt werden musste, vom Tagesprogramm bis zur Speisekarte, lag in ihrer Verantwortung.

Seit jener Zeit auf See weiß sie übrigens: So jung wie Florian Silbereisen auf dem ZDF-„Traumschiff“ sind Kreuzfahrt-Kapitäne in der Wirklichkeit „sehr selten“. Das gilt wohl auch für die anderen mitfahrenden Herrschaften. Dennoch war die Passage auf der MS Europa für Christiane Blum nicht nur eine Kreuzfahrt ins private Glück – sie lernte an Bord ihren Traummann und Vater der beiden Söhne kennen (und nein, es war nicht der Kapitän). Ihre Erfahrung auf dem Entertainment-Dampfer MS Europa machte auch beim Kreuzfahrt-Liebhaber Gottfried Zmeck Eindruck.

„Vielleicht war das für ihn sogar das entscheidende Einstellungskriterium“, lacht Blum. Dass sie auch Medienkommunikation studiert und eigene Kurzfilme gedreht hatte, meist romantischen Inhalts (wie die Romantic Crime Comedy „Dime Novel“ in Anlehnung an Tarantinos „Pulp Fiction“), dürfte die Bewerbungschancen freilich ebenso erhöht haben.

Mit ihrer, so sagt es Tim Werner, „sehr glaubwürdigen Affinität zum Genre Romantik“, machte sich Christiane Blum ab April 2009 ran, Romance TV in der inhaltlichen Tiefe zu konfektionieren. Zunächst nur als Redakteurin und Programmplanerin, seit 2012 in leitender Funktion, die sie von Werner übernahm.

Das Material, mit dem sie zu hantieren hat: Neben „Traumschiff“ und „Rosamunde Pilcher“ aus dem ZDF-Portfolio waren das anfangs auch Bollywood-Filme und Telenovelas. Insbesondere der indische Schmonz funktionierte aber nicht gut und flog bald raus. Romantische ZDF-Ware bekam mehr Programmfläche. Hinzukamen von der ARD RomComs und Serien wie „Tierärztin Dr. Mertens“.

Gottfried Zmeck, Rosamunde Pilcher Pilcher, Christiane Blum © Jirka Jansch Den Star von Romance TV, Rosamunde Pilcher (Mitte, mit Sendergründer Gottfried Zmeck), lernte Christiane Blum 2012 in Berlin im Rahmen der Emmy-Semifinals persönlich kennen. Für die Programmchefin war das ein Höhepunkt: „Die große, warme Aura, die Pilcher versprüht, findet man auch in ihren Büchern wieder.“

Mit der Frage, ob man dem Angebot von Romance TV mit „kitschig“ und „schnulzig“ gerecht wird, stößt man bei der Programmacherin nicht auf Gegenliebe. „Finde ich gar nicht.“ Rosamunde Pilcher oder Inga Lindström seien „wirklich hochwertige Programme“. Und verglichen mit den sehr stark überzeichneten Hallmark-Movies seien sie „noch sehr nüchtern und bodenständig“. Romance TV zeige, was Menschen glücklich macht. „Romantik und Liebe ist letztlich das, was uns alle antreibt und in unserem Leben nicht fehlen darf. Gerade in dieser schweren Zeit.“ Corona, Ukraine-Krieg, Energie- und Klimakrise – bei so viel Negativität wachse die Sehnsucht nach guter Laune. „Und auf unserem Kanal geben wir die Garantie dafür. Wer Romance TV einschaltet, weiß, was man bekommt.“

Im Vorjahr taten das so viele wie noch nie in der Sendergeschichte. Seit 2018 verdoppelte sich der Marktanteil bei den Gesamtzuschauern auf 0,21 Prozent in 2022; vor allem den Frauen 40plus sei Dank. Im Pilcher-Jubeljahr erwartet sie zusätzlich zur üblichen Dosis (dienstags ab 20.15 Uhr Double-Feature, sonntags um 21.45 Uhr) eine umfangreiche Sonderprogrammierung.

Gezeigt wird im Geburtstagsmonat Oktober unter anderem ein Exklusiv-Interview mit der Meisterin der Liebesschnulze. Geführt hat es bereits vor einigen Jahren Alexander-Klaus Stecher. Keiner spielte in mehr Pilcher-Filmen als er, weshalb ihn Romance TV dafür prädestiniert hielt, mit seinem Insider-Wissen den ersten eigenen Podcast zu hosten, und Reisespesen übernahm: Für „BritPod – England at its Best“ reiste Stecher mit Claus Beling, dem Erfinder der ZDF-Verfilmungen, ins Pilcher-Land.

Und herauskam: eine Ode an die schöne Landschaft von Cornwall. Mal wieder.

Modernisierung als Gratwanderung

Doch einmal im Jahr überrascht Romance TV mit einer völlig anderen, Pilcher-fernen Variante von Land- und Leidenschaft. So auch am kommenden 15. Februar.

Christiane Blum Nahaufnahme © Michael Tinnefeld
Am Vorabend der Berlinale wird der Sender im Rahmen einer Gala zum zwölften Mal die „Blaue Blume“ vergeben. Die Auszeichnung, benannt nach einem Gedicht von Josef von Eichendorff, ist sozusagen Blums Baby und in der Kurzfilm-Szene (nicht zuletzt wegen des Preisgelds und der 5000-Euro-teuren Amor-Trophäe aus Meißner Porzellan) inzwischen begehrt. Die Gewinnerfilme, unter Jury-Vorsitz von Bettina Reitz ausgewählt, werden noch am selben, späten Abend gezeigt.

Gerade in diesem Jahr wurden der Senderchefin zufolge „besonders viele unterschiedliche Filme eingereicht, die das Thema Diversität behandeln“. Zum Beispiel die Love-Story „Lieferissimo“ über Tom, der sich unsterblich in einen Pizza-Boten verknallt. Oder „Die Spökenkiekerin und das Fräulein“ über die heimliche Liebesbeziehung zweier Frauen im Münsterland des 19. Jahrhunderts.

Es sind alles Filme, die Blum zufolge „nicht unbedingt den Geschmack unseres Publikums wiederspiegeln“. Das müssten sie aber auch nicht. „Uns geht es in erster Linie um die Förderung des Filmnachwuchs.“ Bei den Screenings an den Filmhochschulen hätten sie gesehen, dass das Thema Romantik kaum Beachtung finde und wenn, dann sehr dramatisch und schwermütig. „Das wollten wir mit unserem Wettbewerb ändern und die Romantik sozusagen neu und leichtfüßig in die Köpfe bringen. Ich denke, das ist uns ganz gut gelungen.“

Mit der „Blauen Blume“ wagt Christiane Blum also mehr, als ihr Sender sonst zeigt. Müsste Romance TV aber nicht das Programm mehr an die heutige Definition von Romantik und Liebe, die über das Konzept Mann liebt Frau hinausgeht, anpassen?

„Unser enger Partner ZDF nähert sich einer zeitgemäßen Interpretation bereits an“, antwortet sie. So wurde im vorigen Jahr in der Rosamunde-Pilcher-Reihe erstmals eine lesbische Hochzeit gefeiert. Wenn Romance TV solche Stoffe angeboten bekomme, sei das allerdings „eine Gratwanderung“, weil sie sich immer fragen müssten: Können wir so was wirklich ins Programm nehmen?

Romance TV sendet ja auch seit 2011 in Polen und recht erfolgreich, auch weil man dort Unterbrecherwerbung im Pay-TV schalten kann, was in Deutschland undenkbar wäre. „Bestrafen uns die Zuschauer dort womöglich mit Nichtachtung, wenn wir uns zu weit aus der Schutzzone hinausbewegen?“ Polen sei halt „einfach anders“. Und Rumänien und Ungarn ist es auch. Im August 2018 zog sich Romance TV nach nur zwei Jahren aus diesen Märkten zurück, aus „medienpolitischen Gründen“ laut Blum. War offenbar nicht einfach unter Victor Órbans Mediengesetzen.

Was die Heile-Welt-Unterhaltung in Deutschland betrifft, ist sich die Romance TV-Chefin sicher, „dass der Bedarf an Wohlfühlfernsehen weiter steigen wird“. Auch ihr eigener, privater Bedarf?

Na ja, romantische Filme schaue sie nicht mehr so viele an, seit sie bei Romance TV arbeite. Skandinavische Krimis seien ihr Ausgleich zum Beruf. Beruflich fühle sie sich in der Romantik-Schiene gleichwohl nach wie vor sehr wohl, aber: „Ich liebe es auch, ins kalte Wasser geworfen zu werden, um weiter zu wachsen.“

Nur, eins stellt Christiane Blum klar: Horrorfilme sind definitiv nichts für sie.