Million Second Quiz© NBC
Oftmals kann sich die Wahrnehmung einer Fernsehshow zwischen daheim auf der Couch sitzend und live vor Ort im Studio sein drastisch unterscheiden. Auf das aktuell in den USA laufende Gameshowevent "Million Second Quiz" trifft diese Tatsache leider nicht zu, da in beiden Fällen das Ergebnis gleich enttäuschend ausfällt. Dabei macht das Grundkonzept neugierig und wurde nach allen Möglichkeiten spektakulär in Szene gesetzt. Vergangene Woche Montag startete die von NBC groß angekündigte Quizolympiade, die ganz Amerika infizieren und die Zuschauer daheim zum Mitspielen animieren sollte. In 1.000.000 Sekunden, oder umgerechnet ca. 11,5 Tagen, müssen die Kandidaten so viele Punkte wie möglich erspielen bis die fünf besten Kandidaten am letzten Tag um den Hauptpreis von 2 Mio. Dollar spielen, dem bisher höchsten Gewinn in der der amerikanischen Gameshow-Geschichte. Was sich recht simpel anhört, stellte sich in der Umsetzung aber umso verwirrender heraus. Als Moderator konnte NBC Ryan Seacrest gewinnen, der bei der Premierensendung sichtlich Mühe hatte, die Spielregeln kompakt und verständlich zu erklären. Das Spiel startete bereits Sonntag zuvor mit einem 867.826 Sekunden-Countdown. In dieser Zeit waren die Amerikaner aufgerufen, online oder per MSQ-App Allgemeinwissensfragen zu beantworten, um so viele Punkte wie möglich zu sammeln und somit die Chance zu bekommen, als erster auf dem so genannten Money Chair zu landen, auf dem der amtierende Champion automatisch 10 Dollar pro Sekunde sammelt, und das sogar während der Werbepausen.



Heidi Klum bei Million Second Quiz© NBC
Die Show begann am Montag mit dem Kandidat Brandon, der in verschieden Spielrunden von Kontrahenten herausgefordert wurde, die selbst auf dem Money Chair Platz nehmen wollten. Wie bei "Wer Wird Millionär" werden den Kandidaten pro Frage immer vier Antwortmöglichkeiten vorgegeben. Teilweise werden die Fragen per Einspieler von NBC-Promis gestellt, unter denen sich bei der Premierensendung befand auch Heidi Klum. Täglich werden in jeder der einstündigen Live-Shows drei Spielrunden absolviert, angefangen mit dem "Challenger"-Duell, gefolgt von der "Line Jumper"-Runde und zu guter Letzt dem "Winner’s Defense"-Duell. "Line Jumper" sind diejenigen Kandidaten, die per App einen herausragenden Punktestand erreichen und von NBC zu Hause überrascht und am gleichen Tag nach New York eingeflogen werden. Leider wirken die Besuche alles andere als überraschend, eher inszeniert. Die vier besten Spieler, die so genannte Winner’s Row, wohnen übrigens direkt neben dem Studio in kleinen Schlafkabinen, wo sie vom Sponsor Subway mit hoffentlich mehr als nur Sandwiches verköstigt werden. Hört sich kompliziert an? Ist es auch.

Sanduhrstudio© M. Müller
Und genau dies wurde der Sendung von Presse und Zuschauern auch zum Vorwurf gemacht. DWDL machte sich am vergangenen Samstag selbst ein Bild vor Ort und wurde Zeuge davon, dass auch das Studiopublikum in Manhattan von dem Konzept verwirrt war. 90 Minuten vor dem Start der Livesendung, die jeden Abend um 20:00 Uhr gesendet wird, sollten sich die Zuschauer vor dem ehemaligen Mercedes-Benz-Gebäude auf der 41st Street zwischen der 10. und 11. Avenue einfinden. Für deutsche Verhältnisse sicherlich eher unüblich musste jeder Gast zuerst einen Securitycheck über sich ergehen lassen. Die Produktionsfirma All3Media hatte sogar einen professionellen Spürhund, der aber glücklicherweise nicht zum Einsatz kam, da offensichtlich keiner der Zuschauer Drogen dabei hatte. Oben auf dem Dach des Gebäudes angekommen erwartete die Zuschauer ein gigantisches Tribünengerüst mit einer überdimensionalen Sanduhr, in dessen Mitte die Spielrunden stattfanden. Sehen Sie hier die Bilderstrecke zum DWDL-Besuch bei "Million Second Quiz":



Ryan Seacrest© M. Müller
Ein Produktionsmitarbeiter erklärte im Gespräch die logistische Meisterleistung: "Das Studio wurde bereits Anfang August gebaut, um auf Nummer sicher zu gehen. Zusätzlich gibt es ein kleines Ersatzstudio innerhalb des Gebäudes, falls das Wetter mal nicht mitspielen sollte." In der Tat wurde New York letzten Mittwoch von einem schweren Unwetter heimgesucht, weshalb die Sendung kurzfristig nach innen verlegt wurde. Fünf Minuten vor der Live-Sendung begrüßte Moderator Ryan Seacrest die Zuschauer kurz und bündig und forderte auf, Fotos zu machen und über Facebook, Twitter und Instagram Freunden mitzuteilen, dass sie gerade Zuschauer beim "Million Second Quiz" sind. Bereits nach der ersten Spielrunde machte sich unter den Zuschauern spürbar eine gewisse Unverständlichkeit breit, was sich in folgenden Fragen bemerkbar machte: "Wo kommt jetzt auf einmal der neue Kandidat her? Wieso verdoppeln sich die Punkte? Wer gewinnt eigentlich am Schluss?" Die allgemeine Unsicherheit führte so weit, dass der Warmupper die Zuschauer neben dem Klatschen sogar zum enttäuschten Seufzen animieren musste. Ryan Seacrest kann kein Vorwurf gemacht werden, dass die Sendung mit Schwachstellen zu kämpfen hat. Während der Sendung bewies er wieder einmal seine Professionalität als eine geplante MAZ nicht lief und er spontan die Eltern eines Kandidaten nachspielte. Die Aufnahmeleiterin meinte daraufhin zu ihrem Kollegen: "Ich liebe ihn für seine Souveränität und Spontaneität." 

Million Second Quiz App© NBC
"Million Second Quiz" stand bereits zum Start unter keinem guten Stern. Am ersten Tag stürzte die App ab und ließ somit tausende von Spielern enttäuscht vor ihren Tablets und Smartphones sitzen. Paul Telegdy, President of Alternative and Late-Night Programming
bei NBC, erklärte im Interview mit dem Hollywood Reporter den Grund für die Serverüberlastung: "Während der ersten Sendung haben 1.000 Menschen pro Minute versucht die App herunterzuladen." NBC konnte das Problem aber glücklicherweise innerhalb eines Tages beheben, indem zusätzliche Server eingesetzt wurden. Die Quoten sahen zum Start bereits eher mittelmäßig aus, da sich nur 6,52 Mio. Zuschauer für die NBC-Gameshow interessierten. Innerhalb der ersten Woche verlor "Million Second Quiz" noch an Boden, so dass am Samstag nur noch 3,03 Mio. Amerikaner einschalteten. Abgesehen vom kreativen Open-Air-Studio mit der gigantischen Sanduhr und der sagenhaften Manhattan-Skyline als Hintergrundkulisse muss "Million Second Quiz" bei einer eventuell zweiten Staffel definitiv die Spielregeln überdenken und ggf. vereinfachen. Die Grundidee ist spektakulär, aber für einen Export der Showidee sollte man zuerst die Fehler der US-Version analysieren.