Wer Serien guckt, verbringt viel Zeit mit fiktiven Figuren in fiktiven Welten, leidet mit, lacht mit, gruselt sich, ist gespannt. Wenn die Serie vorbei ist, ist da eine gewisse Leere, vielleicht sogar eine Traurigkeit. Und dann stellt sich die Frage: "Was gucke ich als nächstes?"

Doch die Fragen: "Was hat die Serie jetzt eigentlich mit mir gemacht? Und wie hat sie das gemacht?" stellt man sich eigentlich viel zu selten. Obwohl sie wichtig sind - wenn ich viel Zeit mit etwas verbringe, will ich doch auch wissen, wie es auf mich wirkt und wie es funktioniert. In dieser sechsten Staffel des DWDL.de-Podcasts "Seriendialoge" soll es deswegen nicht darum gehen, Serien vorzustellen. Sondern darum, wie Serien gemacht werden - und tatsächlich auch darum, was sie mit uns machen. Um den zweiten Aspekt geht es gleich in der Auftaktfolge: Ich spreche mit der Serienforscherin Prof. Dr. Daniela Schlütz über die Wirkung von Serien. Das Gespräch soll die Basis legen für die anderen Folgen der Staffel: In neun Episoden spreche ich mit Menschen, die Serien machen - und zwar in ganz unterschiedlichen Bereichen. Vom Location Scout über verschiedene Drehbuchautoren und -autorinnen über einen Serienmusikkomponisten bis zur Synchronsprecherin und einem Produzenten. Neun unterschiedliche Bereiche, in denen Menschen einen entscheidenden Teil dazu beitragen, dass Serien das werden können, was wir - die Serienguckerinnen und -gucker - so an ihnen schätzen. Mit dieser besonderen Staffel der "Seriendialoge" möchte ich ein besseres Verständnis dafür entwickeln, wie Serien einerseits gemacht werden und wie sie dann andererseits auf uns wirken.

Denn ja, Serien haben ein Wirkung auf uns - was diese Wirkung alles umfasst, ob sie uns bewusst ist oder nicht, welche Rolle die Serienfiguren dafür spielen, warum uns Anti-Helden und -Heldinnen faszinieren - um diese Fragen und noch mehr geht es im Gespräch mit Daniela Schlütz.

Klicken Sie auf folgenden Audioplayer, um die Folge zu hören. 

Empfohlener externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Soundcloud, der den Artikel ergänzt. Sie können sich den Inhalt anzeigen lassen. Dabei können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Unser Gast diesmal: Prof. Dr. Daniela Schlütz

Dr. Daniela Schlütz ist Kommunikationswissenschaftlerin, einer ihrer Schwerpunkte ist die Rezeption- und Unterhaltungsforschung von TV-Serien. Sie ist Professorin für Theorie und Empirie der digitalen Medien an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf.
Sie hat ihre Forschung zu Qualitätsserien als Buch veröffentlicht: "Quality-TV als Unterhaltsphänomen: Entwicklung, Charakteristika, Nutzung und Rezeption von Fernsehserien wie 'The Sopranos', 'The Wire' oder 'Breaking Bad'", Wiesbaden: Springer VS, ISBN 978-3-658-11436-7.
Anlässlich der Buchveröffentlichung hat sie "Serienjunkies" ein Interview gegeben. 
Außerdem hat sie zwei Jahre lang für das Serienblog "Seriesly Awesome" geschrieben.

Prof. Dr. Daniela Schlütz© Ulrike Klode
Nachdem ich das Aufnahmegerät ausgeschaltet hatte, haben Daniela Schlütz und ich eifrig weitergeredet - über Podcasts, die wir gerne hören. Und fast hätte ich darüber vergesse, ein Selfie von uns zu machen.

Weiterführende Informationen zum Gespräch:

Daniela Schlütz hat im Gespräch unterschiedliche Theorien und Studien angesprochen, die wichtigsten habe ich hier verlinkt: 

Studie zu Wissen, das über ferne Länder/andere Kulturen vermittelt wird: Die von Daniela Schlütz genannte Studie zu "Homeland" ist bisher nicht veröffentlicht, es gibt aber eine ähnliche Untersuchung zu "24"

US-Studie zur Darstellung von Muslimen in US-amerikanischen Serien im Vergleich zu einer kanadischen Serie: Dazu gibt es noch keine Veröffentlichung, das Phänomen wurde allerdings auch schon im Bereich Nachrichten untersucht. Hier geht's zur Studie
Die theoretische Basis ist in beiden Fällen die parasocial contact hypthesis. Der mediale Kontakt mit spezifischen Gruppen, die man aus dem echten Leben so nicht kennt, kann auch positive Folgen haben. In der Ursprungsstudie ging es um Homosexuelle. Die Studie ist hier als pdf verfügbar.

Parasoziale Beziehungen und parasoziale Interaktion:
- Wikipedia-Erklärung
- ursprünglich von Horton & Wohl (1956) entwickelt, Aufsatz ist als Nachdruck nachlesbar. 
- als aktuelle Aufbereitung empfiehlt Daniela Schlütz folgenden Aufsatz: Hartmann, T. (2017). Parasoziale Interaktion und Beziehungen (2. Aufl.). Nomos. Als pdf verfügbar: https://www.nomos-shop.de/_assets/downloads/9783848742646_lese01.pdf

Warum fühlen wir uns von traurigen Serien unterhalten? Das ist das Sad Film Paradoxon von Mary Beth Oliver: Wikipedia-Erklärung

Affective Disposition Theory:
- Die Grundaussage: Spannung wird über Figuren erzielt.
Wikipedia-Erklärung
- ursprünglich wurde sie von Zillmann & Cantor (1977) entwickelt
- als aktuelle Aufbereitung empfiehlt Daniela Schlütz folgenden Aufsatz: Raney, A. (2017). Affective disposition theory. In Patrick Roessler, Cynthia Hoffner, & Liesbeth Van-Zoonen (Eds.), International Encyclopedia of Media Effects. Boston: Wiley-Blackwell.
- aktuelle Aufbereitung am Beispiel "Dexter": Schlütz, D., Stock, Y., Walkenbach, J. & Zehrfeld, M. (2010). Mein Freund, der Serienkiller: Zuschauerbeziehung zum Hauptcharakter der TV-Serie "Dexter". tvdiskurs, 14. (4), 73-77. Als pdf verfügbar unter: https://tvdiskurs.de/data/hefte/ausgabe/54/schluetz_etal073_tvd54.pdf

Upward-downward-comparison: Die Theorie des sozialen Vergleichs von Festiger bei Wikipedia erklärt. 

Kultivationshypothese:
- Wikipedia-Erklärung
- ursprünglich: Gerbner, G. & Gross, L. (1976). Living with television: The Violence Profile. Journal of Communication, 26, 172–194.
- ein Text über Gerbner und seine Theorie aus "The Atlantic" von 1997.
- aktuelle Aufbereitung: Rossmann, C. (2013). Kultivierungsforschung: Idee, Entwicklung und Integration. In W. Schweiger & A. Fahr (Hrsg.) Handbuch Medienwirkungsforschung (S. 207-223). Wiesbaden: Springer VS.
- ein "FAZ"-Interview mit einem Kommunikationswissenschaftler über die  Kultivationshypothese in Bezug auf Nachrichten. 
- darunter fällt auch der "CSI-Effekt" - die Fehleinschätzung der Verlässlichkeit von DNA-Proben: Brewer, P.R. & Ley, B.L. (2010). Media use and public perceptions of DNA evidence. Science Communication, 32(1), 93-117.
- am Beispiel "Lindenstraße": Wünsch, C., Nitsch, C. & Eilders, Ch. (2012). Politische Kultivierung am Vorabend. Ein prolonged exposure Experiment zur Wirkung der Fernsehserie "Lindenstraße". Medien & Kommunikationswissenschaft, 60, 176 — 196. Als pdf verfügbar: https://www.m-und-k.nomos.de/fileadmin/muk/doc/Aufsatz_MuK_12_02.pdf 

Begünstigung von Politikverdrossenheit durch Serien: 
- ein Text dazu von "Kinofenster"
- außerdem: 
Dörner, A. (2016). Politserien: Unterhaltsame Blicke auf die Hinterbühnen der Politik. Online verfügbar unter: http://www.bpb.de/apuz/238837/politserien-unterhaltsame-blicke-auf-die-hinterbuehnen-der-politik?p=all 

Mehr zur Studie über Soap Operas von Herta Herzog gibt's bei Wikipedia

Die angesprochene Studie zum Binge-Watching ist bisher noch nicht erschienen, es handelt sich um eine Dissertation, die gerade erst fertig gestellt wurde.
Auch an der Veröffentlichung der Studie zur Rolle der Ästhetik am Beispiel "Hannibal" und der Studie zur sexuellen Identität am Beispiel "Sex and the City" und "Girls" wird noch gearbeitet. 

Danke an Daniela Schlütz fürs Heraussuchen der Links! 

Folgende Episoden der "Seriendialoge" wurden außerdem im Gespräch erwähnt: 
- Seriendialoge (38): Frauenbilder in Serien
- Seriendialoge (19): Wie realistisch sind 'Grey's Anatomy', 'E.R.' und Co.?

Und noch ein Nachtrag: Peggy Bundy aus "Ein schrecklich nette Familie" wurde von Katey Sagal gespielt.