Diese Telegeschichte beginnt am 3. Juni 1970. In Mexiko findet die Fußball-Weltmeisterschaft der Männer statt. Es läuft das erste Gruppenspiel der deutschen Nationalmannschaft. Gegen Marokko tut sich das Team schwer. Zur Halbzeit liegt es 0:1 zurück. Im WM-Studio der „Sportschau“ stehen zwei braune Ledersessel vor einem runden, ebenfalls braunen Couchtisch. Daneben ein Röhrenfernseher auf einem geschwungenen Fuß. Im Hintergrund prangt überlebensgroß der Schriftzug "Mexiko 70" in gelben Lettern auf braun-beigem Grund. Eine gewagte Farbkombination. Vor dieser Kulisse diskutieren Moderator Adolf "Addi" Furler und Experte Fritz Walter über die Leistung der deutschen Auswahl. Es geht um Taktik, mentalen Druck bei Rückstand und die Höhe der Stollen. Ausschnitte des Spiels werden nicht gezeigt. Alles wird nur besprochen. Rund vier Minuten nehmen sie sich dafür Zeit. Dann dreht sich Furler in die Kamera und wendet sich an das Publikum vor den heimischen Fernsehern. Er zögert mit der nächsten Ansage. Offenbar ist ihm nicht ganz wohl bei dem, was nun kommt: „Wir ähm haben jetzt eine etwas merkwürdige Sache, meine Damen und Herren.“

Dazu muss man wissen, dass nur ausgewählte Spiele des Turniers live übertragen werden. Darunter natürlich alle Auftritte der deutschen Mannschaft. Über den Verlauf der restlichen Begegnungen wird lediglich im Rahmen von Zusammenfassungen informiert. Die Frage, die Furler einleitet, lautet, wie am besten mit den Zwischenständen der anderen laufenden Matches umzugehen ist. Schließlich ist es in Deutschland bereits kurz vor Mitternacht. Obwohl die Spiele in Mexiko mit Blick auf zuschauerfreundliche Sendezeiten in Europa vorverlegt sind, beginnt die Partie erst um 23.00 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit. Die Bilder aus den anderen Begegnungen sind planmäßig nach dem Ende des laufenden Spiels und damit erst weit nach Mitternacht dran. Furler erklärt: „Es gibt zwei Lager von Zuschauern, die einen wollen die Halbzeitergebnisse der übrigen Spiele sehen, weil sie vielleicht nicht so lang aufbleiben wollen, um selbst die Berichte noch sehen zu können, die anderen freuen sich auf die Berichte und wollen natürlich jetzt die Halbzeitergebnisse nicht sehen.“

Der Lembke-Effekt

In der Redaktion habe man daher einen Kompromiss gesucht und ihn in der beliebten Spielshow „Was bin ich?“ gefunden. Darin hat ein vierköpfiges Rateteam durch die Beantwortung von Ja-oder-nein-Fragen die Berufe oder Identitäten der Gäste herauszufinden. Bevor jede Runde beginnt, wird der betreffende Beruf oder der Name eines zu erratenden Prominenten auf dem Bildschirm eingeblendet. Wer zu Hause mitknobeln will, ist angehalten, für die Dauer der Einblendung die Augen zu schließen. Dafür schlägt Moderator Robert Lembke mit einem Schlegel auf einen kleinen Gong. Beim zweiten Gong verschwindet die Lösung wieder vom Bildschirm und die Augen können geöffnet werden.

WM Studio Mexiko 1970 © Screenshot: DWDL Adolf Furler und Fritz Walter setzen zur Spoiler-Vermeidung auf den Lembke-Effekt

Dieses vertraute Ritual möchte man bei der Bekanntgabe der Halbzeitergebnisse übernehmen, um beiden „Lagern von Zuschauern“ gerecht zu werden. Entsprechend stellt er das anschließende Verfahren als „Lembke-Effekt“ vor. „Wenn wir jetzt also die Halbzeitergebnisse einblenden, geschieht das mit Ankündigung durch einen Gong. Bitte seien Sie so liebenswürdig, wenn sie nicht hinsehen wollen, machen Sie die Augen zu für den Moment.“ Gong. Es folgt ein Umschnitt auf eine schmucklose Tafel, auf der die Zwischenstände von drei anderen Begegnungen ganz nüchtern aufgelistet sind. Nach ein paar Sekunden erklingt der angekündigte zweite Gong. „Dankeschön für ihr Verständnis.“ Der Moderator ist sichtlich erleichtert und leitet zum nächsten Thema über: Eine Zusammenfassung der Aufstiegsrunde des dritten Spieltags zur Bundesliga.

Furler versucht hier zu verhindern, dass den Fußball-Interessierten durch die Mitteilung der Halbzeitergebnisse die Spannung an den späteren Spielberichten verdorben wird. Er verhält sich dabei nicht anders, als wenn heute über die Handlung von Serien oder Filmen gesprochen wird. Er versucht – äußerst ungelenk – einen Spoiler zu vermeiden. Allein der Begriff ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht etabliert.

Alles ist verdorben.

Heute ist im allgemeinen Sprachgebrauch längst klar. Ein Spoiler ist die Vorwegnahme von handlungsrelevanten Informationen, mit denen das Vergnügen an einer Erzählung beeinträchtigt werden kann. Der Ausdruck geht auf einen Beitrag zurück, der im Jahr 1971 in der April-Ausgabe des amerikanischen Unterhaltungs- und Satiremagazins „National Lampoon“ veröffentlicht wurde. In ihm offenbarte der Humorist Doug Kenney absichtlich den Ausgang von einer Reihe bekannter Werke wie „Citizen Kane“, „Psycho“, „Die Vögel“ und „Der Pate“ - hier ist der Roman von Mario Puzo von 1969 gemeint. Übertitelt war diese Aufzählung mit dem Wort „Spoilers!“.

Kenney wollte die Lesenden mit seinen Enthüllungen von (zu diesem Zeitpunkt eigentlich bekannten) Stoffen nicht mutwillig verärgern, sondern eher spielerisch sticheln. Dies ließ zumindest seine mitgelieferte Begründung vermuten. Demnach wären Spoiler wie eine Abkürzung zu verstehen, mit deren Hilfe Zeit und Geld gespart werden kann, weil das Ansehen oder Lesen eines Werks nicht mehr nötig ist. Trotz ihres satirischen Hintergrunds fand die Umdeutung des Verbs „(to) spoil“ raschen Einzug in die popkulturelle Auseinandersetzung mit Filmen und Serien. Im Deutschen ist es am besten mit den Worten „verderben“ oder „ruinieren“ zu übersetzen. Mittlerweile haben sich Spoiler zu einem omnipräsenten Phänomen entwickelt, das Gespräche unter Freunden, die Lektüre von Tageszeitungen und Online-Mediendiensten, das Scrollen von Newsfeeds in sozialen Netzwerken und sogar die Produktion von Filmen und Serien beeinflusst.

Spielverderber der Nation

Obwohl der Terminus zur Fußball-WM in Mexiko noch unbekannt war, war das Fernsehvolk mit Spoilern bereits bestens vertraut. Spätestens seit dem Januar 1962, als der wahrscheinlich größte Spoiler der deutschen TV-Geschichte das gesamte Land erzürnte. Der Vorfall stand im Zusammenhang mit dem Krimi-Mehrteiler "Das Halstuch", der von der Aufklärung eines grausamen Mordfalls im idyllischen Dorf Littleshaw in Hertfordshire erzählte. Um die Dimension zu verstehen, muss man wissen, dass bei jeder der sechs Folgen mit jeweils einer Länge von etwa 40 Minuten das Leben in Deutschland fast zum Erliegen kam. Die Kneipen und Restaurants blieben an diesen Abenden leer. Volkshochschulkurse, Jahreshauptversammlungen, Sport- und Wahlveranstaltungen fielen wegen mangelnder Beteiligung aus. Theatervorstellungen und Kinovorführungen wurden abgesagt. Teilweise musste sogar die Produktion in den Fabriken gedrosselt werden, weil die Nachtschicht nicht vollständig besetzt werden konnte. So sehr fieberten die Menschen mit. Die Redewendung "Straßenfeger" war geboren und wörtlich zu nehmen.

Horst Tappert und Dieter Borsche im Straßenfeger © IMAGO / United Archives Per Zeitungsanzeige enttarnt: Dieter Borsche (r.) neben Horst Tappert im Straßenfeger "Das Halstuch"

Befragungen des Marktforschungsinstituts Infratest jeweils am Tag danach ergaben, dass jedes Mal rund 90 Prozent der 5,89 Millionen Fernsehgeräte des Landes „Das Halstuch“ eingeschaltet hatten. Wie viele Personen die Episoden tatsächlich sahen, ließ sich nicht zuverlässig ermitteln, denn oft saß die gesamte Familie mit Freunden und Nachbarn vor einem Gerät.

Zu diesem enormen Erfolg trug entscheidend die Tatsache bei, dass jedes Kapitel mit einem Cliffhanger endete. Das war damals eine echte Neuheit, die ihre Wirkung offenbar nicht verfehlte. Danach liefen die Diskussionen und Spekulationen um die Identität des Mörders im Freundeskreis oder im Betrieb heiß. Wetten konnten abgeschlossen werden und im Rundfunk gaben Prominente ihre Vermutungen ab. Das Land hielt die Spannung kaum aus. Alle wollten wissen, wer die hübsche Faye Collins mit einem Halstuch erdrosselt hat.

Am Mittwoch, den 17. Januar 1962, stand endlich das große Finale an, das die heiß ersehnte Entlarvung des Mörders versprach. Die Fernsehnation wartete ungeduldig, doch dann geschah das Ungeheuerliche. Am Vorabend erschien in der Berliner Boulevardzeitung „Der Abend“ eine kleine Anzeige, die die Auflösung frei herausplauderte. Dort war zu lesen: „Nicht zu Hause bleiben, denn was soll’s: Der Halstuchmörder ist Dieter Borsche …… Also: Mittwochabend ins Kino!“ Dieter Borsche war hierbei der Name eines Schauspielers des Mehrteilers, was darauf hinwies, dass dessen Figur, der Maler John Hopedean, der Schuldige war.

Unterschrieben war das Inserat mit „Genosse Münchhausen“. Dieser Hinweis führte die Spur unmissverständlich zum Kabarettisten Wolfgang Neuss, der zu jener Zeit gerade die Dreharbeiten an dem Film mit jenem Namen beendete.

Bis zu seinem Tode bestritt er, die Anzeige aus Reklamegründen geschaltet zu haben. Vielmehr wäre er vom Rummel um „Das Halstuch“ genervt gewesen. So soll er in den vergangenen Tagen fünf Anrufe von Reportern bekommen haben, die von ihm einen dieser Prominenten-Tipps auf den Halstuch-Mörder einsammeln wollten. Mit der Anzeige konnte er diesem Treiben endlich ein Ende bereiten. Und das für 787,15 Mark. So viel soll das verräterische Inserat damals gekostet haben.

Sein Plan ging allerdings nicht auf. Das Finale konnte die Sehbeteiligung im Vergleich zu den vorherigen Abenden weiter steigern - auf 93 Prozent. Der deutschen Neugier hat die Aktion offenbar nicht geschadet. Wohl aber Neuss als Verfasser der Anzeige, der als „Spielverderber der Nation“ beschimpft wurde und Morddrohungen erhielt. Die "Bild"-Zeitung lastete ihm gar „Vaterlandsverrat“ an. Seinen Film wollte nach seinem unsportlichen Verhalten erst recht niemand mehr sehen. Neuss selbst rechtfertigte sich später immer wieder damit, dass er den Namen des Mörders schlicht erraten habe und rein zufällig richtig lag. Zugleich behaupten viele Berichte, dass er den Tipp von seiner Mutter erhalten habe, die dieselbe Pediküre wie Borsches Ehefrau besucht hatte und von dort die streng vertrauliche Information bekommen haben soll.

Genosse Münchhausen von und mit Wolfgang Neuss © IMAGO / United Archives Genosse Münchhausen von und mit Wolfgang Neuss - nach dem Riesen-Spoiler blieb die Lust auf den Film gedämpft...

Neuss‘ Vorgehen erinnert an einen anderen Vorfall, der sich im Jahr 1991 zur Deutschlandpremiere der US-Krimiserie „Twin Peaks“ beim Fernsehsender RTLplus ereignete. Mit dem Ziel, das Interesse an der Produktion von Beginn an zu schmälern, enthüllte der Konkurrent Sat.1 wenige Tage vor dem Start der Ausstrahlung in seinem Videotext den Mörder von Laura Palmer und dessen Motiv. Diese Begebenheit ist so spektakulär, dass sie eine eigene Telegeschichte füllt, die hier zu lesen ist.

Breaking Everything

Als man am 01. Oktober 2013 die Medienseite der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" aufschlug, fand sich dort ein Artikel, der ausführlich das Finale der US-Fernsehserie „Breaking Bad“ rezensierte. Eigentlich ein Vorgang, wie er tagtäglich dutzendfach zu beobachten ist. Dennoch löste ausgerechnet der scheinbar unauffällige Artikel eine außerordentliche Welle der Empörung aus. Nicht nur unter verärgerten Fans, sondern ebenso unter vielen Journalist:innen, die ihr Unverständnis in konkurrierenden Zeitungen und Online-Diensten zum Ausdruck brachten. Die Überschriften ihrer Texte trugen übereinstimmend den gleichen Tenor und warfen der "FAZ" vor, das Finale "verraten" ("Focus"), "hinausposaunt" ("Meedia") oder "ausgeplaudert" ("Horizont") und den Fans das Ende der Serie "versaut" (DWDL.de) zu haben.

Worin bestand nun die Ursache für diese Reaktionen? Der Text verriet in aller Ausführlichkeit jedes Detail der Handlung, die in dieser Episode nach fünf Jahren ihren Höhepunkt erreichte. Zu lesen war, welches Schicksal der Hauptfigur Walter White widerfährt. Welche Charaktere überleben, welche nicht. Wenn sie sterben, auf welche Art und durch wen. Selbst kleinste Plot-Twists sind beschrieben. Dazu waren die Ausführungen mit einem großen, anschaulichen Szenenfoto illustriert, das aus einer der letzten Minuten stammte. Und das alles ohne Vorwarnung oder einen entsprechenden Hinweis.

Breaking Bad © IMAGO / Cinema Publishers Collection Walter White und Jesse Pinkman
Zum Glück wies der Medienjournalist Stefan Niggemeier kurz vor der Veröffentlichung des Artikels via Twitter auf dessen Gefahr hin: "Servicetweet: Totaler Breaking-Bad-Spoiler, inkl. großem Foto der Schluss-Szene morgen auf der Medienseite der FAZ." Erst dadurch wurden die anderen Redaktionen auf den Vorfall aufmerksam und konnten die Warnung weiterverbreiten.

Entscheidend war zudem der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels, die zwar wenige Tage nach der Premiere der entsprechenden Folge im US-amerikanischen Fernsehprogramm erfolgte, aber noch vor der deutschen TV-Premiere. Diese stand erst am Abend des Erscheinungstages der Rezension an. Die "FAZ" hat mit ihrem Text und durch das verräterische Foto wesentliche Teile der Handlung beschrieben, bevor Interessierte in Deutschland die Möglichkeit hatten, sich die betreffenden Szenen legal anzusehen. Wie schwer eine Missachtung dieser Konvention wiegt, zeigte die Reaktion des "DWDL"-Chefredakteurs Thomas Lückerath, der der Verfasserin der verfrühten "Breaking Bad"-Kritik in der FAZ eine "Medieninkompetenz" bescheinigte.

Kurioserweise ist unter den Kommentaren zu Niggemeiers ‚Servicetweet‘ eine Anmerkung des damaligen "FAZ"-Herausgebers Frank Schirrmacher zu finden, in der sich dieser für den Hinweis bedankt. Offenbar war auch er erleichtert, vor dem Spoiler seiner eigenen Zeitung beschützt worden zu sein.

The Walking Spoiler

Der Zeitpunkt der Bekanntgabe einer Information ist demnach zwingend darauf abzustimmen, dass das zu erreichende Publikum überhaupt eine Möglichkeit hat, die entsprechende Story zu rezipieren. Das ist durch digitale Aufzeichnungsgeräte, DVD-Boxen und internetbasierte On-Demand-Dienste längst zu einer Herausforderung für Verantwortliche und Redaktionen geworden. Je weniger Fans denselben Inhalt zur selben Zeit im selben Tempo und in derselben Taktung nutzen, desto größer gerät die Gefahr für Spoiler.

Erschwerend kommt hinzu, dass Meldungen und Diskussionen nicht mehr in abgeschlossenen Gruppen fernab einer breiten Öffentlichkeit verhandelt werden. Sie zirkulieren nun in sozialen Netzwerken und somit in weitgehend öffentlichen Räumen, die weltweit zugänglich sind. Dort werden offizielle Presse-Veröffentlichungen, journalistische Beiträge, Fan-Infos, Musikvideos, jubelnde Kommentare oder enttäuschte Tweets, ironische Gifs und kreative Memes aus der ganzen Welt von automatisierten Algorithmen oft ohne entsprechende Markierung (gewollt und ungewollt) permanent in die Timelines und Newsfeeds der Nutzenden gespült.

Welche Auswirkungen ein fehlendes Bewusstsein für diese Prozesse haben kann, bekam der US-Kabelsender AMC am Zorn vieler Fans seiner Serie "The Walking Dead" im Herbst 2014 zu spüren. Zuvor hatte er direkt nach der Fernsehpremiere der Folge "Coda", in der ein wichtiger Charakter stirbt, auf seinem Twitter-Account ein Foto veröffentlicht, auf dem die Leiche dieser Figur zu erkennen und mit einem eindeutigen Hashtag versehen war.

Dabei aber orientierte sich der Kanal einzig am Sendetermin der US-amerikanischen Ostküste und übersah, dass wegen der Zeitverschiebung die entsprechende Episode an der Westküste nicht einmal begonnen hatte. Außerdem war die Botschaft von Fans in anderen Ländern zu empfangen, wo die Ausstrahlung der Szene erst Tage, Wochen oder gar Monate später anstand. Die massiven Proteste bewegten die Verantwortlichen letztlich dazu, sich im Rahmen eines weiteren Social-Media-Posts offiziell zu entschuldigen. Hierbei nutzten sie immerhin selbstironisch den Hashtag "#RIPSpoiler".

Bitte nicht verraten!

Alfred Hitchcock © IMAGO / Ronald Grant Hatte Horror vor Spoilern: Alfred Hitchcock
Ein Bewusstsein, dass durch die Vorwegnahme von handlungsrelevanten Informationen das Vergnügen an einer Erzählung beeinträchtigt werden kann, lässt sich kulturhistorisch einige Jahrzehnte und auf Medienformen jenseits der Fernsehserie zurückverfolgen. So endet das Theaterstück "The Mousetrap" von Agatha Christie, das seit 1952 (fast) ohne Unterbrechung im Londoner West End aufgeführt wird, nach der Entlarvung des Mörders allabendlich mit der Bitte an das Publikum, den Ausgang des Stücks nicht weiterzuerzählen, sodass auch künftigen Besuchenden der Spaß nicht verdorben wird.

Einer Legende zufolge soll der Regisseur Alfred Hitchcock vor der Premiere seines Schockers "Psycho" alle verfügbaren Ausgaben von Robert Blochs Romanvorlage aufgekauft und hierdurch aus dem Verkehr gezogen haben, um die Auflösung als ein Geheimnis bewahren zu können. Zusätzlich ließ er Anzeigen in Tageszeitungen schalten, in denen er diejenigen, die den Film bereits gesehen hatten, anflehte, das Ende bloß nicht weiter zu verraten. Dort war zu lesen: "Please don’t give away the ending, it’s the only one we have."

Spoilerwarnungen

Die Beispiele zeigen, welche großen Anstrengungen Autor:innen schon in Vor-Internetzeiten aufbringen mussten, um das Vergnügen an ihren Erzählungen vor Spoilern zu schützen. Eine enorme Herausforderung stellt das Phänomen ebenso für viele Kritiker:innen dar, besteht deren Anspruch doch darin, Geschichten fundiert zu rezensieren und über diese nicht nur vage und andeutungsreich zu schreiben. Im Netflix-Zeitalter verfügen Serien und Filme aber über keinen verlässlichen Zeitpunkt mehr, an dem angenommen werden kann, dass sie allgemein bekannt sind. Es ist deshalb faktisch unmöglich, über die Handlung einer Serie noch frei zu sprechen.

Als ein Ausweg hat sich das Voranstellen einer Spoiler-Warnung (oder "spoiler alert") durchgesetzt, wodurch die Offenbarung relevanter Handlungselemente angekündigt wird. Solche Spoiler-Warnungen finden sich längst in nahezu allen film- oder serienbezogenen Publikationen. Sie alle haben ihren historischen Ursprung rund um das Jahr 1980, als an mehreren Stellen die Verwendung von solchen Ankündigungen erstmals dokumentiert wurden. So sind derartige Hinweise auf der Mailinglist "SF-Lovers" in Diskussionen zum Film "Star Trek – Der Film" wiederholt ausgerufen worden. Kurz darauf waren in einer Newsgroup im Usenet wenige Tage nach der Veröffentlichung von "Star Trek II: Der Zorn des Khan" wieder mehrere Kommentare, in denen Details zur Story enthalten waren, mit einem Spoiler-Alarm ("SPOILER ALERT") versehen. Darüber hinaus hatte der Autor Spider Robinson in seinen Buchrezensionen, die er zu jener Zeit für das Magazin "Destinies: The Paperback Magazine of Science Fiction and Speculative Fact" verfasst hat, ebenfalls einen Spoiler-Alarm platziert, sobald er über das Ende einer Geschichte schrieb.

Im Grunde hat Adolf Furler mit seinem Gong unbeabsichtigt eine der ersten "Spoiler-Warnungen" im deutschen Fernsehen ausgesprochen. Ob er damals in der piefigen Kulisse schon ahnte, dass er kaum ein halbes Jahrhundert später als Trendsetter angesehen wird?

Die Partie gegen Marokko konnte die deutsche Auswahl nach der Halbzeitpause doch noch herumdrehen und 1:2 für sich entscheiden. Als Gruppen-Erster besiegte sie im Viertelfinale den amtierenden Weltmeister England. Im Halbfinale unterlag das Team schließlich in einem kraftraubenden Match ihren Gegnern aus Italien. Im sogenannten "Jahrhundertspiel". Am Ende schloss Deutschland den Wettbewerb (Achtung Spoiler!) als Dritter ab. Das Turnier in Mexiko war übrigens das erste, bei der dank des PAL-Systems das Fernsehbild einer Fußballweltmeisterschaft in Farbe ausgestrahlt wurde. Das allerdings ist eine ganz andere Telegeschichte.