Barbara Salesch kennt das Daytime-Fernsehen vermutlich so gut wie kaum eine andere. Entsprechend weiß die TV-Richterin, deren Show schon vor über 25 Jahren zum Erfolg wurde, wie sich die Branche verändert hat. "Früher haben wir 200 neue Folgen pro Jahr produziert und mindestens 180 davon wurden gesendet", erinnerte sich Salesch jüngst im DWDL.de-Interview. "Inzwischen werden immer mehr Wiederholungen zwischen die Erstausstrahlungen gemischt. Die Sendungen selbst produzieren wir dagegen im gleichen Rhythmus wie früher, weil das aus Kostengründen gar nicht anders geht."

Tatsächlich haben die Privatsender die Zahl der Erstausstrahlung vieler Formate im Nachmittagsprogramm drastisch reduziert - ganz zu schweigen davon, dass Vormittags-Sendeplätze, auf denen einst noch Game- und Talkshows liefen, inzwischen ganzjährig mit Wiederholungen bespielt werden. Hier wird sichtbar, wie sehr die Privaten auf die Kostenbremse drücken. Genauso wie im Übrigen auch am späten Abend, wo einst Harald Schmidt oder Stefan Raab an vier Abenden pro Woche mit ihren Shows das Publikum zu Lachen brachten.

Man könnte den Eindruck gewinnen: Nur die Primetime zählt. Doch ganz so einfach ist es freilich nicht, schließlich lässt sich auch tagsüber schon ein großes Publikum erreichen, wie etwa der ZDF-Dauerbrenner "Bares für Rares" tagtäglich beweist. Oder auch Saleschs inzwischen zu RTL gewechselte Gerichtsshow, die in diesem Jahr bislang - über alle Ausstrahlungen hinweg - pro Folge im Schnitt über 700.000 Zuschauerinnen und Zuschauer zählt. Das ist eine Reichweite, die manch teuer produzierten 20:15-Uhr-Programm nicht gelingt. Kein Wunder also, dass das ZDF Werbefernsehen die Zeit vor 20 Uhr schon seit Jahren als "neue Primetime" bewirbt.

Lennart Harendza © ProSiebenSat.1/Dennis König Photographie Lennart Harendza
In der Primetime versammle man zwar üblicherweise sehr viele Zuschauerinnen und Zuschauer vor dem Fernseher, sagt Lennart Harendza, Co-CEO des ProSiebenSat.1-Vermarkters Seven.One Media, zu DWDL.de. "Daher ist die Primetime mit ihren hohen Reichweiten natürlich ein wichtiger und wertvoller Teil unseres Inventars." Und doch ist das eben für klassische lineare TV-Sender nur die halbe Wahrheit. "Wenn man sich die Werbespendings anschaut, verteilen sich diese aber sehr breit über alle Zeitschienen", führt Harendza weiter aus.

Auch Lars-Eric Mann, Chief Marketing Officer der Ad Alliance von RTL Deutschland, macht daher eine Unterscheidung. Primetime und Live-Event blieben wichtig, "denn sie bringen hohe Nettoreichweiten, Sichtbarkeit und schnelle Wirkung". Gleichwohl entstehe erfolgreiche Markenkommunikation "nicht nur in einem Zeitfenster, sondern im Zusammenspiel verschiedener Reichweitenquellen." Manns Botschaft an Werbekunden: "Entscheidend ist, wo ich meine Zielgruppe erreiche."

Lars-Eric Mann © RTL Lars-Eric Mann
Und die muss eben nicht zwangsläufig pünktlich um viertel nacht Acht vor dem Fernseher sitzen. "Daytime-Formate und Dailys wie 'Shopping Queen', 'Gute Zeiten, schlechte Zeiten' oder 'Alles was zählt' liefern kontinuierliche Reichweiten und sind feste Größen im Alltag eines Millionenpublikums – linear wie non-linear", sagt Lars-Eric Mann. So habe die Vox-Show "Shopping Queen" beispielsweise erst kürzlich die stärkste Quote seit Sendestart erzielt. Auch Spartensender ermöglichten eine spezifische Zielgruppenansprache. "Der Mix aus großen TV-Momenten und konstanter Alltagspräsenz bilden das Fundament für nachhaltige Markenwirkung und die bestmögliche Ausschöpfung des Potentials."

Kai Ladwig © Visoon Kai Ladwig
Dass tagsüber hohe Reichweiten möglich sind, hängt indes wohl auch mit der Altersentwicklung der Bevölkerung zusammen - in älteren Zielgruppen läuft der Fernsehen eben auch schon nachmittags. Tatsächlich lassen sich aktuell bereits um 15 Uhr rund acht Millionen Menschen mit linearen Programmen erreichen, zwei Stunden später sind es sogar bereits zehn Millionen. Gleichzeitig wird der TV-Konsum individueller. "Me Time ist die neue Primetime und bedeutet heute nicht mehr für jeden 20:15 Uhr", stellt Kai Ladwig, Geschäftsführer des TV-Vermarkters Visoon, klar. "Die zeitversetzte Nutzung von Mediatheken und On-Demand-Streaming zeigt ja diesen Trend zur subjektiven und individuellen Primetime."

Dass Programmbudgets zulasten der Daytime umgeschichtet werden, ist folglich nur eine Seite der Medaille. Die andere ist: Für viele Zuschauerinnen und Zuschauer beginnt die beste Sendezeit schon deutlich vor 20:15 Uhr.