Viele Menschen, die sich heute bei Unternehmen, egal ob in der Medienbranche oder woanders, bewerben, treten anders auf als noch vor 20 oder 30 Jahren. Immer wieder liest und hört man von Bewerberinnen und Bewerbern, denen die Work-Life-Balance wichtiger geworden ist und die im Zweifel auch auf Geld verzichten, wenn sie dafür Freizeit erhalten. Mobiles und flexibles Arbeiten, flache Hierarchien, moderne Büros oder auch Möglichkeiten für eine längere Auszeit sind inzwischen bei vielen Menschen gefragt, das bestätigen auch die meisten der von DWDL.de befragten Sender und Produktionsfirmen.
Die Corona-Pandemie, so hört man, habe dem Thema New Work ein Push gegeben, vor allem das mobile Arbeiten ist dadurch in vielen Unternehmen befördert worden. New Work hatten viele Firmen aber schon vor dem Ausbruch der Pandemie auf dem Schirm. Und teilweise wird das mittlerweile auch auf höchsten Führungsebenen sichtbar: Bei Radio Bremen etwa teilen sich Brigitta Nickelsen und Jan Schrader ab Januar 2022 die Leitung der Direktion für Unternehmensentwicklung und Betrieb. Man sei schon lange offen für neue Formen des Arbeitens, erklärte Intendantin Yvette Gerner vor wenigen Wochen (DWDL.de berichtete).
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Florian Schneemann
Gerd Vengels, Head of People bei der Deutschen Welle, sagt gegenüber DWDL.de auch, dass Bewerberinnen und Bewerber in der ersten Phase ihrer Beschäftigung intensiv begleitet werden wollen. Deshalb habe man im Unternehmen vermehrt Positionen im Bereich Onboarding geschaffen. "Die Kolleginnen und Kollegen betreuen die neuen Mitarbeitenden persönlich und unterstützen sie bei der Eingliederung ins Unternehmen", so Vengels.
"Gewisse Mindestpräsenz unabdingbar"
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Florian Falkenstein
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Nina Klink
"Diesen Egoschub, der dadurch entsteht, den beobachte ich manchmal auch in Vorstellungsgesprächen. Da werden teilweise ganz andere Forderungen gestellt als früher."
Seapoint-Geschäftsführerin Nina Klink
Erst vor wenigen Wochen hatte das "Handelsblatt" in einem mehrseitigen Special über New Work und die Herausforderungen, die dieses Arbeitsmodell mit sich bringt, berichtet. Die Erkenntnisse dieser Recherche: Führungskräfte tun sich oft schwer damit, ihre Teams aus der Ferne zu leiten. New Work ist außerdem kein Allheilmittel, weil nicht jedes Unternehmen wie Google ist - und auch nicht so sein muss. Die Firmenkultur muss passen und die Mitarbeitenden entsprechend mitgenommen werden auf dem Weg. Carlos Frischmuth, Autor des Buchs "New Work Bullshit" und Manager beim Personaldienstleister Hays, sprach damals mit den "Handelsblatt"-Kollegen über die Frage, ob sich Menschen mit der Arbeit identifizieren müssen, die sie machen. "Vielen Menschen ist die Frage nach dem Sinn von Arbeit schlicht zu groß", sagt er. "Der Großteil der Beschäftigten geht arbeiten, um Geld zu verdienen und den Kredit abbezahlen zu können." Das New-Work-Modell setzt aber auf zufriedene Mitarbeitende, die das, was sie tun, gerne machen. Wenn sich nun alle schlecht fühlen, weil sie ihren Job zwar erledigen, dabei aber keinen Spaß haben, läuft etwas falsch.
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Susanne Aigner
"New Work nicht nur ein Buzzword"
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Julia Reuter
Und Susanne Aigner sagt, als "stark zukunftsgerichtete Branche" sei man schon weiter als manch "klassischer Industriezweig". Das ergebe sich durch die stark digitalisierte Arbeitsweise und die Internationalität. Außerdem habe man Mittel und Wege gefunden, um unter veränderten Bedingungen produzieren zu können. "Aber natürlich gibt es nach wie vor Verbesserungspotenzial und auch innerhalb der Medienbranche sehe ich teilweise deutliche Unterschiede, wie die Unternehmen mit New Work umgehen. Das ist eine große Aufgabe für das Management. Ich denke es ist wichtig, der Belegschaft aktiv zuzuhören, Bedürfnisse zu identifizieren und einen gemeinsamen Weg in diese neue Arbeitswelt zu finden."
Hier und da stößt das Thema New Work in der Medienbranche aber sicherlich an Grenzen. Eben wie bereits erwähnt vor allem dann, wenn es an die Umsetzung bestimmter Produktionen geht. Florian Falkenstein, Geschäftsführer von Janus TV, sagt, es gebe in der Branche durchaus Teilbereiche, "die die Vorzüge von Digitalisierung und flexiblen Arbeitszeiten schon lange nutzen". Projektbezogenes Arbeiten ermögliche zudem auch heute schon eine individuelle Lebensführung. "Andererseits fordert unsere Arbeit oft viel Leidenschaft und die Bereitschaft, auch jenseits eines Achtstundentages individuell und innerhalb eines Drehteams tätig zu sein." Eine vollständige Flexibilisierung der Arbeit und eine komplette Entkopplung von Büros, Sets und Kollegen ist ohnehin nicht möglich.

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