Als ich die erste Folge der neuen HBO-Serie "Westworld" gesehen habe, fand ich sie vielversprechend: ein Vergnügungspark, in dem von Menschen kaum zu unterscheidende Roboter den Besuchern ein authentisches Wild-West-Erlebnis bieten - Gewalt und Sex inklusive, den Robotern darf alles passieren (nachts wird aufgeräumt, und verstümmelte Roboter werden repariert), den Besuchern kann nichts passieren. Meine Gedanken danach in Kurzform: Hier werden spannende Themen angerissen, die mich und viele andere Zuschauer zum Denken anregen, hier werden Grenzen ausgelotet, wie man sie bisher selten gesehen hat. Dann habe ich die Serie gedanklich weggepackt, weil ich sie gerne am Stück gucken wollte, also warten musste, bis alle Folgen gesendet worden waren.

Doch vor gut einer Woche bin ich auf einen Text über die Serie gestoßen, der mich aufhorchen ließ: Willa Paskin hat bei "Slate" den Gedanken ausgeführt, dass "Westworld" keine große Drama-Serie sei, sondern ein komplett neues Genre, nämlich eine Art Game-Serie (zum Text geht's hier). Faszinierend. Ungefähr zur selben Zeit bin ich auf unterschiedliche Texte zur Serie gestoßen, die sich mit den verschiedenen Fan-Theorien dazu beschäftigen (hier sind ein paar zusammengefasst und hier gibt's noch ein paar mehr) - die ich allerdings nicht gelesen habe, um zu versuchen, eigene Theorien zu entwickeln. Und weil es ja immer einfacher ist, mit schon bekannten Variablen zu arbeiten, um sich etwas zu merken, fasste ich das alles zusammen als: Ah, "Westworld" ähnelt also eher "Lost" als "Game of Thrones" oder "The Sopranos". Dann erst habe ich die bisher gesendeten sechs Folgen angeschaut. 

Und ich war enttäuscht. Einerseits. Andererseits: fasziniert. Denn ja, natürlich war es so, wie im Paskin-Text beschrieben. Das, was ich mir erhofft hatte - eine hochkarätige Serie, die spannende Fragen aufwirft und Grenzen auslotet -, ist "Westworld" nicht. Soviel zu meiner Enttäuschung. Jetzt zu meiner Faszination: Diese Täuschungsmanöver, die das Rätselfieber anheizen, sind gut, sehr gut sogar. Normalerweise gucke ich Serien nicht, um Hinweise zu einer Lösung zusammenzusetzen und mitzuraten. Das ist nicht mein Ding. Und ich treibe mich auch nicht in Foren herum, um mir Spekulationen und Hinführungen zu irgendwelchen Lösungen anzuschauen. (Vielleicht bin ich deswegen nie mit "Lost" warm geworden.) Aber jetzt ist mein Jagdfieber bei "Westworld" auch angefacht - nicht, um unbedingt selbst mitzuraten (das mit den eigenen Theorien hat in den Folgen, die ich aufgeholt habe, nicht so gut funktioniert). Sondern um zu verfolgen, was in den Foren so spekuliert wird und gleichzeitig zu verfolgen, wie die Macher Jonathan Nolan und Lisa Joy es schaffen, Fährten zu legen, Irrungen und Wirrungen einzubauen. Übrigens: Jonathan Nolan hat die Vorlage zu Christopher Nolans "Memento" geschrieben und mit ihm zusammen zum Beispiel das Drehbuch für "The Prestige" verfasst, das voller Twists ist. Bei "Westworld" kommt es nicht mehr auf die Charaktere und ihre Geschichte an, sondern auf das, was mithilfe der Charaktere "gespielt" wird.

Wenn ich darüber nachdenke, ist es auch wirklich naheliegend, dass Jonathan Nolan und Lisa Joy aus "Westworld" eine Art Game machen. Schließlich spielt die Geschichte in einem futuristischen Vergnügungspark, genau wie die Besucher dieses Parks werden wir, das Publikum, zu Spielern, die was erleben wollen. Etwas, das sie noch nie erlebt haben. Wo das endet? Wir werden es sehen. Ich bin auf jeden Fall gespannt, welche Twists mich in den nächsten vier Folgen erwarten.

Und zum Schluss noch zwei Gucktipps und ein Hörtipp: 

Was Neues mit Martin Freeman und Adam Brody: "StartUp" ist die schlecht gelaunte, kriminielle Verwandschaft von "Silicon Valley". Es geht um ein FinTech-Start-up, dreckiges Geld und schmutzige Geschäfte. Die Kritiken aus den USA sind zwar nicht doll, trotzdem habe ich nach der ersten Folge Lust, weiterzugucken. Die Serie gibt's seit ein paar Tagen bei Amazon Video (Prime).

Düsteres von der Insel: "Happy Valley" ist eine fesselnde britische Polizeiserie mit einer ungewöhnlichen Protagonistin. Der ARD-Sender One zeigt ab 18. November die erste Staffel. Wer mehr über die Serie wissen will: Es gibt eine "Seriendialoge"-Folge dazu. Sat1-Chef Kasper Pflüger erklärt darin, warum ihn "Happy Valley" so fasziniert: "Seriendialoge (23): Schön düster, dieses 'Happy Valley'"

Wieder ein bisschen Eigenwerbung 😇 : Im Staffelfinale des DWDL.de-Podcast "Seriendialoge" geht es um eine deutsche Serie - und zwar "Deutschland 83". Fernsehmoderator Jan Köppen findet die Serie faszinierend und entdeckt im Gespräch neue Facetten. 

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Jetzt zum wirklich Wichtigen: Wo kann man das gucken, über das ich schreibe?

"Westworld": Die einzelnen Episoden sind nach US-Ausstrahlung verfügbar bei Sky Go/Sky Ticket. Die komplette erste Staffel läuft auf Sky Atlantic HD am 25. und 26. Dezember, in deutscher Synchronisation sind die Folgen dann ab 2. Februar auf Sky Atlantic zu sehen. 

"Lost": Alle sechs Staffeln gibt's zum Beispiel bei Amazon Video, iTunes oder Maxdome. Und auf DVD.

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