Drei Episoden der zweiten Staffel von "Legion" waren bisher zu sehen. Im vergangenen Jahr hat mich die erste Staffel dieser Superhelden-Serie umgehauen, entsprechend begeistert habe ich damals in meinem Kolumnentext darüber geschrieben. Doch dieses Jahr fällt es mir schwer, meine Gedanken zu den neuen Folgen zu sortieren, das Gefühl zu beschreiben, das sie in mir auslösen. Dazu muss ich ein bisschen weiter ausholen: Bei Serien geht es zwar sehr oft darum, dass möglichst komplexe Figuren entwickelt werden, an die das Publikum andocken kann und die es auf einer unerwarteten Reise begleiten kann. Aber längst nicht immer ist die Figurenentwicklung das Entscheidende. Manchmal ist die Welt, die erschaffen wird, wichtiger, die Identifikation mit den Figuren rückt in den Hintergrund, das Publikum entdeckt diese neue Welt und die Geschichten, die darin passieren.

Bei "Legion" trifft allerdings beides nicht richtig zu: Die Figuren sind schwer zu greifen - besonders die Hauptfigur David Haller (Dan Stevens). Und die erschaffene Welt scheint sich ständig zu verändern. Wenn man einmal etwas über diese seltsam fremde und gleichzeitig seltsam vertraute Welt gelernt hat, muss man es entweder kurz darauf oder Folgen später wieder hinterfragen. Wenn es weder die Identifikation mit den Figuren und ihre Entwicklung ist noch das world building - was macht dann den besonderen Reiz von "Legion" aus? Die ungewöhnlichen Ideen und wie sie visuell umgesetzt sind. Und tatsächlich ist "Legion" bisher die einzige Serie, bei der das für mich so ist.

Das war bei der ersten Staffel so - auch wenn ich das erst am Ende der Staffel so formulieren konnte. Und das ist auch bei der zweiten Staffel so. Bisher. Es ist wirklich ein besonderes Vergnügen, wie Showrunner Noah Hawley hier eine Superheldengeschichte umsetzt, die - wenn man es streng betrachtet - eine relativ konventionelle Superheldengeschichte ist (die Welt wird bedroht durch einen Superschurken, der nun vom Superhelden gejagt wird). Auch für die ersten drei Folgen der neuen Staffel gilt also, was für die erste Staffel galt: Ich bin von jeder einzelnen Sekunde fasziniert. Aber: Ich befürchte, dass das nicht von langer Dauer sein könnte. Denn ich habe den Eindruck, dass das Team rund um Noah Hawley immer noch eine Schippe drauflegen will. Es stecken viele verrückte Ideen in der zweiten Staffel, die die erste Staffel übertrumpfen. Selbst unwichtige Details am Bildrand werden überdreht. Und die visuelle Kraft ist um einiges stärker geworden (was viel mit den Regisseurinnen und Regisseuren zu tun hat, die in Staffel 2 im Einsatz sind). Das ist alles großartig. Doch was ist, wenn die Ideen erschöpft sind? Wenn die überdrehten Details das Wesentliche überdecken? Wenn das visuell Ungewöhnliche nur noch aufgesetzt wirkt? Hm. Ich hoffe natürlich sehr, dass mein Eindruck trügt, dass hier das Ausprobieren kein Selbstzweck ist, sondern die Geschichte vorantreiben soll. 

Warum mache ich mir solche Gedanken überhaupt? Die erste Antwort ist naheliegend: Weil mir die Serie nach dem Guckvergnügen in Staffel 1 wirklich wichtig geworden ist. Die zweite Antwort geht weit darüber hinaus: Das, was Noah Hawley da abliefert, ist höchst innovativ. Und während man innovative Ansätze bei Serien in den vergangenen Jahren vor allem in Comedy-Serien und halbstündigen Dramedys finden konnte, ist "Legion" eine der wenigen Drama-Serien, in der etwas Neues ausprobiert wird. Würde das scheitern, könnte sich das auf die Experimentierfreude auswirken, die nötig ist, um neue Wege des Erzählens bereits bekannter Geschichten zu finden. 

Die neuen Folgen von "Legion" laufen mittwochs beim deutschen Bezahlsender Fox, außerdem sind sie nach Ausstrahlung zum Beispiel bei Amazon Video, Maxdome oder Sky Go/Sky Ticket verfügbar. 

Meine (bisher) liebste Szene aus "Legion" ist übrigens die Bolero-Kampf-Sequenz aus Folge 7 der ersten Staffel. Und weil man dieses kleine Meisterwerk nicht oft genug sehen kann, hier der Clip: 

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