RTL unter 10 Prozent, Vox vor Sat.1, ProSieben größter Verlierer

ProSieben: Die Krux mit der jungen Ausrichtung

Wir erinnern uns kurz zurück: Im November 2021 sah es kurzzeitig so aus als könnte ProSieben RTL tatsächlich erstmals die Marktführung in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen streitig machen, auch wenn es letztlich nicht ganz reichte. Von dieser "Schlagdistanz" war 2022 das ganze Jahr hindurch nichts mehr zu sehen. Für ProSieben lief es nochmal ein ganzes Stück schlechter als im Jahr zuvor, in keinem einzigen Monat stand überhaupt eine 9 vor dem Komma, nachdem man im Jahr zuvor noch immerhin bis zu 9,7 Prozent erzielen konnte. Im Jahresschnitt ging es um einen halben Prozentpunkt von 8,7 auf 8,2 Prozent in der Zielgruppe 14-49 nach unten.

Dabei fehlt es ProSieben weniger an Leuchttürmen, als an Verlässlichkeit in der Breite. Mit Show-Highlights aus der Florida-Schmiede, mit "Germany's Next Topmodel", "The Masked Singer", "TV Total" und "Schlag den Star" ist ProSieben mit etlichen Quotenhighlights gesegnet - doch drumherum sah es düster aus, weil mit US-Serien im Free-TV nichts mehr zu holen ist, Info-Formaten wie "ZOL" einfach nicht ihr Publikum finden und auch neue Reality-Formate wie "Love is King" krachend durchfielen. Und dann kam obendrein noch dazu, dass Doppel-Senderchef Daniel Rosemann gerade Sat.1 retten muss und dem Sender daher die Blockbuster am Sonntag von ProSieben zuschob, die ProSieben an diesem so wichtigen weil reichweitenstarken TV-Abend verlässlich solide Quoten beschert hatten. Nachdem der erste Versuch einer Eigenproduktion dort floppte, behalf man sich in den Folgewochen mit der NFL, die zwar besser lief, aber meist erst später am Abend auf ausreichende Marktanteile kam - und dass man dort die Rechte an RTL verlor, stellt ProSieben schon in wenigen Wochen wieder vor das Problem, den Sonntag nun mit Film-Alternativen bestreiten zu müssen.

Vor allem macht ProSieben aber seine junge Ausrichtung zu schaffen. Der Sender schielt inzwischen zwar schon lange nicht mehr nur auf die Altersgruppe U30, sondern sucht nach Formaten, die auch ein älteres Publikum ansprechen - doch als Sender mit dem unter den acht Vollprogrammen mit Abstand jüngsten Durchschnittsalter des Publikums ist ProSieben besonders stark von der Tatsache betroffen, dass die Abwanderung zu Streamingangeboten um so ausgeprägter ist, je jünger die Zielgruppe ist. Dem versucht man bei Seven.One als gesamte Sendergruppe damit zu begegnen, dass man Joyn komplett übernommen und in den Eigenproduktionen sehr jung ausgerichtet hat - doch auf die ProSieben-Marktanteile dürfte dieser demografische Wandel auch weiterhin starken Druck ausüben. 2022 verzeichnete ProSieben jedenfalls nicht nur das größte Minus bei den 14- bis 49-Jährigen (-0,5 Prozentpunkte), sondern auch beim Gesamtpublikum, wo der Marktanteil von 3,7 auf 3,3 Prozent sank. Im Juni und Dezember rangierte ProSieben hier sogar schon hinter Kabel Eins.

Stabilität bringt Vox in die Top 3 der Privatsender

2022 ist das erste Jahr, in dem Vox auf Jahressicht gesehen in der klassischen Zielgruppe in die Top 3 der Privatsender hinter RTL und ProSieben einzieht. Mit einem Jahresmarktanteil von 6,7 Prozent zog man hauchdünn an Sat.1 vorbei, das 6,6 Prozent erreichte. Wobei: "Vorbeiziehen" ist das falsche Wort. Als Wortbild taugt viel eher, dass Vox wie ein Fels in der Brandung stand, während Sat.1 nach hinten gespült wurde. Seit 2020 hält Vox seinen Jahresmarktanteil nun unverändert bei 6,7 Prozent - nur dass Sat.1 vor zwei Jahren noch bei im Schnitt 7,7 Prozent stand.

In Zeiten, in denen nicht nur Sat.1 über die Jahre deutlich an Boden verlor, kann man bei Vox auf stabile Marktanteile jedenfalls schon mächtig stolz sein. Beim Gesamtpublikum zog der Marktanteil übrigens sogar wieder um 0,2 Prozentpunkte auf 4,7 Prozent an. ProSieben (3,3 Prozent) hat man hier schon lange weit hinter sich gelassen, inzwischen rückt aber schon Sat.1 (5,1 Prozent) langsam in Sichtweite.

Der relative Erfolg beruht vor allem auf der Stärke lange bekannter Formate wie "Die Höhle der Löwen", "Kitchen Impossible" oder auch "Goodbye Deutschland", dazu kommt dass das "Perfekte Dinner" am Vorabend gerade das nach Marktanteilen erfolgreichste Jahr seit 2013 abgeschlossen hat - und damit den Versuch von Sat.1, mit einem Kochformat in direkte Konkurrenz zu treten, beeindruckend abschmetterte. Mit der Free-TV-Auswertung von RTL+-Serien tat man sich hingegen aus Quotensicht häufig eher schwer. Um das Quotenniveau auch weiter halten zu können bleibt der Sender also auch künftig vor allem darauf angewiesen, dass die Klassiker weiter ihr Publikum finden.

Quelle für alle Daten in diesem Artikel, sofern nicht anders vermerkt: AGF SCOPE 1.5; Marktstandard: Bewegtbild; vorläufig gewichtete Daten; Tages-MA: Auswertungstyp TV-Zeitintervall; nutzungsbezogen; Sendungsdaten: Auswertungstyp TV; produktbezogen;