Dafne ist frustriert. Gerade hat ihr Freund mit ihr Schluss gemacht, in ihrem Job nervt sie die stupide Arbeit und zu allem Überfluss hat sie sich auch noch in ihren besten Freund verliebt, mit dem sie zusammenlebt. So kann man ganz grob die Prämisse der spanischen HBO-Max-Serie "Dafne and the Rest" umschreiben. Und dann sind da auch noch ihre anderen Freunde, die alle mit mehr oder weniger großen Problemen zu kämpfen haben - oder alles dafür tun, sich Probleme zu machen. 

Mit ihrer neuen Freiheit kann die Transfrau überhaupt nichts anfangen und so suhlt sie sich erst einmal genüsslich in ihrem eigenen Schmerz. Dafne tut sich gerne selbst leid - das lassen ihre Freunde sie auch wissen. Dann meldet sie sich aber bei einer Dating-App an und stolpert von einem Sex-Abenteuer ins nächste. Dabei merkt man schnell: Dafne ist im Herzen eine gute Person, tut sich aber schwer im Umgang mit anderen Menschen. Nach einem One-Night-Stand malt sie sich schon aus, ihr ganzes Leben mit dem Mann zu verbringen - kurz darauf verschwindet der auf Nimmer-Wiedersehen zur Tür hinaus. 

Und auch ein kurzes Abenteuer mit einem wesentlich jüngeren Mann kann Dafne nicht richtig deuten und ist immer wieder eifersüchtig, sobald er sich anderen Frauen widmet. Dabei versucht die Hauptfigur der Serie vor allem eins: Sich ihren besten Freund aus dem Kopf zu schlagen, der seiner Freundin wiederum gerade erst einen Heiratsantrag gemacht hat. 

Die Hauptdarstellerin ist Schöpferin der Serie

Doch die Serie erzählt nicht nur die Geschichte von Dafne, auch ihre Freunde stehen in den acht Folgen immer mal wieder im Mittelpunkt. Da wäre etwa der schwule Pilot Yerai (David Matarín), der auch noch stolz auf seine Oberflächlichkeit ist und der mit dem neuen Freund seiner Mitbewohnerin Eva (María Maroto) überhaupt nichts anfangen kann, was zu einer handfesten Auseinandersetzung führt. Oder Dafnes Arbeitskollegin Amaya (Nuria Herrero), die auf einer Party ihren Freund betrügt. Und natürlich Dafnes Chefin Aurora (Marta Belenguer), die sie erst feuert, sich später aber bei ihr ausheult. 

Dafne and the Rest © RTL/HBO Nordic AB Dafne und ihre Freunde - wohl nicht zufällig auf und um ein Bett herum platziert

Dabei geht es oft darum, wer eigentlich was von wem will und wer jetzt schon wieder etwas falsch gemacht hat. "Dafne and the Rest" ist dabei aber weniger kitschiges Teenager-Drama als das jetzt klingt. Die Serie zeigt immer wieder ganz wundervoll, was Freundschaft ausmacht und wie die verschiedenen Personen auch die scheinbar größten Krisen überwinden, ohne sich heillos zu zerstreiten. Dabei fließen oft Tränen, aber es wird auch viel gelacht - "Dafne and the Rest" bespielt die Gefühls-Klaviatur auf der gesamten Breite und auch das macht die Serie so sehenswert. 

Die Tatsache, dass Dafne seine Transfrau ist, ist zwar immer mal wieder kurz Thema in den verschiedenen Folgen, im Mittelpunkt steht die Geschlechtsumwandlung und ihr "neues Leben" aber nicht. Im Gegenteil: Es geht um die Gefühle, die Dafne hat - nicht als Transfrau, sondern als Mensch. Dass das so hervorragend gelungen ist, liegt an Hauptdarstellerin Abril Zamora, die gleichzeitig auch Schöpferin, Drehbuchautorin und Regisseurin der Serie ist. Zamora, eine in Spanien sehr bekannte Transfrau, weiß, welche Klischees sie lieber umschifft, weil es eben nur Klischees sind. Und sie weiß, wo sie den Finger in die Wund legt, um den Zuschauerinnen und Zuschauern auch ein wenig den Spiegel vorzuhalten. Etwa dann, wenn die Mutter von Dafnes viel jüngerem Lover sie kritisch beäugt - und sich am Ende vor allem daran stört, dass Dafne vermeintlich viel älter ist als ihr Sohn. 

Mal Ensemble-Schauspiel, mal Kammerspiel

Die Serie feierte im Oktober 2021 ihre Premiere bei HBO Max - als eine der ersten spanischen Originals des Streamingdienstes. Und wie sehr das Coronavirus die Schlagzeilen damals bestimmt hat, zeigt sich auch innerhalb der Serie. Zunächst spielt die Pandemie nur nebenbei eine kleine Rolle, plötzlich tragen Charaktere dann aber Maske, eine Figur kann nichts mehr schmecken und eine andere kauft haufenweise Klopapier. 2020 und 2021 diskutierte auch die Medienbranche: Soll man die Pandemie in Serien thematisieren? In diesem Fall und mit vielen Monaten Abstand zum letzten Lockdown lässt sich festhalten: Es wirkt schon ziemlich komisch, denn Corona ist im Juli 2023 gefühlt sehr weit weg. Das alles tut der Stärke der Serie insgesamt aber keinen Abbruch. 

Mal großes Ensemble-Schauspiel, mal kleines Kammerspiel im Schlafzimmer: "Dafne and the Rest" entfaltet über die acht Folgen eine ungeheure Bandbreite, bleibt sich dabei in Bildsprache und Aussage aber immer treu. Zwischendurch gibt es übrigens auch einen Off-Sprecher, der gewisse Dinge zwischen den Freunden einordnet und selbst auch mal ein paar neckische Anmerkungen macht. Und auch dieser Off-Sprecher spielt im Verlauf der Serie noch eine wichtige Rolle - viel mehr soll an dieser Stelle aber nicht verraten werden. Nur so viel: Mit einem cleveren Trick haben die Macherinnen und Macher um Abril Zamora am Ende noch einen schönen Cliffhanger eingebaut, der Lust macht auf eine zweite Staffel, die von HBO Max bislang aber nicht angekündigt wurde. Es wäre der Serie, den Machern sowie den Fans zu wünschen, dass es weiter geht. Dann könnte Dafne wieder frustriert sein. Und gut gelaunt. Und wütend. Und voller Hoffnung. Und noch so viel mehr. 

Alle acht Folgen von "Dafne and the Rest" sind aktuell bei RTL+ verfügbar.