Wenn es im deutschen Fernsehen dieses Jahres ein verlässliches Forum für Diskussionen über das Coronavirus gab, dann war es "Markus Lanz". Die ZDF-Gesprächssendung läuft anders als "Anne Will", "Hart aber fair" oder auch "Maybrit Illner" auf einem vermeintlich schlechteren, weil späteren Sendeplatz. Das hat dem Erfolg der Sendung in den vergangenen Jahren aber nie einen Abbruch getan - und vor allem 2020 hat sich gezeigt, was das Format von vergleichbaren Sendungen unterscheidet. Und zwar im positiven Sinne.


Markus Lanz hat es geschafft, eine Talk-Sendung zu etablieren, in der es nicht um den schnellen Applaus geht, was angesichts des fehlenden Publikums ohnehin nicht möglich ist, sondern um bisweilen tiefgründige Diskussionen. Und weil genau das in der Coronakrise besonders gefragt war, ist es nur folgerichtig, dass "Markus Lanz" in besonderem Maße während der Krise profitiert hat. Im März und April sahen am späten Abend im ZDF regelmäßig zwei Millionen Menschen zu, auch im November kam Lanz wieder auf diese extrem hohe Reichweiten. Selbst beim jungen Publikum fährt seine Sendung mittlerweile oft zweistellige Marktanteile ein. 

Markus Lanz gibt den Gästen in seiner Sendung Zeit, ihre Positionen auszuführen. Dabei vergisst er aber keineswegs, Ungereimtheiten anzusprechen oder kritisch nachzufragen. Als der kleine österreichische Privatsender ServusTV ab Herbst in seinem "Corona Quartett" fragwürdigen Wissenschaftlern eine Plattform bot und damit suggerierte, man sei der einzige Sender, der kritische Stimmen zulasse, wurde bei "Markus Lanz" längst über wirtschaftliche Folgen von Lockdowns gesprochen und das Schicksal von Menschen thematisiert, deren Operationen beispielsweise verschoben werden mussten. Das Corona-Themenspektrum, das Lanz abdeckte, war groß. 

Was wir wollen, sind echte Gespräche.
Markus Lanz über das fehlende Studio-Publikum

In der ZDF-Sendung wurden auch Gesichter etabliert, die heute als Erklärer der Pandemie gelten. An vorderster Front steht da natürlich Karl Lauterbach, der im Frühjahr sehr regelmäßig im Studio Platz nahm und dessen zunächst stark kritisierte Prognosen auffallend oft eintrafen. Heute ist der SPD-Politiker weit über "Markus Lanz" hinaus gefragter Gesprächspartner in Sachen Corona. Auch Tim Mälzers Gefühlsausbruch bei Lanz machte bundesweit Schlagzeilen, weil man den TV-Koch so zuvor noch nie gesehen hatte. 

Politiker haben es bei Lanz nicht immer einfach, weil sie sich nicht in ihre gelernten Plattitüden flüchten können. An dieser Stelle ist auch der Redaktion ein großes Lob auszusprechen: Egal, welcher Gast da gerade sitzt - die Mitarbeiter haben Lanz stets gut gebrieft über Buch-Inhalte, Reden oder andere, wissenswerte Dinge. Zuletzt hat Markus Lanz aber auch bewiesen, dass er außerhalb seines gewohnten Studios Interviews führen kann - und das mit dem einst mächtigsten Mann der Welt. So war der ZDF-Talker einer von wenigen deutschen Journalisten, die Barack Obama zum Interview treffen konnten. 

Obama bei Lanz © ZDF/Bent Liebscher Markus Lanz beim Gespräch mit Barack Obama.

Der ehemalige US-Präsident versuchte zunächst selbst die Lanz-Taktik und erklärte, er habe gehört, Lanz habe in Deutschland so etwas wie eine Fangemeinde. Zunächst sah man Lanz seinen Respekt und seine Nervosität ob dieses hochkarätigen Gesprächspartners auch an, doch das legte sich schnell. Nach ein paar lockeren Einstiegsfragen ging es an die härteren Brocken. Drohnenangriffe, Donald Trump und die Spaltung der Gesellschaft. Schade eigentlich, dass Obama nicht wie Karl Lauterbach eine Woche später noch einmal mit Lanz gesprochen hat - zu erzählen hatte er bestimmt viel. "Tief anfliegen, weiche Fragen stellen, menscheln, das zusehends entspannte Opfer mit ans Schmierige grenzenden Liebenswürdigkeiten einlullen – und dann zuschlagen", schrieb der "Spiegel" im Anschluss an das Gespräch über die Interview-Methode von Lanz. Was sich liest wie eine bitterböse Abrechnung, ist in Wirklichkeit ein großes Lob. Lanz knackt selbst die härtesten Knochen. 

Markus Lanz versteht es wie kein Zweiter, Information und Unterhaltung miteinander zu verweben, um den Zuschauern so den größtmöglichen Erkenntnisgewinn zu liefern. Im Vergleich zu früheren Jahren ist der Moderator entspannter geworden und sitzt nicht mehr ganz so oft weit vorne auf seinem Stuhl und unterbricht seine Gäste. Geschafft hat er das alles übrigens in einer Zeit, in der auch seine Sendung Veränderungen unterworfen war. Seit dem Frühjahr gibt es bei "Markus Lanz" beispielsweise kein Publikum mehr, was dem Ablauf eher noch geholfen hat. 

Der "Wetten, dass..?"-Ausflug ist vergessen

"Ich gebe zu, dass es mir am Anfang sehr gefehlt hat", sagte Lanz vor wenigen Wochen in einem Interview mit dem Magazin "DB mobil" in Bezug auf das fehlende Publikum. Gleichzeitig konstatierte er, die Sendung sei dadurch eine andere geworden. "Ich habe das Gefühl, die Gäste sind noch konzentrierter, unaufgeregter. Und sie geraten nicht in Versuchung, den einen oder anderen populistischen Ausfallschritt zu machen. Denn da klatscht jetzt keiner mehr. [...] Was wir wollen, sind echte Gespräche." Echte Gespräche - davon sollten sich andere Talkshows im deutschen Fernsehen etwas abschneiden. 

Längst vergessen ist inzwischen die Zeit, in der sich der Moderator an "Wetten, dass..?" versuchte und dabei scheiterte. Markus Lanz hat seine Rolle in diesem Jahr endgültig gefunden. Und die liegt nicht primär in der Unterhaltung. Lanz ist der kritische Fragensteller der Nation, der den Zuschauern damit gerade in der Krise Verlässlichkeit geboten hat, die es so nicht überall gab.